Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
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Название: Mythos, Pathos und Ethos

Автор: Thomas Häring

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738030754

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СКАЧАТЬ denn so abgestraft? Ganz einfach: Es war wenige Tage vorher bekannt geworden, daß der Schlaukopf 60000 Euro im Jahr und kostenlosen Strom von einer RWE-Tochter bekam und das ohne dafür eine sichtbare Leistung zu erbringen. Das roch schon ein bißchen stark nach Vetternwirtschaft sowie Korruption und war der CDU, insbesondere der nordrhein-westfälischen, welche sich immer lautstark gegen den Filz gewandt hatte, ziemlich peinlich. Na ja, der Mann wird seine Enttäuschung schon überwinden, schließlich bekommt er ja vom Stromriesen Schmerzensgeld und die ständigen Strompreiserhöhungen können ihm auch nichts anhaben.

      Ende 2004: Zeit für einen Rückblick, mit Korn, aber ohne Zorn? Nun ja, Schräder und die SPD hatten sich gefangen, in der Wirtschaft würde es heißen, es war ihnen gelungen, sich zu konsolidieren und das war durchaus überraschend, denn die Massenproteste gegen die Agenda 2010 waren noch gar nicht so lange her gewesen. Mittlerweile hatte die Standfestigkeit des Bundeskanzlers für Respekt gesorgt und da sich zeitgleich CDU und CSU wegen der Kopfpauschale monatelang gestritten hatten, strahlte Schräders Schein noch heller als ohnehin. Plötzlich war Rot-Grün in den Umfragen vor Schwarz-Gelb, was nun wirklich fast niemand für möglich gehalten hatte. Aber über dem Berg war die SPD deswegen noch lange nicht, man betrachte da nur die Wahlergebnisse des Jahres 2004:

      In Hamburg konnte Uli von Zeust nun mit seiner CDU allein regieren, denn außer seiner Partei hatten es nur die SPD und die Grünen in den Senat geschafft gehabt. In Thüringen freute sich die CDU mit ihrem Ministerpräsidenten Peter Kalthaus über fünf weitere Jahre Alleinherrschaft, denn dort waren neben ihr nur die PDS und die SPD im Landtag gelandet. Die Europawahl hatten wir schon besprochen, im Saarland blieb Dieter Füller mit seiner CDU weiterhin allein an der Macht, auch wenn neben der SPD sowohl die Grünen als auch die FDP (mit sensationellen 5,2 %!) den Einzug ins Parlament geschafft hatten. Sachsen und Brandenburg hatten wir ebenfalls bereits erwähnt, die Kommunalwahlen in NRW gewann die CDU, auch wenn sie deutlich an Stimmen verloren hatte. Was also blieb zusammenfassend zu konstatieren? Es schien wieder aufwärts zu gehen mit den Sozis, das Schlimmste schienen sie hinter sich zu haben, aber so richtig daran glauben, konnten und wollten sie wohl selbst noch nicht. Kein Wunder, denn wenn man jahrelang beschimpft worden ist, dann bleibt man erst mal vorsichtig und nur weil es mal zu regnen aufgehört hat, heißt das noch lange nicht, daß gleich die Sonne scheint.

      Zwei Nachträge galt es noch anzubringen. Mit den Stimmen von CDU, CSU und FDP wurde Thorsten Nöler im Mai 2004 zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Außerdem sorgte im Laufe des Jahres, also irgendwann im Sommer, Egmont Sträuber für Schlagzeilen. Eigentlich hatte er nur gesagt gehabt, man dürfe Schräder und Mischer mit ihrer langjährigen Regierungserfahrung nicht unterschätzen, das seien "keine Leichtmatrosen". Daraus machten die Medien natürlich sofort, Sträuber hätte Gerkel und Festerbelle als "Leichtmatrosen" bezeichnet. Möge sich dazu jede/r selbst ein Urteil bilden, damit endet die Betrachtung jenes Jahres endlich.

      20.02.2005: Ein neues Jahr begann, aber wie! Ende 2004 hatte es eine große Katastrophe in Südostasien gegeben, ein Tsunami hatte dort für viele Tote und eine unglaubliche Zerstörung gesorgt. Die Deutschen spendeten fleißig, um etwas zum Wiederaufbau dort beizutragen und so wie immer bei Krisen, profitierte zunächst die Bundesregierung in den Meinungsumfragen von jenem Ereignis, denn sie konnte handeln, indem sie Gelder für die Opfer und Geschädigten bereitstellte. Sogar das Lied "Perfekte Welle" von "Juli" wurde aus den Musikprogrammen der Radiosender genommen, weil es in dem Zusammenhang irgendwie zynisch erschien. Na ja, jedenfalls wartete das politische Deutschland ganz gespannt auf die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, denn jene würde zeigen, ob Rot-Grün noch eine Chance hatte, oder ob schon alle Zeichen auf Schwarz-Gelb standen. Das Wahlergebnis vom 20.Februar 2005 zeigte Folgendes: Weder noch. Zwar lag die CDU eineinhalb Prozentpunkte vor der SPD und die FDP hatte einen Vorsprung von knapp einem halben Prozent auf die Grünen, aber da der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der als Vertretung der dänischen und friesischen Minderheit im Land von der Fünf-Prozent-Hürde befreit war, mit 3,6 % der Wählerstimmen ebenfalls in den Landtag eingezogen war, reichte es für Schwarz-Gelb um Haaresbreite nicht. Heike Bisonis war nach 12 Jahren an der Spitze der Landesregierung zwar enttäuscht darüber, daß ihre SPD mit den Grünen keine Mehrheit erreicht hatte, dennoch wollte sie die Gunst der Stunde nutzen, den SSW mit ins Regierungsboot holen und so an der Macht bleiben. Das fand Peer Larry Garstensen, ein Bär von einem Mann und der Spitzenkandidat der CDU, überhaupt nicht lustig, aber er konnte es auch nicht verhindern. Wieder mal hatte die FDP enttäuscht und nicht die anvisierten Prozente an Wählerstimmen erreicht gehabt. Es war ein langer Wahlabend in Kiel gewesen und es hatte lange Zeit so ausgesehen gehabt, als würde es für CDU und FDP reichen, doch wer mit Carstensen als Regierungschef eingeschlafen war, erwachte am nächsten Morgen mit Heike Bisonis als Ministerpräsidentin. Auf dem Land war Schwarz-Gelb klar bevorzugt worden, doch in den Städten hatte Rot-Grün die Nase vorn. So hing also alles vom kleinen SSW ab, der politisch wesentlich näher bei Rot-Grün stand und deshalb das Bündnis mit jenen beiden Parteien wagen wollte.

      In Berlin freute sich CDU-Chefin Gerkel über einen gefühlten Wahlsieg, sie verspürte Rückenwind für sich und ihre Partei, doch auch die anderen Parteien waren nicht gerade unzufrieden, von der FDP mal abgesehen. Die SPD hatte weitaus Schlimmeres befürchtet gehabt, schließlich gab es in Deutschland aufgrund der neuen Zählweise plötzlich über fünf Millionen Arbeitslose und das war natürlich ein Pfund, mit dem man nur sehr schwer wuchern konnte. Hinzu kam die Visa-Affäre, welche vor allem die Grünen mit ihrem Außenminister Mischer sehr beschäftigte und auch nicht gerade zur Mobilisierung der eigenen Klientel beigetragen hatte. Alles in allem war das ganze Spiel irgendwie Unentschieden ausgegangen, wenngleich sich Heike Bisonis an ihren Stuhl klammerte, denn Macht macht süchtig.

      Mitte März 2005: Erst gab es eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers, dann ein Gipfeltreffen mit den Spitzen der Union, doch zur selben Zeit fand in Kiel ein Drama statt, das seinesgleichen suchte. Schräder versprach Steuersenkungen für Unternehmen, wollte den Mittelstand entlasten und war auf das Gesprächsangebot der Oppositionsführer eingegangen, Deutschland mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung weiterzuhelfen. Es ging also schon alles in Richtung Große Koalition, was nicht weiter verwunderte, denn die Grünen waren mit sich selbst, also der Visa-Affäre, beschäftigt und im Bundesrat hatten ohnehin CDU/CSU das Sagen. Von daher machte es durchaus Sinn, sich zum "Job-Gipfel" zu treffen.

      Derweil nahm die Katastrophe in Schleswig-Holstein ihren Lauf. Heike Bisonis und Peer Larry Garstensen hatten sich als zu wählende Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufstellen lassen. 35 Stimmen waren im ersten Wahlgang erforderlich, das Duell endete 34 zu 33 für Bisonis. In den drei weiteren Wahlgängen endete das Duell der Beiden jeweils 34:34, wobei sowohl Bisonis als auch Garstensen im dritten und vierten Wahlgang die einfache Mehrheit der Stimmen, also bereits ein 34:33 gereicht hätte. Danach war Schluß mit lustig, die CDU-Vertreter freuten sich ausgelassen und bei der gescheiterten "Dänen-Ampel" herrschte Grabesstimmung. Damit war "Pattex-Heike", wie sie fortan in den Medien genannt werden sollte, weg vom Fenster, was viele Außenstehende durchaus mit Schadenfreude bedachten, denn letzten Endes hatte sie sich genauso an ihren Stuhl und die damit verbundene Macht geklammert wie die Herren Wiedenkopf und Träufel, für die sie immer nur Spott übrig gehabt hatte. Trotz allem trieb die Möchtegernkoalitionäre fortan die Frage um: Wer hat uns verraten? Für die Grünen sowie den SSW stand die Antwort recht schnell fest: Sozialdemokraten. Zumindest eine oder einer von denen. Es wurde viel spekuliert, doch man kann ziemlich sicher davon ausgehen, daß das Ganze von der CDU eingefädelt worden war. Sie hatte vermutlich einen SPD-Abgeordneten, welcher Bisonis eher nicht wohlwollend gegenüberstand, bestochen und sich damit die Gewißheit gesichert, daß es höchstwahrscheinlich eine Große Koalition unter der Führung von Garstensen geben würde. Allein die Tatsache, daß die erste Abstimmung 34:33 für Bisonis endete, läßt eindeutig darauf schließen, daß das so abgemacht war, um die Ministerpräsidentin in die Falle laufen zu lassen. Schließlich konnte sie ja darauf hoffen, im dritten oder vierten Wahlgang mit 34:33 die Abstimmung zu gewinnen und so im Amt zu bleiben. Dabei hatte einer aus der CDU oder der FDP nur im ersten Wahlgang absichtlich nicht für Garstensen gestimmt, damit die Anderen glaubten, sie hätten noch eine Chance. Die CDU hatte Bisonis blamieren wollen und das war ihr gelungen. Wie viel СКАЧАТЬ