Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
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Название: Mythos, Pathos und Ethos

Автор: Thomas Häring

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738030754

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СКАЧАТЬ hatten auch Zuber und Öder von der CSU, die das Wahlprogramm geschrieben hatten, ihren Anteil an der Misere, doch das posaunte man lieber nicht so laut heraus. Die "kalte und herzlose Sprache" der Ost-Schnepfe hatte also die Wählerinnen und Wähler vergrault, so lautete die These des großen Egmontus. Aber so leicht ließ man ihn nicht davonkommen. Es gab Ärger wegen des Sträuber-Flirts mit den Grünen, da fast alle CSU-Politiker nicht mit denen koalieren wollten. Deswegen mußte er öffentlich Abbitte leisten und wieder zurückrudern. Intern verkaufte man das Ganze natürlich so, daß man so tun hätte müssen als ob man Schwarz-Gelb-Grün erwägen würde, damit die Liberalen nicht mit SPD und Grünen gemeinsame Sache machten. Es sah also alles immer mehr nach einer Großen Koalition aus, was die Menschen in Deutschland durchaus zu schätzen wußten.

      Bei den Grünen wunderte man sich dagegen darüber, daß die Schwarzen und die Gelben plötzlich so nett und freundlich zu ihnen waren. Noch im Wahlkampf waren sie von jenen übelst beschimpft und auf das Heftigste angegriffen worden, doch auf einmal hörte man kein schlechtes Wort mehr über die "Müslifresser", über die insbesondere FDP-Chef Festerbelle nur allzu gerne gelästert hatte. Was war davon zu halten? Nun ja, man nahm es bei den Grünen zur Kenntnis, wollte es aber auch nicht überbewerten, denn politisch paßten die drei Lager einfach nicht zusammen und selbst wenn man eine Koalition miteinander versucht hätte, dann wäre die Basis der Grünen dagegen aufgestanden und hätte jene verhindert. Aus diesem Grund beschäftigte man sich lieber weiter mit sich selbst, in den kommenden Jahren der Opposition würde man dafür schließlich auch noch ausreichend Zeit dafür haben, deshalb auf sich selbst mit Gebrüll!

      Der Streit um die Kanzlerschaft war zwar immer noch nicht gelöst, trotzdem sondierten Union und SPD miteinander. Die Aufspaltung der Unions-Fraktion war plötzlich kein Thema mehr und so traf man sich zu vertraulichen Gesprächen hinter verschlossenen Türen, um mal zu hören, was denn miteinander möglich wäre. Man merkte schon, daß es auf eine Große Koalition hinauslaufen würde, denn insbesondere in der CSU waren die Vorbehalte gegen ein Bündnis mit den Grünen viel zu stark, was vermutlich auch auf Gegenseitigkeit beruhte.

      Sträuber hingegen hatte mächtig Ärger mit seinen Leuten. Die geigten ihm nämlich mal gehörig ihre Meinung und machten ihm klar, daß die Zeiten der selbstherrlichen Alleingänge seinerseits nun endgültig und ein für allemal vorbei waren. Nun mußte auch der große Sträuber erfahren, wie es war, wenn das eigene Stimmvieh aufbegehrte und sich wie ein störrischer Esel weigerte, brav in die Richtung zu marschieren, die man selbst vorgegeben hatte. Zwergenaufstand im Bayernland? Nein, ganz so einfach und so weit war es auch wieder nicht, aber die CSU-Abgeordneten bekamen in ihren Wahlkreisen selbstverständlich auch den Unmut der Wählerinnen und Wähler zu spüren, welchen sie dann ungefiltert an die Parteispitze weitergaben. Schließlich standen 2008 Kommunalwahlen an, die man siegreich bestehen wollte, von der Landtagswahl im September 2008 ganz zu schweigen. Egmont spürte, daß er aufpassen mußte, um nicht unterzugehen.

      Was aber hatten die Meinungsmacher zu der ganzen Chose zu sagen? Ein Redakteur der Schild-Zeitung traf in einem Nobelrestaurant zufällig auf einen Kollegen von der FZA. "Hallo Frank. Na, freust Du Dich auch schon auf die Große Kotzbrockenkoalition?" forschte der Mann von der Boulevardpresse. "Aber selbstverständlich. Natürlich gibt es da noch einen kleinen Teil in mir, der die Hoffnung auf eine Jamaika-Koalition noch nicht aufgegeben hat, aber mit den bayerischen Bierdimpfeln ist so etwas wohl leider nicht zu machen", glaubte der Mann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Ja, die Bayern mal wieder, die versauen einfach alles. Die SPDler haben es ja momentan ganz schön auf uns Medien abgesehen, von daher habe ich eigentlich keine Lust darauf, denen ihre Nasen in Ministerämtern betrachten zu müssen." "Und wenn schon? Schlimmer als unter Rot-Grün kann es auch nicht werden. Gibt es eigentlich inzwischen eine Erklärung dafür, daß die Demoskopen dermaßen versagt haben?" "Na ja, die reden sich heraus, wenige Tage vor der Wahl hätte es schon fast so ausgesehen wie am Wahltag, aber da sie die letzte Umfrage neun Tage vor der Wahl veröffentlicht hatten, wäre das nicht mehr bekannt geworden." "Ach, immer diese Ausreden. Entscheidend ist doch etwas ganz Anderes: Zu keiner Zeit war in den Umfragen die Rede davon, daß das linke Lager auf 51 und das bürgerliche lediglich auf 45 Prozent der Stimmen kommen würde. In den ganzen letzten Wochen vor der Wahl war von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede gewesen, doch davon war am Wahlabend überhaupt nichts zu sehen." "Ja, die Meinungsforscher haben sich jedenfalls gewaltig blamiert. Genauso wie wir und unsere Kollegen übrigens auch, die wir Schwarz-Gelb quasi schon in die Regierung geschrieben hatten." "Selbstkritik bei der Bild, na das ist ja mal was ganz Neues. Wir haben doch auch nur mit den Zahlen gearbeitet, welche wir von den Umfrageinstituten bekommen hatten und denen zufolge lag die SPD die ganze Zeit über deutlich hinter der Union." "Das stimmt natürlich und ich bin fest davon überzeugt, daß genau jene Umfragen dafür gesorgt haben, daß viele Unionswähler zur FDP gewandert sind, um sicherzustellen, daß es für Schwarz-Gelb reicht." "D’accord. Aber das erklärt immer noch nicht, wohin die drei Prozent verschwunden sind, die zum Unentschieden fehlen. Das wäre doch mal eine Aufgabe für Euch investigative Bild-Journalisten." "Ach, ich weiß nicht so recht. Lieber sitze ich doch hier mit Dir in diesem Nobelschuppen und jammere auf höchstem Niveau. Schwarz-Gelb liegt so deutlich hinter Rot-Rot-Grün, daß nur eines feststeht: Die Leute wollten die Gerkel nicht als Kanzlerin haben." "Und genau aus dem Grund werden sie sie trotzdem bekommen." "Prost!" "Auf unser Wohl!" Daraufhin genossen sie den Wein und das Ambiente.

      24.09.2005: Für die Genossen wurde es derweil langsam ernst. Aus einem Bündnis zwischen Union, FDP und Grünen schien nichts zu werden, man hatte sich zwar miteinander getroffen, höchstwahrscheinlich wenig bis nichts zusammen gesoffen und war mit der Feststellung auseinandergegangen, daß nicht zusammenwachsen sollte, was schlicht und einfach nicht zusammen gehörte. Deswegen blieb eigentlich nur noch die Große Koalition als Option, denn auf Neuwahlen hatte prinzipiell niemand so recht Lust. Das bedeutete, daß sich CDU/CSU und SPD alsbald wieder zusammensetzen würden, um über Inhalte zu sprechen und sich einander anzunähern. Zwar hatte man sich im Wahlkampf noch lautstark gegenseitig beschimpft, aber das gehörte nun mal zur Show dazu. Schließlich handelte es sich bei den Beteiligten ja um Profis, die schon wußten, welche Beleidigungen sie ernst nehmen mußten und wenn nicht, dann hatte man halt ein zwischenmenschliches Problem, es gab wahrlich wichtigere sowie schlimmere Dinge im Leben.

      Zum Beispiel den Frauenaufstand in der Fraktion von "Die Linke". Dort hatten sich die älteren und jüngeren Herren gegenseitig die Posten zugeschanzt und hätten die holde Weiblichkeit am liebsten außen vor gelassen. Daß Afroträne und Fysi als Fraktionsvorsitzende gesetzt waren, war von Anfang an klar gewesen, doch auch der Platz des Bundestagsvizepräsidenten und der des Parlamentarischen Geschäftsführers sollte an die Schwanzträger gehen und das war aus der Sicht vieler Frauen in der Fraktion eine pimmelschreiende Ungerechtigkeit. Für die Drecksarbeit waren sie scheinbar gut genug, so wie die beiden Trümmerfrauen Pfau und Mötzsch, welche die Fahne der PDS in den vorangegangenen drei Jahren hochgehalten hatten, nachdem jene den Einzug in den Bundestag seinerzeit verpaßt gehabt hatte. Das Problem bestand in allererster Linie darin, daß es in der Fraktion nur so vor Alphatieren wimmelte, von denen jedes eine gewisse Vorzugsbehandlung erwartete. Die creme de la creme der deutschen Linken war ins Parlament eingezogen und wollte dementsprechend gewürdigt werden. Alles nicht so einfach, vor allem da es in einer Oppositionsfraktion nicht allzu viele tolle Posten zu verteilen gab. Da war guter Rat ganz schön teuer.

      Schön an der neuen Partei war nicht nur, daß ehemalige inoffizielle Mitarbeiter der Stasi endlich mal wieder einen gut dotierten neuen Arbeitsplatz gefunden hatten, sondern auch, daß es erstmals in der bundesdeutschen Geschichte eine tatsächliche Langzeitarbeitslose in den Bundestag geschafft hatte. Es gab sie also doch noch, die kleinen Wunder und schönen Märchen der Demokratie.

      Anderswo herrschte eher die Empörung. Raul Kirchdorf zum Beispiel erregte sich über den dreisten Bernhard Schräder, seinen politischen Erzfeind, welcher nicht von seinem Amt lassen wollte und letzten Endes mit verhindert hatte, daß der Professor aus Heidelberg höchstselbst als Finanzminister reüssieren hatte können. In der SPD hatten sich die Begeisterungsstürme mittlerweile etwas gelegt, der Rausch war einer gewissen Nüchternheit gewichen und schön langsam СКАЧАТЬ