Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
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Название: Mythos, Pathos und Ethos

Автор: Thomas Häring

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738030754

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СКАЧАТЬ ansprach? Das war zweifellos das absolute Highlight der gesamten Veranstaltung gewesen, traurig aber wahr.

      07.09.2005: Im Bundestag ging es noch einmal heftig zur Sache. Alle beschimpften sich so gut sie konnten, beleidigten einander so kreativ wie möglich und hielten ihre Wahlkampfreden eins zu eins im deutschen Parlament. Irgendwie durchaus verständlich, denn der Wahltag rückte unerbittlich näher, von daher galt es, die eigenen Reihen geschlossen hinter sich zu versammeln und den politischen Gegner noch einmal frontal anzugreifen, damit das doofe Volk vor den Bildschirmen endlich mal merkte was Sache war und deshalb endgültig die notwendigen Konsequenzen daraus zog. Festerbelle traf dabei eher zufällig und unbeabsichtigt auf Ansgar Mischer. Jener versuchte, so wie immer, den FDP-Mann zu ignorieren, doch der nahm seinen ganzen Mut zusammen und sprach den Außenminister an: "Hallo, Herr Mischer! Ich weiß gar nicht ob Sie’s wußten, aber ich werde schon bald Ihr Nachfolger", behauptete Guildo. "Sie, Gu-ildo, werden nicht mal Staatssekretär im Auswärtigen Amt", höhnte Ansgar. Damit hatte er Festerbelle schwer getroffen, doch der ließ nicht locker. "Sie werden schon sehen und sich dann bei mir entschuldigen. Außerdem haben Sie heute selbst "Kanzlerin" gesagt und die Frau Gerkel gemeint." "Mag sein, daß ich mich da versprochen habe, vielleicht war es ja auch ironisch gemeint, das weiß ich bei mir manchmal leider selber nicht so genau, aber Ihr Gelben werdet genauso wie wir nach der Wahl in der Opposition landen." "Nein, das werden wir nicht. Wir waren jetzt schon sieben Jahre lang in der Opposition und das tut einer Partei wie der FDP überhaupt nicht gut. Vielleicht werden wir sogar zweistellig." "Das wird Euch alles nichts nützen, weil es für Schwarz-Gelb garantiert nicht reicht. Da könnt Ihr Euch dann bei der Linkspartei dafür bedanken." "Pah, mit denen rede ich doch gar nicht, mit diesen Kommunisten und Salon-Bolschewisten!" "Genug jetzt. Noch bin ich hier der Außenminister und deshalb tue ich nun das, was mein Amt von mir verlangt und gehe nach draußen", ließ Mischer von sich hören und ging. "Arroganter Schnösel!" entfuhr es Festerbelle. "Ach, haben Sie gerade eben etwa wieder in den Spiegel geschaut, Gu-ildo?" "Dieses Schmierblatt nehme ich doch gar nicht freiwillig in die Hand." "Wenn Humor eine Krankheit wäre, dann wären Sie und Sträuber als Einzige dagegen immun."

      08.09.2005: Die Neuwahl rückte immer näher, das Rennen wurde immer enger, die SPD holte merklich auf und dann geschah es. Die NPD in Dresden sabotierte auf einmal das ganze Spektakel, indem eine ihrer Direktkandidatinnen mit 43 Jahren plötzlich an einem Hirnschlag verstarb. Was das bedeutete war sonnenklar: Es würde in Dresden in einem Wahlbezirk eine Nachwahl geben müssen und zwar voraussichtlich zwei Wochen nach der Bundestagswahl, also Anfang Oktober. Das hatte den Wahlkämpfenden gerade noch gefehlt! Womöglich noch einmal zwei Wochen warten und bis dahin um jede der 230000 verbliebenen Stimmen kämpfen, denn es konnte ja durchaus sein, daß ausgerechnet in Dresden entschieden wurde, wer neuer Bundeskanzler wird. Da ein ganz knappes Rennen erwartet wurde, kam es vielleicht tatsächlich auf das Dresdner Ergebnis an und so stellten sich diverse Fragen. Zum Beispiel, ob man nicht mit der Veröffentlichung des Wahlergebnisses bis Anfang Oktober warten müßte, nachdem die Dresdner auch gewählt hatten. Schließlich wußten die ja sonst im Voraus schon wie es stand und ausschaute, weshalb sie möglicherweise gar nicht, anders oder sogar taktisch wählten. Schwierige Fragen gab es da also zu beantworten, es schien so, als stünde jene erzwungene Neuwahl unter keinem guten Stern. Für die NPD hatte das Ganze den Vorteil, daß sie auf jene Art und Weise auch mal bundesweit erwähnt wurde, so daß viele Leute mitbekamen, daß die Nationalen auch zur Wahl standen.

      Guildo Festerbelle war derweil immer noch munter in ganz Deutschland unterwegs, er kannte dabei keinerlei Berührungsängste, ging auf die Leute zu und warb um Stimmen für seine Partei. Jene glaubte nach wie vor felsenfest daran, mit der Union alsbald die Regierung zu stellen und jene Überzeugung manifestierte sich in der Forderung nach drei Ministerien für die Liberalen. Na ja, jedenfalls kämpfte der gute Mann um jede Stimme und gab alles, genauso wie seine Kolleginnen und Kollegen von den anderen Parteien. Auffallend war, daß die FDP als solche im deutschen Volk gar nicht so unbeliebt zu sein schien; kein Wunder, schließlich hatte sie seit sieben Jahren nichts mehr zu melden und war deshalb für die aktuelle Lage auch nicht mitverantwortlich. Andererseits stieß der ehemalige Spaßpolitiker Guildo Festerbelle doch recht häufig auf Skepsis und Zurückhaltung, was wohl auch mit seinem oft dröhnenden Auftreten zu tun hatte. Man konnte manchmal wirklich meinen, der Mann wäre der Vorsitzende einer Volkspartei, so wie er das Maul aufriß, doch da sich dahinter womöglich nur Unsicherheit verbarg, welche es zu kaschieren galt, verzieh man ihm das Getöse, aber nur, wenn man mal hinter seine Fassaden schaute. Wie auch immer, er war guten Mutes und freute sich schon auf sein künftiges Ministeramt. Würde er reüssieren oder sein blaues Wunder erleben, so wie die Wählerinnen und Wähler in Dresden, die am "Blauen Wunder" wohnten und deshalb am 18.September noch gar nicht zur Wahl gehen durften?

      In der Union ging währenddessen die Debatte um Raul Kirchdorf und sein Steuermodell munter weiter. Mittlerweile hatten sich alle Beteiligten auf die Sprachregelung geeinigt, daß erst einmal das Unionskonzept umgesetzt werden würde und dann könne man weiter sehen. So wollte man die verwirrte Basis und die irritierten potentiellen Wählerinnen und Wähler beruhigen. Der Professor aus Heidelberg ordnete sich zunächst ein, um des lieben Friedens Willen, doch wer ihn kannte, wußte genau, daß er, sobald er deutscher Finanzminister wäre, sofort loslegen würde, ohne Rücksicht auf Stimmungen und Verluste. Genau das fürchteten viele Leute bei CDU und CSU auch, deshalb blieb die Angelegenheit hochinteressant. In der FDP hatte der Professor mit seinem Steuermodell jedenfalls viele Freunde gefunden, vielleicht hätte er lieber für die Liberalen antreten sollen.

      Aber es gab da ja auch noch den amtierenden Bundeskanzler, welcher so freundlich war, der SZ ein Interview zu gewähren. In dem sprach er von den notwendigen Reformen, lästerte ein wenig über die weltfremden Vorstellungen des Herrn Kirchdorf und zeigte sich fast so selbstbewußt wie der unvermeidliche Festerbelle. 38 Prozent der Wählerstimmen peilte er nun als neues Ziel für seine SPD an, in den Umfragen stand sie gerade bei 34, wohingegen die Union bei 42 % gehandelt wurde. Schräder glaubte daran, das noch verändern zu können, denn seiner Ansicht nach befand sich die SPD im Aufwind und da die Deutschen ohnehin ihn lieber als Bundeskanzler wollten, nahm er für sich in Anspruch, auch nach der Neuwahl weiter zu regieren, mit welchem Koalitionspartner auch immer. Daß es zusammen mit den Grünen wohl nicht reichen würde, wußte er genauso gut wie alle Anderen auch, doch so etwas sagte man natürlich nicht öffentlich, sondern hielt sich statt dessen lieber alle Optionen offen. Demzufolge war es für ihn das Wichtigste, daß seine Partei auch zukünftig die stärkste Fraktion im Bundestag stellte, denn dann würde man, also der Nöler Thorsten, der Bundespräsi, ob er wollte oder nicht, dem bliebe da gar nichts Anderes übrig, die SPD ein weiteres Mal mit der Regierungsbildung beauftragen. Schräder war guter Dinge und das war keineswegs nur gespielt, denn er kannte sich gut genug um zu wissen, daß er immer zu Wahlkampfzeiten zu absoluter Hochform auflief. Wie passend.

      13.09.2005: Dialekt und Dialektik sind ja normalerweise zwei Paar Schuhe. In Kulmbach war das jedoch anders, denn dort wurde Bernhard Schräder von der örtlichen SPD-Abgeordneten als schöner Mann bezeichnet, was sich im fränkischen Dialekt natürlich ein wenig anders anhörte. Noch lustiger war dann allerdings, was Schräder daraus machte, denn der bedankte sich für das Kompliment, er wäre ein "scheener Mao". Damit hatte er die Lacher natürlich auf seiner Seite, doch ganz unpassend war das Wortspiel eigentlich nicht, denn selten war Schräder beim Regieren so sozialdemokratisch wie bei seinen Wahlkampfauftritten gewesen. Plötzlich hatte man da dann auf einmal das Gefühl, bei dem Mann könne es sich tatsächlich um einen waschechten Sozialdemokraten handeln; etwas, das man sich in den vorangegangenen Jahren nun beim besten Willen nicht vorstellen hatte können. Klar, in der Stunde der Not versammelten sich alle Beteiligten hinter dem Leitwolf, dem Alphatier und hofften, jenes würde das Ruder noch einmal herumreißen. An eine Fortsetzung von Rot-Grün dachte niemand mehr, denn es würde mit großer Wahrscheinlichkeit fünf Fraktionen im neuen deutschen Bundestag geben, von daher war das quasi unmöglich. Aber irgendwie hatte sich die Stimmung breitgemacht, es könne vielleicht doch noch etwas gehen.

      Wie schon mal erwähnt, Oppositionen werden nicht gewählt, sondern Regierungen werden abgewählt und genau das bekam die Union immer deutlicher zu spüren. Je näher der СКАЧАТЬ