Название: Mythos, Pathos und Ethos
Автор: Thomas Häring
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738030754
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10.07.2005: Die Grünen gab es ja auch noch und die machten sich das Leben mal wieder selber schwer, eine Disziplin, in der sie richtig gut waren. Auf einmal wurde gefordert, man müsse neben Ansgar Mischer noch eine Spitzenkandidatin aufstellen, weil das mit der Doppelspitze bei den Grünen so üblich und quasi Vorschrift sei und um Frau Gerkel von der CDU eine Frau entgegenzusetzen. Gerade noch konnte der Zwergenaufstand der Basis von den Parteioberen niedergeschlagen werden, aber es waren mal wieder unschöne Bilder, die da ins Land gesendet wurden. Die Wähler bestraften Selbstbeschäftigung bei den Parteien meist mit Liebes- sowie Stimmentzug, von daher würde sich der alleinige Spitzenkandidat der Grünen, Bundesaußenminister Mischer, mächtig ins Zeug legen müssen. Schwarz-Gelb wollte man verhindern, aber auf Rot-Grün hatte man nach all den Jahren auch nicht mehr richtig Bock und wenn die Linken ins Parlament kamen, dann würde es ohnehin eine Große Koalition geben. Von daher präsentierte man ein ambitioniertes eigenes Programm, mit dem man sich beispielsweise von CDU/CSU distanzierte, welche eine Erhöhung der Mehrwertsteuer forderten.
Genau jene Forderung sorgte für Unruhe beim potentiellen Koalitionspartner. Die FDP sprach sich klar und deutlich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus, ließ aber zugleich verlauten, an jener Frage werde eine Koalition mit der Union nicht scheitern. Man hoffte also auf enttäuschte potentielle CDU/CSU-Wähler, die man einzufangen gedachte. Na ja, in der Union selbst gab es Stimmen, die verlangten, man müsse den Leuten vor der Wahl sagen, was man nach der Wahl vorhabe, aber Andrea Gerkel hätte das lieber vermieden, um keine potentiellen Wähler/innen zu verschrecken. Noch hatte man einen ausreichenden Vorsprung in den Umfragen, aber Kanzler Schräder war alles zuzutrauen. Festerbelle riet seiner Duz-Freundin Andrea von einem Fernsehduell mit dem Medienkanzler ab, doch sie war nicht die Frau, die sich von einem Mann, noch dazu einem im Vergleich zu ihr politischen Leichtgewicht, gute Ratschläge geben ließ. Schließlich hatte sie schon genügend andere Männer im Laufe ihres politischen Lebens aus dem Weg geräumt oder links liegen gelassen. Ihre große Stärke bestand darin, daß sie oft sowie gerne unterschätzt wurde und deshalb blieb sie ruhig sowie gelassen, denn wenn sich die Union keine großen Fehler leistete, dann war ihr der Wahlsieg am 18.September 2005 nicht mehr zu nehmen. Nicht einmal das Bundesverfassungsgericht konnte und würde ihren Siegeszug stoppen, davon war die Frau felsenfest überzeugt.
22.07.2005: "Bundespräsident löst das Parlament auf - Nöler gibt Weg für Neuwahl frei", lautete die Schlagzeile in der SZ. Es war also endlich vollbracht. Um 20.15 Uhr am 21.07.2005 erschien plötzlich der Thorsten auf den bundesdeutschen Bildschirmen und schwafelte was von Untergang und Chaos, wenn es nicht bald eine Neuwahl geben würde, weshalb er sich nach sorgfältiger Abwägung der verschiedenen Interessen sowie Argumente und Anhörung aller Seiten eben doch für diesen Schritt entschieden hätte. Vorher hatte es ein genervtes Warten auf die Entscheidung des Bundespräsidenten gegeben, denn der ließ lange nichts von sich hören, um dann plötzlich doch aus der Versenkung heraus aufzutauchen und den Startschuß für den Wahlkampf, der bereits längst schon angelaufen war, zu geben. Nun ja, jeder hatte halt mal sein eigenes Tempo und daß er sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hatte, das glaubte man dem Nöler Thorsten sofort. Doch damit ging der Zirkus erst so richtig los, denn nun machten sich zwei Abgeordnete aus dem Regierungslager (eine SPD-Frau und ein Grüner) auf den Weg zum Bundesverfassungsgericht, um dort gegen die Neuwahlentscheidung des BP zu klagen. Außerdem echauffierten sich etliche Kleinparteien darüber, daß sie innerhalb kürzester Zeit Tausende von Unterstützerunterschriften abzuliefern hatten, um für die Wahl zugelassen zu werden, was in der Kürze der verbleibenden Zeit aber überhaupt nicht machbar wäre. Auch sie begaben sich nach Karlsruhe um zu klagen.
Ganz anders sah die Stimmungslage selbstverständlich beim Bundeskanzler aus. Der war hochzufrieden, schließlich hatte der Bundespräsi seiner Einschätzung zugestimmt und so konnten die Dinge genau den Lauf nehmen, den er sich vorgestellt hatte. Manchmal klappte alles eben doch wie am Schnürchen.
Nicht alle freuten sich jedoch über jene Entscheidung, insbesondere Juristen und Verfassungsexperten sahen das Ganze sehr skeptisch und hofften nun darauf, daß das BVG dem unwürdigen Spuk ein Ende bereiten würde. Es blieb also weiterhin spannend und das war für die Medien natürlich eine feine Sache.
Ende Juli 2005: Marina Kohlfeier war vor dem Untersuchungausschuß aufgetreten, in dem es um die Wahlmanipulationen von Mitgliedern der Münchner CSU ging. Als Zeugin hatte man sie geladen und das aus ihrer Sicht völlig zurecht, denn sie wies alle Anschuldigungen gegenüber ihrer Person auf das Schärfste zurück und zeigte sich als die Unschuld vom Lande, die vielleicht etwas naiv und blauäugig in diesen Haufen von Übeltätern geraten war. An die entscheidenden Gespräche, Aussagen und Telefonate, die sie getätigt haben sollte, konnte sie sich erstaunlicherweise nicht mehr erinnern und ansonsten hatten die anderen Zeugen das Ganze, entweder absichtlich oder versehentlich, alles falsch dargestellt, auf jeden Fall hätte sie nie jemanden erpreßt und so weiter und so fort. Wem sollte man also glauben? Einem jungen Parteifreund, der wegen Urkundenunterdrückung verurteilt worden war oder einer mit allen Abwassern gewaschenen Frau, bei der die Lüge zum täglichen Brot zu gehören schien? Na ja, irgendwie auch egal, schließlich war sie ja zurückgetreten und da bei solchen Untersuchungsausschüssen meistens ohnehin nichts Interessantes herauskam, konnte man getrost den Aktendeckel schließen. Nur eine Nachricht ließ dann doch noch aufhorchen, denn die Mari gab an, in der Politik bleiben zu wollen. Plante da etwa jemand die Rückkehr auf die große politische Bühne, nachdem in wenigen Jahren Gras über die ganze Sache gewachsen war?
Mitte August 2005: Er hatte es mal wieder geschafft, Egmont Sträuber war in aller Munde und die Medien überschlugen sich mit Nachrichten und Hintergrundinformationen. Was war passiert? In einigen seiner Wahlkampfreden hatte Meister Ege darauf hingewiesen gehabt, daß man "leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern" habe und daß er es nicht akzeptiere, "daß der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird. Die Frustrierten dürfen nicht über Deutschlands Zukunft bestimmen." Damit hatte er sich in ganz Deutschland natürlich außerordentlich beliebt gemacht. Alle anderen Politiker widersprachen dem Sträubi, manche zeigten sich schockiert, andere empört, doch im Grunde waren sie dem "Frustrierten aus Bayern" allesamt unheimlich dankbar, denn er mobilisierte auf die Art und Weise seine politischen Gegner stärker als sie selbst das wahrscheinlich geschafft hätten. Die Linkspartei war begeistert, denn einen besseren Wahlhelfer als den Sträuber konnte man sich überhaupt nicht vorstellen. Schon verständlich, daß die Kanzlerkandidatin nicht eben erfreut war.
"Mensch, Egmont, hat das denn wirklich unbedingt sein müssen?" wollte Gerkel etwas angesäuert wissen. "Aber Andrea, ich habe doch nur darauf hinweisen wollen, daß der Fysi und der Afroträne frustrierte Versager sind, denen man dieses Land nicht anvertrauen darf", verteidigte sich Egmont. "Das ist mir schon klar, aber das Medienecho ist verheerend." "Dafür kann ich doch nichts. Im Endeffekt habe ich nur die bayerische und die baden-württembergische Bevölkerung gelobt und motivieren wollen, zur Wahl zu gehen." "Ja, aber in Wirklichkeit hast Du damit alle Ossis, die mich nicht mögen, motiviert zur Wahl zu gehen." "Äh, das wollte ich nicht. Aber Dein Brutto-Netto-Verwechseln und das, was der Bönschohm über die ostdeutsche Mentalität gesagt hat, haben uns auch nicht gerade weitergeholfen." "Genauso wenig wie Deine Forderung, die Union müsse mindestens 42 Prozent der Stimmen bei der Wahl bekommen." "Aber wir brauchen doch ein ambitioniertes Ziel, wir wollen schließlich diese Wahl gewinnen." "Selbstverständlich wollen wir das, Du Dusel, allerdings wird uns das nicht gelingen, wenn Du andauernd die Wähler im Land beschimpfst." "Aber СКАЧАТЬ