Название: Mythos, Pathos und Ethos
Автор: Thomas Häring
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738030754
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22.05.2005: Das war der Tag, an dem für die SPD die Welt in Trümmer fiel. Die unausweichliche Katastrophe hatte stattgefunden, CDU und FDP würden fortan in Düsseldorf über Nordrhein-Westfalen regieren, es gab keine einzige rot-grüne Landesregierung mehr und weil man im Grunde ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte, setzte man alles auf eine Karte und rief Neuwahlen aus oder kündigte sie zumindest für den Herbst an. Ausrufezeichen!
Ein taktisch genialer Schachzug von Schräder und Mützewirsing, denn auf einmal redete niemand mehr über den sensationellen Wahlsieg von Rüttlers und Co., sondern alle sprachen nur noch von den in wenigen Monaten stattfindenden Neuwahlen und spekulierten, wer da wohl die größten Chancen haben würde. Ein letztes Mal war es der SPD gelungen, das Heft des Handelns festzuhalten und es auch zu nutzen. Aber nicht nur die Oppositionsparteien, sogar der Koalitionspartner der SPD, die Grünen, wurden vom Vorpreschen der SPD-Spitze kalt erwischt, weshalb sich die Begeisterung dort sehr in Grenzen hielt. Schräder wollte es noch einmal wissen, alles oder nichts, er konnte bei der ganzen Sache nur gewinnen, denn in den Umfragen lag die SPD so weit unten, daß es gar nicht mehr schlimmer für sie kommen konnte. Spannende Monate standen Deutschland bevor.
23.05.2005: Festerbelle und Gerkel im Gespräch: "Ich kann unser Glück immer noch nicht fassen. Da fordere ich seit Jahren quasi täglich Neuwahlen und jetzt gibt es sie tatsächlich. Steter Tropfen höhlt eben doch den Stein!" freute sich Guildo. "Na ja, ich glaube kaum, daß der Schräder und der Mützewirsing wegen Dir die Neuwahlen ausgerufen haben, vom Ergebnis der FDP in NRW werden sie wohl kaum so schockiert und überrascht gewesen sein, daß sie sich zu diesem Schritt gezwungen fühlten", erläuterte Gerkel. "Ach, das ist doch jetzt auch total egal. Ich bin völlig aus dem Häuschen, mein zuckersüßes Mäuschen." "Langsam reiten, Homo laber, erst einmal haben wir eine Wahl zu gewinnen und bei den mickrigen paar Prozent, die Deine Partei immer bei den Landtagswahlen auf die Waage gebracht hat, bin ich mir nicht so sicher, daß es für Schwarz-Gelb tatsächlich reichen wird." "Keine Sorge, wir werden liefern, das verspreche ich Dir hoch und eilig, äh, heilig, lieber Engel, äh, liebe Andrea. Deine Union bringt 40 Prozent Wählerstimmen mit und den Rest besorgen wir, dann reicht es auf alle Fälle", behauptete Festerbelle. "Also gut, darauf können wir uns einigen. Diese Regierung ist so was von im Arsch, da sollten 40 Prozent nun wirklich machbar sein. Hat ja schließlich schon der Sträuber 38,5 % geschafft und der war im Norden, Osten und Westen ja dermaßen unbeliebt, daß ich ihn dort überhaupt nicht unterbieten kann." "Na siehst Du, ich habe es doch gleich gesagt. Oh ich freue mich schon so darauf, dieses Deutschland endlich durchzureformieren. Ich weiß nur noch nicht, welchen Ministerposten ich mir aussuchen soll." "Da kann ich Dir leider auch nicht weiterhelfen, Guildo. Nur eines steht fest: Verteidigungsminister wirst Du definitiv auf gar keinen Fall, das können wir den deutschen Soldaten nicht zumuten, daß sie dann immer mit einem Brett vorm Arsch in Reih und Glied stehen müßten." "Aber warum denn nicht? Die könnten doch dafür das Brett hernehmen, das sie immer vor dem Kopf haben. Ist mir auch nicht so wichtig, ich habe ja eh schon einen Freund. Aber was wird aus dem Sträuber?" "Ja, das ist leider eine gute und mehr als berechtigte Frage, die mich seit Wochen nicht schlafen läßt. Wohin mit dem alten Mann aus Bayern?" "Wir könnten ja ein Ministerium zusammen basteln, in dem er keinen Schaden anrichten kann." "So etwas gibt es leider nicht, ansonsten würden wir es für Dich auch hernehmen. Na ja, wer weiß, vielleicht erledigt sich das Problem anderweitig." "Wie meinst Du das? Glaubst Du an ein sozialverträgliches Frühableben seinerseits? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, der Mann ist topfit." "Das weiß ich auch, genau deshalb nervt er mich ja auch so. Nein, vielleicht merkt er ja doch noch rechtzeitig, daß Berlin nichts für ihn ist." "Na ja, wir werden sehen. Ich für meinen Teil mache jetzt erst mal ein paar Monate lang fröhlich Wahlkampf und wenn alles gut läuft, dann werden wir sogar zweistellig." "Nichts dagegen, denn je größer unsere Mehrheit im Parlament ist, desto mehr können wir durchregieren." "Oh ja, diese Deutschen müssen endlich mal raus aus der Stagnation." "Wir aber auch." Sie grinsten sich überglücklich an.
Die Freude war also allerorten groß, nur die Grünen waren immer noch verschnupft, weil sie scheinbar überhaupt nicht mehr gefragt und gebraucht wurden. Zwar gab es diverse Verfassungsrechtler, die der Meinung waren, daß das alles verfassungsrechtlich äußerst bedenklich wäre, doch solche Kommentare beeindruckten Schräder und Mützewirsing kein bißchen. Man hatte noch einmal gezeigt, daß man immer für eine Überraschung gut war und da nun alles so schnell von statten gehen würde, bestand auch keine Gefahr von der WASG (Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit), die bei den Wahlen in NRW immerhin über zwei Prozent der Stimmen abbekommen hatte, was in so einem großen Flächenland durchaus beachtlich war. Jetzt aber ging für jene neue Bewegung vermutlich alles ein bißchen zu schnell, doch deren Vertreter waren auch nicht dumm. Sie hofften auf Oswald Afroträne als zugkräftigen Spitzenkandidaten sowie auf eine Listenverbindung mit der PDS, welche im Westen traditionell schwach abschnitt. Von daher war von der linken Seite schon noch einiges möglich.
Sören Rüttlers hatte derweil ganz andere Probleme. Plötzlich wollten alle was von ihm und die meisten von denen würde er nicht so einfach wie seine Frau mit einer Spülmaschine abspeisen können. Viele Leute wanzten sich an ihn heran, in der Hoffnung auf einen guten Posten oder anderweitige Vergünstigungen. Auf einmal war der ehemalige NRW-Oppositionsführer ein gefragter Mann. Dumm an der Sache war nur, daß er zum Einen über einen Koalitionspartner verfügte, auf den er ebenfalls Rücksicht zu nehmen hatte und daß er in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit nichts Großartiges unternehmen durfte, da ja nun plötzlich Bundestagswahlkampf war. Das bedeutete auch, daß sein großer Triumph weitestgehend unbeachtet blieb; zwar konnte er zurecht darauf verweisen, durch seinen Wahlsieg die Neuwahlen im Bund ausgelöst zu haben, doch da alle nur noch von der Btw. redeten, kam der liebe Sören in den Berichterstattungen fast überhaupt nicht mehr vor, was ihn durchaus nicht unberührt ließ. Andererseits hatte er etwas, worauf er ganz besonders stolz sein konnte, denn zum ersten Mal hatten in NRW die Arbeiter mehrheitlich CDU gewählt und das war etwas, das noch nicht viele vor ihm zustande gebracht hatten. Chapeau!
Bayern hatte währenddessen ganz andere Probleme. Da nun mal stark davon auszugehen war, daß die CSU in Berlin demnächst wieder mit in der Regierung sitzen würde und weil Egmont Sträuber im Kabinett Gerkel eine herausragende Rolle spielen wollte, stellte sich die Frage, wer denn dann bayerischer Ministerpräsident werden würde. Im Grunde gab es drei mögliche Bewerber und zwar Blackschein, Zuber und Kehrmann. Letzterer wollte nicht wirklich, von daher würde es wohl auf ein Duell zwischen Zuber und Blackschein hinauslaufen. 2002 wäre es ja auch schon fast soweit gewesen, doch nachdem Sträuber nicht deutscher Bundeskanzler geworden war, hatte er weiterhin mit dem Posten als bayerischer Minipräsi vorlieb nehmen müssen. Damals wäre Zuber ganz bestimmt sein Nachfolger geworden, jedoch hatte sich der Merlin in den vergangenen Jahren in der Fraktion ziemlich unbeliebt gemacht, von daher wollten nicht mehr sonderlich viele CSU-Politiker auf ihn wetten. Blackschein dagegen erfreute sich in der Fraktion allergrößter Beliebtheit und hatte dort sicherlich die Nase vorn. Allerdings spielte natürlich auch eine gewichtige Rolle, wen Egmont Sträuber СКАЧАТЬ