Название: Sturmhöhe
Автор: Emily Bronte
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752950137
isbn:
Freilich hatte Catherine eine Art, wie ich sie niemals an einem Kinde bemerkt habe. Fünfzigmal am Tage stellte sie unsere Geduld auf die Probe, und vom Morgen an, wenn sie die Treppe herunter kam, bis zum Abend, wenn sie zu Bett ging, waren wir vor ihren Streichen keinen Augenblick sicher. Der Pegel stand bei ihr immer auf Hochwasser, ihre Zunge ging ohne Pause, sie sang und lachte und quälte jeden, der nicht mitmachte. Sie war ein tolles Ding, aber mit den lieblichsten Augen, dem süßesten Lächeln und dem anmutigsten Gang in der ganzen Gegend. Im Grunde meinte sie es gar nicht böse. Wenn sie jemanden ernstlich zum Weinen gebracht hatte, tat sie gewöhnlich wieder alles, um ihm gute Gesellschaft zu leisten und ihn zu beruhigen, bis er seinerseits sie selbst trösten mußte. An Heathcliff hing sie nur allzusehr. Die größte Strafe war für sie, wenn wir sie von ihm trennen wollten; und doch wurde sie am häufigsten seinetwegen gescholten. Beim Spielen liebte sie es aber, als die kleine Herrin aufzutreten; sie schlug und kommandierte ihre Gefährten nach Herzenslust. Auch mit mir wollte sie so verfahren, aber sie merkte bald, daß ich es mir nicht gefallen ließ.
Mr. Earnshaw verstand seinen Kindern gegenüber keinen Spaß, da er immer streng und ernst mit ihnen umgegangen war. Catherine ihrerseits konnte nicht einsehen, warum ihr Vater jetzt unangenehmer und ungeduldiger sein sollte als in seiner früheren gesunden Zeit. Seine schroffen Vorhaltungen verursachten ihr ein nichtsnutziges Vergnügen, ihn zu reizen. Sie war besonders zufrieden, wenn wir alle sie gleichzeitig auszankten. Dann warf sie sich uns allen mit ihren kecken Blicken und schlagfertigen Worten entgegen. Sie machte Josefs frömmlerische Verwünschungen lächerlich, sie riß mich herunter und tat genau das, was ihren Vater am meisten aufregte: sie bewies, daß ihre Frechheit – die nur gespielt war, aber von Heathcliff für echt gehalten wurde – mehr Macht über diesen hatte als die Güte ihres Vaters. Denn der Junge kam ihren sämtlichen Wünschen nach, den Wünschen Mr. Earnshaws aber nur dann, wenn er selbst dazu Lust hatte. War sie den Tag über so angriffslustig wie möglich gewesen, kam sie am Abend, um es mit Liebkosungen wiedergutzumachen.
»O nein, Cathy«, sagte der alte Mann, »ich kann dich nicht gern haben, du bist noch schlimmer als dein Bruder. Geh beten, Kind, und bitte Gott um Verzeihung. Deine Mutter und ich müssen noch bereuen, daß du geboren bist.« Zuerst weinte sie über solche Worte; aber als sie immer wieder zurückgestoßen wurde, verhärtete sie sich und lachte über meine Ermahnungen, sie solle sich entschuldigen.
Aber es kam die Stunde, die den irdischen Kümmernissen Mr. Earnshaws ein Ende setzte. In seinem Stuhl am Kamin ging er an einem Oktoberabend friedlich hinüber. Rings um das Haus brauste ein heftiger Wind und heulte im Schornstein. Doch es war noch nicht kalt, und wir saßen alle beisammen, ich etwas abseits mit meinem Strickzeug, Josef am Tisch, mit seiner Bibel. Miß Cathy war krank gewesen, sie lehnte still an ihres Vaters Knie, und Heathcliff lag auf dem Boden, den Kopf auf ihrem Schoß. Ich erinnere mich, wie der Herr vor dem Einschlummern ihr schönes Haar streichelte; es gefiel ihm offenbar, sie so ruhig zu sehen, und er sagte: »Warum kannst du nicht immer ein gutes Mädchen sein, Cathy?« Sie hob lachend ihr Gesicht und erwiderte: »Warum kannst du nicht immer ein solch guter Mann sein, Vater?« Als sie sah, daß ihn dies wieder ärgerte, küßte sie seine Hand und meinte, sie werde ihn in Schlaf singen. Ganz leise fing sie zu singen an, bis seine Finger die ihren losließen und sein Kopf sich auf die Brust senkte. Ich sagte, sie solle aufhören und sich nicht rühren, um ihn nicht zu wecken. Wir blieben eine halbe Stunde lang ganz still und hätten noch länger so verharrt, wenn nicht Josef nach Beendung seines Kapitels aufgestanden wäre. Er müsse den Herrn wecken, damit er bete und sich niederlege. Er redete ihn an und berührte seine Schulter; als der Herr sich nicht bewegte, nahm Josef die Kerze und betrachtete ihn. Ich merkte, daß etwas nicht stimme, da er das Licht hinstellte, die Kinder am Arm faßte und flüsterte: »Geht hinauf und macht keinen Lärm, betet heute Abend allein, ich habe noch zu tun.«
»Erst will ich Vater gute Nacht sagen«, erwiderte Catherine, und bevor wir sie hindern konnten, schlang sie die Arme um seinen Hals. Doch sofort spürte sie, was vorgegangen war. Das arme Ding schrie auf: »Oh, er ist tot, Heathcliff, er ist tot!« Beide brachen in wildes Schluchzen aus.
Ich klagte ebenso bitterlich wie sie, aber Josef fragte, was wir uns dabei dächten, daß wir über einen Heiligen im Himmel ein solches Geschrei erhöben. Ich mußte den Mantel anziehen und nach Gimmerton zum Arzt und zum Pfarrer laufen. Wozu man die beiden jetzt noch brauchte, konnte ich mir nicht erklären, aber ich ging in Wind und Regen hinaus und kam mit dem einen von ihnen zurück, mit dem Doktor; der andere sagte, er würde sich am Morgen einstellen. Die Tür zum Zimmer der Kinder sah ich weit offenstehen; sie hatten sich noch nicht hingelegt, obwohl es nach Mitternacht war. Doch sie brauchten meinen Trost nicht, sie beruhigten einander mit besseren Erklärungen, als ich sie geben konnte. Kein Pfarrer in der Welt hätte ihnen den Himmel so schön ausmalen können, wie sie es in ihrem kindlichen Gespräch taten.
Sechstes Kapitel
Mr. Hindley kam zum Begräbnis heim. Zu unserer Überraschung brachte er eine Frau mit, und die Nachbarn rechts und links hatten Anlaß zum Klatsch. Wer sie war und woher sie stammte, teilte er uns niemals mit. Wahrscheinlich hatte sie weder Geld noch Familie, um damit Staat zu machen, sonst hätte er die Verbindung nicht vor dem Vater geheim gehalten. Sie fiel dem Hauswesen in keiner Weise zur Last. Alles, was sie sah, seit sie die Schwelle überschritten hatte, schien sie zu entzücken. Abgesehen von den Vorbereitungen für das Begräbnis und der Anwesenheit der Trauernden, freute sie sich über jeden Vorgang um sie her. Man hätte sie für närrisch halten können, so benahm sie sich während der Feierlichkeiten. Sie lief auf ihr Zimmer, und ich mußte mitkommen, obwohl ich die Kinder anzuziehen hatte, und da saß sie zitternd und fragte immer wieder mit gerungenen Händen: »Sind sie noch nicht gegangen?« Dann sprach sie von der schwarzen Farbe und beschrieb mir in hysterischem Ton, wie Schwarz auf sie wirke. Sie sprang auf, weinte, und als ich fragte, was sie denn habe, antwortete sie, sie wisse es selbst nicht, aber sie fürchte sich so sehr vor dem Sterben! Dabei hatte sie mit dem Tod ebensowenig zu tun wie ich; sie war zwar dünn, aber hatte frische Farben, und ihre Augen glänzten hell wie Diamanten. Vom Treppensteigen atmete sie allerdings etwas hastig, sie hustete manchmal und bei jedem Geräusch fuhr sie zusammen. Über diese Anzeichen machte ich mir nicht viel Gedanken, und sie war nicht danach angetan, ihr viel Mitgefühl entgegenzubringen. Wir nähern uns hierzulande den Fremden nicht leicht, Mr. Lockwood, es muß von ihrer Seite kommen.
Der junge Earnshaw hatte sich in den drei Jahren seiner Abwesenheit erheblich verändert. Er war dünner geworden, hatte seine guten Farben verloren und sprach und kleidete sich ganz anders. Sofort am Tage seiner Rückkehr bestimmte er, daß Josef und ich künftig in der hinteren Küche bleiben und vom großen Raum ausgeschlossen sein sollten. Er selbst hätte am liebsten eine kleine Stube als Wohnzimmer tapezieren und mit Teppichen auslegen lassen. Aber seiner Frau gefielen der weiße Fußboden, die leuchtende Feuerstätte, die Zinnschüsseln und der Porzellanschrank, die Hundehütte und der ganze weite Raum, »Das Haus«, in dem man sich nach Belieben bewegen und sich gewöhnlich aufhalten konnte, so daß zu ihrer Bequemlichkeit nichts Weiteres nötig war.
Hindleys Frau äußerte auch große Freude darüber, СКАЧАТЬ