Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
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Название: Mythos, Pathos und Ethos

Автор: Thomas Häring

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783738030754

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СКАЧАТЬ werden, nicht nur im Bund, sondern selbstverständlich, wie eigentlich fast immer, auch in Bayern. Ja mei.

      Ende Mai 2005: Wahlkampfzeiten waren und sind nun mal besondere Zeiten. Im Grunde kann man fest davon ausgehen, daß die meisten Politiker an ihrem Dasein den Wahlkampf am meisten lieben, denn darin können und sollen sie den politischen Gegner beschimpfen, dürfen sich und die eigene Partei ohne falsche Kompromisse und ohne Rücksicht auf irgendwelche Koalitionspartner in den leuchtendsten Farben präsentieren und können so tun, als hätten sie die Probleme des Landes schon längst gelöst, wenn nicht die Anderen so unfähig wären und andauernd blockieren würden. So etwas machte einfach Spaß, nicht umsonst bezeichneten viele Politiker den Wahlkampf als ihren "Jungbrunnen".

      Eine Nachricht schlug dann doch ein wie eine Bombe: "Afroträne tritt gegen die SPD an", hieß es in der SZ. Aber um gegen die SPD antreten zu können, mußte man natürlich erst einmal aus ihr austreten und genau das hatte der "Napoleon von der Saar" nun endlich vor, nachdem er schon lange nicht mehr mit den Genossen warm geworden war und, so wie Andere aus Bequemlichkeit oder alter Verbundenheit nicht aus der Kirche austraten, trotzdem in der SPD geblieben war. Es würde vermutlich eine PDS-Liste geben, auf der viele Mitglieder der WASG vertreten sein sollten, damit wollte man in ganz Deutschland antreten, am liebsten mit den Zugpferden Fysi und Afroträne an der Spitze.

      Aber auch bei den Grünen war die Stimmung gut. Man fühlte sich frei; endlich, nach fast sieben Jahren in der Regierung, konnte man wieder man selbst sein und mußte sich nicht um des lieben Koalitionsfriedens willen verbiegen oder Sachen zustimmen, die man für unsinnig hielt. "Grün pur", und "auf die Grünen kommt es an", hieß es nun plötzlich, die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln wirkte wie eine Frischzellenkur. In den vergangenen Tagen hatte es massive Absetzbewegungen zwischen SPD und Grünen gegeben, die Neuwahlentscheidung hatte die SPD bereits ohne die Grünen getroffen und so würde man fortan getrennt marschieren, was beiden Seiten irgendwie recht war. Nach sieben gemeinsamen Jahren an der Regierung hatte man sich auseinandergelebt, es war im Grunde wie in einer Ehe das verflixte siebte Jahr, das höchstwahrscheinlich die Trennung bringen würde. Jetzt ging es nur noch darum, daß der eigene Spitzenkandidat, Ansgar Mischer, wieder in die Gänge kam, den Ballast der Visa-Affäre endgültig abwarf und 20 Kilo abnahm, denn er hatte in den letzten Jahren wieder stark zugelegt gehabt.

      Ganz anders sah es bei der Union aus. Dort wurde bereits spekuliert, wer für welches Ministeramt in Frage kommen würde, weil das bekanntlich am allermeisten Spaß machte. Das Fell des Bären zu verteilen, noch bevor er erlegt worden war, gehörte zu den Dingen, denen man sich nur allzu gerne hingab. Bereits 2002 hatte man das praktiziert gehabt und wie die Sache am Ende ausging, ist hinlänglich bekannt. Wie auch immer, über all den Personalfragen schwebte der große Egmont Sträuber wie der Geist von Wildbad Kreuth, denn erst wenn man für den zukünftigen Superminister einen geeigneten Platz gefunden hatte, konnte man sich Gedanken darüber machen, wer noch alles einen Ministerposten abbekommen sollte. Doch der Zauderer aus der Münchner Staatskanzlei wollte sich am liebsten alles offen halten. Es hieß, man müsse erst das Wahlergebnis in Bayern abwarten, außerdem wollte er keine Diskussion über seine Nachfolge in Bayern, welche ansonsten alle anderen Fragen ständig überlagert hätte.

      Fysi und Afroträne sprachen derweil über eine mögliche gemeinsame politische Zukunft. "Erst einmal Glückwunsch zum Austritt aus der SPD. Hat zwar lange gedauert, aber besser spät als nie", stellte Fysi fest. "Vielen Dank für die Blumen! Mir blieb ja gar nichts Anderes übrig, jetzt, nachdem die SPD mit der Agenda 2010 und Hartz IV in den Wahlkampf ziehen will", machte Afroträne deutlich. "Was aber auch seine guten Seiten hat. Für die PDS und die WASG wird das jede Menge Stimmen bringen. Deshalb sollten wir uns auch unbedingt zusammentun." "Das sehe ich ganz genauso. Die PDS ist im Westen zu schwach, die WASG hat im Osten keinerlei Erfolgsaussichten, von daher macht das wirklich Sinn. Und wenn wir es erst mal in den Bundestag geschafft haben, dann können wir auch über die Gründung einer gemeinsamen Partei nachdenken." "Absolut richtig. Es wird zwar nicht ganz einfach werden, das unseren alten PDS-Veteranen schonend beizubringen, aber irgendwie bekommen wir das schon hin." "Keine Sorge, die Vorbehalte bei den West-Linken sind auch nicht von Pappe. Aber langfristig brauchen wir eine gemeinsame Partei, daran führt überhaupt kein Weg vorbei." "Auf alle Fälle. Was aber ist unser eigentliches Wahlziel, außer natürlich in den Bundestag zu kommen?" "Ganz einfach: Wir wollen sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Gelb verhindern." "Aber dann gibt es ja eine Große Koalition." "Ganz genau. Und dank der werden wir bei den darauffolgenden Wahlen noch mehr an Gewicht zulegen." "Oswald, Du bist wirklich ein schlauer Fuchs." "Ich weiß. Aber leider nicht immer, denn ansonsten hätte ich es nie zugelassen, daß der Schräder Kanzler wird." "Na ja, das schon, doch immerhin hast Du ihn ja jetzt zum Rücktritt aufgefordert." "Mag sein, aber jetzt ist das keine Kunst mehr, das hätte ich vor über sechs Jahren machen sollen, als ich noch Parteivorsitzender der SPD war."

      Besagter Schräder dagegen schien völlig losgelöst von der Erde, er fühlte sich gut und strotzte nur so vor Selbstvertrauen. Nun würde es also wieder auf ihn ganz allein ankommen; eine Situation, die ihm mehr als vertraut war und die er mehr genoß als alle seine Genossen, weil er wußte, daß er sich auf sich selbst verlassen konnte. Der Bundeskanzler kannte natürlich die Umfragen, in denen die SPD 15 Prozent hinter der Union lag und dabei handelte es sich noch um die bereinigten Zahlen, bei der politischen Stimmung betrug der Abstand zwischen CDU/CSU und SPD sage und schreibe 25 Prozent. Gerkel hatte ihn auch bei der Frage, wen sich die Deutschen als Kanzler oder Kanzlerin wünschen, deutlich überholt, aber nichtsdestotrotz waren seine persönlichen Werte viel besser als die seiner Partei, so wie er das schon seit jeher kannte. Es würde also wieder mal auf ihn ankommen, er wurde im Wahlvolk immer noch gut bewertet, ganz so, als ob er mit der rot-grünen Bundesregierung nicht wirklich was zu tun gehabt hätte. Vielleicht imponierte den Wählern aber auch in erster Linie seine Durchsetzungskraft und sein Durchhaltevermögen. Egal, auf jeden Fall war die Schlacht noch lange nicht verloren, man war bereits ganz unten, von daher konnte es nur noch besser werden. Bernhard Schräder war ein Profi und ein begnadeter Wahlkämpfer, er würde sich ganz bestimmt nicht kampflos geschlagen geben und die Vorbehalte gegenüber den schwarz-gelben Oppositionsparteien waren in der Bevölkerung weitaus stärker ausgeprägt als es die Meinungsumfragen erkennen ließen. Die Schlacht konnte also beginnen, würde der alte Kämpfer sie wieder gewinnen?

      Ende Juni/Anfang Juli 2005: Mit dem Vertrauen war und ist es ja immer so eine Sache. "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", lautete einer der Sprüche in jenem Zusammenhang. Nun wiederum sollten sich die SPD-Abgeordneten nach den Vorstellungen ihres Fraktionschefs Mützewirsing bei der Vertrauensfrage, welche der Kanzler Anfang Juli im Parlament stellen wollte, vertrauensvoll enthalten. Das führte zu Irritationen und durchaus lustigen Wendungen. Plötzlich sprachen ausgerechnet die größten Agenda-Kritiker ihrem Kanzler das Vertrauen aus; eben jene Leute, denen Schräder mißtraute und wegen denen er die Neuwahlen ausrufen hatte lassen. Eine ziemlich groteske Situation. Andere Genossen befürchteten wiederum, sie hätten im anstehenden Wahlkampf ein Glaubwürdigkeitsproblem und könnten es ihren Wählern nicht vermitteln, daß sie Schräder, obwohl der das ja so wollte, das Mißtrauen aussprachen, aber andererseits mit ihm an der Spitze in den Wahlkampf zogen. Das Leben war manchmal wirklich nicht leicht.

      Es war also alles ein kleines bißchen kompliziert und es wurde auch dadurch nicht besser, daß es immer mehr Stimmen gab, die das ganze Spektakel für äußerst bedenklich hielten und nicht glaubten, daß das Bundesverfassungsgericht den Weg für Neuwahlen frei machen würde.

      Darüber redeten auch die unmittelbar davon Betroffenen: "Du, Bernd, was machen wir eigentlich, wenn das mit den Neuwahlen doch nicht funktioniert?" wollte Mützewirsing wissen. "Dann haben wir die Arschkarte gezogen und müssen bis September 2006 weiter regieren", antwortete Schräder. "Das wäre ja furchtbar! Also auf den Nöler können wir uns, glaube ich, verlassen, was die Neuwahlen angeht." "Wollen wir das Beste hoffen. Eigentlich kann der ja gar nicht anders als den Weg freimachen, weil er es sich sonst mit Gerkel, Sträuber, und Festerbelle ein für allemal verschissen hätte." "Ganz genau. Aber die Klappe kann der auch nicht halten, von Vertraulichkeit hat der Typ scheinbar noch nie etwas gehört." "Allerdings, СКАЧАТЬ