Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2. Dr. Phil. Monika Eichenauer
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Читать онлайн книгу Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2 - Dr. Phil. Monika Eichenauer страница 16

СКАЧАТЬ Erleben wird mit Hilfe von Schmerzmitteln unterdrückt oder durch Schmerzbewältigungstechniken zeitweilig gemildert und/oder verschoben – und Patienten klagen weiter über Symptome und Schmerzen. Wissenschaftlich wird auf Untersuchungsergebnisse hingewiesen, die glaubhaft machen sollen, dass man sich mit den pharmazeutischen Mitteln, medizinischen Behandlungsmethoden und entsprechenden Heilungshypothesen auf dem Pfad des Wissens bewegt. Dieser Weg ist deshalb auch aus offizieller Sicht kulturell fortzusetzen, auch dann, wenn er nicht wirkt und Patienten weiter leiden, ihre Krankheiten und Symptome erhalten bleiben. Auf diesem Hintergrund wird von Patienten nur noch eines im Gesundheitswesen erwartet: Sie sollen sich an Krankheit und Symptome anpassen, ihren Alltag entsprechend umstellen und sich passender (meist technischer) Hilfsmittel bedienen. Sie sollten weiter aufhören, gegen die Krankheit anzukämpfen. Besser wäre es, sie anzunehmen und damit klar zu kommen. Sie sollen eben eine realitätsgerechte Haltung einnehmen und aufhören davon zu reden, welches Leben sie, als sie noch gesund waren, hatten und nun verloren haben. Sie sollen tun, was der Doktor (damit sind Mediziner und Ärzte gemeint) sagt und dann würde es schon besser. Diese Patienten bekommen nicht gesagt, dass jeder Mensch über Selbstheilungskräfte verfügt. Ihnen wurde nicht gesagt, dass man sie aktivieren kann.

      Meine PatientInnen wissen, dass ich mitunter zu ungewöhnlichen Maßnahmen in meiner täglichen Arbeit greife. In Bezug auf die Behandlung bei Schmerzpatienten kann ich sagen, dass es wohl keinen Schmerzpatienten gab, bei dem ich keine haarfein auf ihn abgestimmte therapeutische Maßnahme ersonnen habe, die ihn heilte. Gestatten Sie mir die zwei folgenden Beispiele:

      1. Die erste Patientin, die mir einfällt, war ca. 37 Jahre alt, wirkte deutlich vorgealtert, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Sie arbeitete in einem Betrieb, der Handys herstellt. Sie klagte über Dauerschmerzen im Rücken, die durch ärztliche Behandlung bei einem Orthopäden nicht zu mildern waren. Auch Tabletten halfen nur zeitweilig. Ungefähr ein halbes Jahr lang erzählte und klagte sie über ihr Leben: Über die schwierige Beziehung mit ihrem Mann, den Ärger mit den Kindern und die nicht mehr auszuhaltende Arbeit am Fließband. Sie musste täglich acht Stunden mit Lupe und im Rücken gebeugt kleine technische Teilchen einbauen. Jeden Tag aufs Neue wurden die Verspannungen aufgebaut, die sie so gern abgebaut gesehen hätte. Ihr Leben änderte sich nicht, ihre Schmerzen änderten sich nicht, ihre depressive Stimmung änderte sich nicht. Sie sah jeden Tag das Gleiche. Niemals fühlte sie sich fröhlich, gelöst und glücklich. Da sie sich nicht mehr erinnern konnte, jemals glücklich, fröhlich und zuversichtlich gewesen zu sein, unterbreitete ich ihr eines Tages den folgenden Vorschlag: Sie sollte ein Foto von sich anfertigen lassen, auf dem sie lachte und zuversichtlich an Gegenwart und Zukunft dachte. Weiter fragte ich sie, ob sie sich an eine Zeit erinnern könne, in der sie glücklich war und das Gefühl hatte, das Leben schenke ihr alles, was sie sich wünsche und brauche. Und was sie sich denn im Leben gewünscht und ob sich denn etwas erfüllt hätte? Sie schaute mich an, weinte und erzählte aus ihrer Erinnerung heraus, was ihr einfiel. Am Ende der Sitzung lachte sie unter Tränen und sagte, dass sie schon lange nicht mehr gefühlt habe! Und dass sie eine hübsche Frau sei, die positive Dinge erlebt, habe sie schon gar nicht mehr gewagt zu denken! In der nächsten Sitzung brachte sie das Foto mit. Eine um Jahre verjüngte Frau lachte mich zuversichtlich an. Ich fragte die Patientin, ob es einen Ort gäbe, wo sie jeden Tag dieses Bild mit hundertprozentiger Sicherheit sähe. Nach längerem Überlegen sagte sie, dass dieser Platz im Auto sei. Sie befestigte das Bild an einer Stelle, so dass sie es jeden Tag und möglichst oft sah. In den nächsten vier Wochen kam sie immer zuversichtlicher wirkend in die Sitzungen, berichtete von positiven Erlebnissen mit Mann und Kindern, die Arbeit wurde nicht mehr thematisiert, von Schmerzen hörte ich kaum noch etwas und wenn doch dann eher so „....ach, ja ich habe da noch Verspannungen, die sind aber kein Problem!“ Wir konnten die Psychotherapie beenden. Diese Patientin hatte im Stress des Lebens vergessen, wer sie war und dass sie eine lebendige Frau und Mutter ist. Sie hatte sich nur noch wie ein Automat gefühlt. Diese Vorstellung und das zugehörige Lebensgefühl wurden von dem Bild der fröhlichen und lebendigen Frau abgelöst. Wenn sie fühlte, dass der Stress wieder im Begriff war, sie zu übermannen, erinnerte sie sich nun anhand des Bildes im Auto, dass sie auch noch etwas anderes erleben und sein konnte, als der Alltag ihr suggerierte. Sie hatte ihren verloren gegangenen Seelenanteil – so will ich diese Entwicklung mal außerhalb psychoanalytischer Theorienbildung bezüglich Ich-Strukturen benennen – wieder gefunden.

      2. Die zweite Patientin war Krankenschwester in der Rheumaklinik in der ich als Psychologische Psychotherapeutin alleinig arbeitete. Sie kam, weil sie unerträgliche Rückenschmerzen hatte. Bei näheren Nachfragen meinerseits erzählte sie, dass sie ihr Leben wie ein Gefängnis erlebe. Sie wüsste nicht, wie sie dem entkommen sollte. „Sie befinden sich wohl in einem elendigen Kreislauf oder?“ fragte ich ihre Gefühle spiegelnd zurück. „Ja, das kann man wohl sagen...!“ erwiderte sie. Ich bat sie, im Kreis zu gehen und mir von ihrem Leben zu erzählen. Sie solle mal mit dem vergangenen Montag der letzten Woche anfangen. Sie schaute mich ungläubig an und folgte dann aber meinem Vorschlag. Sie erzählte und erzählte unter Weinen, wie sie lebte und was sie erlebte und lief in dem kleinen Kreis, den das Behandlungszimmer zuließ (,) wohl eine halbe Stunde lang. Dann passierte in ihr etwas, sie blieb stehen und sagte nur: „Ich habe verstanden. Ich habe keine Schmerzen mehr!“ erklärte sie unvermittelt und verabschiedete sich lachend. Zum nächsten Termin kam sie lachend ins Behandlungszimmer und sagte, es sei alles gut. Sie bräuchte keine Behandlung. Die Schmerzen seien weg geblieben. Leider konnte sie nicht verbalisieren, was passiert war. Sie konnte nur sagen, dass etwas passiert sei. Sie schenkte mir eine kleine goldene Muschel mit einer Perle darin. Meine Verneinung, dass ich doch keine Geschenke annehmen dürfe, ignorierte sie vehement und bestand darauf, sie mir zu schenken. Ich nahm sie dann auch an und folgte damit intuitiv höheren Gesetzen, um der Patientin durch das gemeinsame Arbeitsergebnis keine Schuldgefühle mit auf den Weg zu geben. Die Schmerzen waren ausgemerzt.

      Soweit die Beispiele.

      Die Seele und das, was Menschen aufgrund ihrer Krankheiten empfanden und welche emotionalen Ursachen mit ihnen verbunden sind, wurden von den Naturwissenschaften kaum in Betracht gezogen. Generell überhörten die Ärzte Hinweise von Patienten, die jeweilige Lebenssituationen, Beziehungsprobleme und sozialpolitische Auswirkungen betrafen und etwaige innere, sprich, seelische Vorgänge widerspiegelten. Es galt nur, was an Körperlichkeit stumm vor den Medizinern/Ärzten auf der Untersuchungsliege oder auf dem OP-Tisch lag. Folglich stellte dieser Typ von Mediziner oder Arzt die Fragen streng klinisch und fachbezogen ausschließlich in Bezug auf den Körper. Dieses Verständnis von Krankheit und Gesundheit spiegelt sich seit Jahrzehnten in der Verleugnung der hohen Zahlen missbrauchter und geschlagener Frauen oder missbrauchter, geschlagener und ermordeter Kinder wider, wie sie sich rückwirkend leicht rekonstruieren lassen und sich mit Fallzahlen heutzutage vergleichend darstellen. Wie man weiß, griffen Frauen zur Selbsthilfe in Form von Initiativen und Vereinen wie, „Gewalt gegen Frauen“, indem sie Frauenhäuser initiierten. Ebenso spiegeln sich in diesem veralteten, ausschließlich organisch orientierten Medizinverständnis zigtausend klassifizierte Krankheiten wie Aids, Krebs, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Suchterkrankungen entsprechend dieses biomedizinischen Körper-Denkens und der aus diesem Denken entwickelten Behandlungsmethoden wider: Das Wissen der Psychotherapie bekam nur sehr begrenzten und geringen Eingang und Einfluss auf die tägliche Versorgungspraxis in der allgemeinen Bevölkerung. Wenn Menschen psychische Probleme hatten, wurden sie oftmals im ersten Schritt mit Antidepressiva vom Hausarzt und eventuell im zweiten mit Psychopharmaka von Neurologen und Psychiatern versorgt. Eher die Ausnahme bildeten Ärzte mit angemessenen Psychotherapieangeboten wie der Psychoanalyse. Im psychotherapeutischen Bereich tätige Diplom-Psychologen boten oftmals privat Psychotherapien an, deren Kosten aufgrund einer fehlenden und geregelten Zulassungsordnung (siehe Kapitel „Vergangenheit“ ab S. 81) durch die Krankenkassen selten übernommen wurden.

      Populärer wurde die psychotherapeutische Arbeit von Diplom-Psychologen mit psychotherapeutischer Ausbildung aufgrund verschiedener gesellschaftlicher Entwicklungen, die die Anerkennung von Gefühle voraus- und freisetzten:

      1.) „Die Pille“ eröffnete neue Möglichkeiten und brachte freiere Lebensarten СКАЧАТЬ