Название: Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2
Автор: Dr. Phil. Monika Eichenauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783844217742
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Die wissenschaftliche Psychologie bemühte sich daher stets um „naturwissenschaftliche Anerkennung“ und entwickelte eine Grundlagenforschung, die sich erfolgreich der Erklärung des Verhaltens von Menschen und Tieren annahm. Experimentelle Untersuchungen spielten somit eine wichtige Rolle. Daneben entwickelte die Psychologie im praktischen Bereich neue Konzepte hinsichtlich der „Psyche“ und Methoden, um diese zu beeinflussen und zu therapieren, die Aufnahme in den Fachbereich „Klinische Psychologie“ fanden. In diesem Bereich wurden unter anderem Kenntnisse zu Lerntheorien vermittelt und experimentell weiter erforscht. Die wissenschaftliche Psychologie stellte die methodische Basis der Verhaltenstherapie dar: Stichworte hierzu sind Pawlow und Skinner, die ich im ersten Band erwähnte. Daraus wurden Schlüsse gezogen, wie man Tiere und Menschen zu bestimmten Verhaltensäußerungen erziehen, sprich konditionieren kann. In den USA fand nach dem zweiten Weltkrieg vor dem Hintergrund des Holocaust ein Experiment statt, in dem Versuchspersonen Stromschläge an andere Menschen austeilen sollten, falls diese nicht das gewünschte Verhalten zeigten. Die Ergebnisse waren erschütternd, da sie bewiesen, dass die Versuchspersonen selbst dann ihrer Pflicht nachkamen, wenn Schmerzensschreie zu hören waren.
Parallel zur wissenschaftlichen Psychologie und naturwissenschaftlichen Medizin entwickelten sich psychotherapeutische Methoden aus dem neurologischen und psychiatrischen Fachbereich heraus. Sigmund Freud entwickelte die Psychoanalyse. Denn über die Organe und ihre Funktionen hinaus gab es noch etwas anderes zu erforschen: Die Psyche. Nun wurde also der Einfluss der Psyche auf den menschlichen Körper untersucht. 1895 erschienen Freuds Studien über die Hysterie, und nach dem Tod des Vaters begann Freud eine Selbstanalyse, an deren Ende die Traumdeutung veröffentlicht wurde (1899). Maßgebliche Leistungen vollbrachten auch Freuds berühmte Schüler Carl Gustav Jung und Alfred Adler. Sie interessierten sich dafür, wie Menschen sich steuern, kontrollieren und welche Bedeutung das „Ich“, also der bewusste Teil der Psyche des Menschen, spielte. Dabei stellte sich heraus, dass das „Ich“ über verschiedene Mechanismen verfügt, um sich Unbequemes vom Hals zu schaffen (Verdrängung), anderes erst gar nicht wahrzunehmen (Abspaltung), Sachverhalte gegenteilig zu deuten (Verkehrung) und sich mit Vorbildern bewusst oder unbewusst zu identifizieren (zum Beispiel Eltern oder Elternanteile), um nur ein paar gängige Abwehrstrukturen zu nennen. Daran schloss sich die Frage an, warum das „Ich“ so etwas tut. Freud fand heraus, dass den verschiedenen Abwehrstrukturen Konflikte in unterschiedlichen kindlichen Entwicklungsphasen zugrunde liegen, und stellte die Sexualität als Urheber neurotischer Entwicklungen in den Mittelpunkt seines theoretischen Erklärungsmodells –bis heute wird noch diskutiert, ob es so ist. Inzwischen gibt es diesbezüglich einen breiten psychoanalytischen Forschungsstand, der andere Erklärungsmodelle plausibel darlegt und bevorzugt. Diese Theorie suchte er mit Fallstudien zu belegen. Abhängig davon, wie Menschen sich im Leben weiterentwickeln, gestalten sich im Lebensvollzug Situationen, durch die der ursprüngliche Konflikt berührt und wieder aktiviert wird. Freuds These lautete, die „Kultur“ unterdrücke die Sexualität und bringe damit psychische Probleme, die sich auch körperlich äußern können, hervor. Er empfahl die Sublimierung sexueller Energie durch kulturell notwendige und sinnvolle Arbeit. Werden ursprüngliche Konflikte durch bestimmte Auslöser im späteren Leben wieder berührt ohne dass sie diese direkt mit der gegenwärtigen Lebenssituation verbinden können, steckt der Betroffene in einem bedrängenden, aber eben namenlosen Gefühl fest. Freud sprach vom „Unbehagen in der Kultur“, das es für die Menschen notwendig mache, Gefühle nicht einfach ausleben zu können, sondern den Erfordernissen in der Kultur anzupassen – das „Ich“ habe ordnende Funktion hinsichtlich der individuellen Interessen und Triebe und gegenüber der Gemeinschaft, der Kultur, in der sie leben. Das „Ich“, so Freud, müsse somit den Ansprüchen des Triebes („Es“) und der Kultur („Über-Ich“) gerecht werden und die unterschiedlichen Interessen ausgleichen. 1902 gründete Sigmund Freud die Mittwochsversammlungen, in denen heftig diskutiert wurde. Zu diesem Kreis zog es immer mehr interessierte Kollegen. C. G. Jung integrierte die Entwicklung der psychischen Menschheitsgeschichte und sprach vom transkulturellen Wirken des Psychischen und zwar über das individuelle und bewusste „Ich“ und dessen unbewusste Anteile hinaus. Er schuf Konzepte wie Anima und Animus als dem jeweiligen Geschlecht entgegengesetzte psychische Repräsentanzen in Männern (Anima) und Frauen (Animus) und eröffnete den Weg für die Einbeziehung der Mythologie: Jung schuf die Archetypen als Erklärungsgrundlage für das je individuell im Menschen wirkende seelische Material.
Alfred Adler erweiterte den psychoanalytischen Ansatz Freuds in die Gesellschaft hinein. Er stellte die Wichtigkeit der sozialen Beziehungen in den Vordergrund. Bei allen Differenzierungen und unterschiedlichen Ausrichtungen hatten Psychologen und Psychoanalytiker eines gemeinsam: Sie hörten Menschen und Patienten zu, beobachteten sie und differenzierten die Phänomene hinsichtlich der Ursachen. Bis heute hat sich die Konfliktorientierung von psychischen Störungen gehalten – ergänzt um Zustände wie Schock und Trauma, deren Bedingungen Sigmund Freud und C. G. Jung ebenfalls schon in ihren Schriften beschrieben. Wissenschaftliche Psychologie beobachtete und erforschte parallel weiterhin Menschen und ihr Verhalten. Die Psychoanalyse und die Verhaltenstherapie zählten zusammen mit der Gesprächspsychotherapie (GT) Carl R. Rogers zu den grundsätzlichen Behandlungsmethoden der Klinischen Psychologie, wie sie an den Universitäten vermittelt werden. Im Laufe der Jahrzehnte erschienen zahllose Bücher und Forschungsergebnisse aus der Psychologie − wobei tatsächlich sehr genau zu schauen wäre, was tatsächlich von Diplom-Psychologen und Psychoanalytikern oder Verhaltenstherapeuten geschrieben ist, und bei welchem Autor es sich um einen publizierenden „Hobbypsychologen oder Hobbypsychotherapeuten“ oder einen sich sonst wie benannten Therapeuten handelt.
Parallel wurde eine Vielzahl neuer psychotherapeutischer Methoden entwickelt. Fritz Perls, ein deutscher Jude und Psychoanalytiker, der während der Nazidiktatur nach New York emigrierte, entwickelte die Gestalttherapie unter dem Einfluss der Ergebnisse aus der Wahrnehmungspsychologie und der Feldtheorie von Lewin. Wilhelm Reich, ebenfalls Jude und Psychoanalytiker, der 1933 vor der Naziherrschaft floh, erweiterte in den USA die klassische Psychoanalyse um eine Atemmethode und sorgte so für einen körperorientierten Zugang zur menschlichen Psyche – er sprach von charakterspezifischen Muskelpanzerungen. Alexander Lowen und John Pierrakos, beides Mediziner, waren Schüler von Reich und entwickelten aus dem Reich’schen Ansatz die Bioenergetik. John Pierrakos erweiterte die Bioenergetik zur Core-Energetik in New York – unter maßgeblichen Einfluss von Eva Pierrakos. Zusätzlich gäbe es unzählige Weiterentwicklungen in psychotherapeutischen und psychoanalytischen Körpertherapien aufzuzählen, was aber im Rahmen dieses Buches nicht zu leisten ist, sondern eine eigene Veröffentlichung wert wäre. Ebenso verhält es sich bezüglich der systemischen Methoden für Familien und andere Sozialsysteme wie z.B. die Organisationsformen in Firmen, aus denen Organisationsberatungsansätze hervorgingen. Ausführlich wie unermüdlich widmete sich dieser praktischen und theoretischen Integrationsarbeit mein Kollege und Freund Dr. Gerhard Fatzer. Er ist ebenfalls wie ich Gestalttherapeut und lebt in Zürich. In zahlreichen Veröffentlichungen belegt er Entwicklungen bezüglich Supervision und Unternehmungsberatung. Ebenso initiierte er zahlreiche internationale Konferenzen in Europa und in anderen Kontinenten. Dies als ein Beispiel dafür, dass die psychotherapeutischen Methoden auch in anderen Arbeitsbereichen ihren maßgeblichen Niederschlag fanden. Sie sind aus unserer heutigen Welt nicht mehr wegzudenken.
Unterdessen und parallel wurden in der wissenschaftlichen Psychologie mittels experimenteller Anordnungen und statistischer Erfassungsmethoden menschliche Verhaltensweisen und Funktionen, insbesondere aber das Sexualverhalten von Menschen untersucht – und beispielsweise im berühmten Kinsey-Report dokumentiert. Insgesamt nahm die Bedeutung der Statistik und ihrer Parameter Reliabilität (Wiederholbarkeit) und Validität СКАЧАТЬ