Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
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Название: Mythos, Pathos und Ethos

Автор: Thomas Häring

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738030754

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СКАЧАТЬ "Also eines muß man dem Hans Magnet lassen: Das ist schon eine Leistung: Erst so eine historische Niederlage als Spitzenkandidat einzufahren und danach trotzdem als neuer Hoffnungsträger der SPD gehandelt werden", faßte einer der Männer zusammen. "Und wenn schon? Er hat ja keinen Bock drauf, was man auch verstehen kann. Die Süddeutsche nennt ihn deshalb schon Hans mag net. Ich hätte auch keine Lust darauf, so einen Trümmerhaufen wiederaufzubauen. Außerdem: Die nächste Wahlschlappe kommt bestimmt, das ist bei der bayerischen SPD so sicher wie das Amen in der Kirche", behauptete sein Gegenüber. "Ach ja, die Armen in der Kirche, die tun mir auch leid. Wie dem auch sei, die SPD braucht in Bayern neue Leute in den Führungspositionen, sonst sieht sie bald ganz alt aus." "Noch älter als ohnehin? Wer will denn freiwillig so ein Himmelfahrtskommando übernehmen? Die bayerische SPD hat genauso wie die Bundes-SPD in den letzten Jahren extrem abgewirtschaftet und bei den eigenen Anhängern jede Menge Vertrauen verloren." "Das stimmt, aber es wissen doch eigentlich alle, daß Reformen nötig sind." "Natürlich, aber die sollen doch bitte schön die Anderen machen und dafür bei den Wahlen abgestraft werden, aber auf keinen Fall die eigenen Leute. Es gibt inzwischen nicht Wenige bei den Sozen, die sich Hartmut Fohl als Kanzler zurückwünschen, weil sie der festen Überzeugung sind, daß es unter dem seiner Herrschaft in Deutschland sozialer zugegangen ist." "Oh Gott! Das ist ja schrecklich! Meine Güte, vor fünf Jahren bei der Bundestagswahl noch über 40 Prozent und jetzt nicht mal mehr 20 in Bayern, das sagt schon alles." "Wie dem auch sei, ich höre gerade, daß unsere Frauen mit ihrem Austausch von Neuigkeiten fertig sind, also dann, habe die Ehre." "Ja, Du mich auch." Sie gingen froh auseinander.

      Derweil hatte die rot-grüne Bundesregierung in Berlin mal wieder so einiges zu überstehen. Mit der Union hatte sie eine Gesundheitsreform ausgehandelt, weshalb von vornherein schon klar war, daß das Ding im Bundestag beschlossen werden würde. Trotzdem oder gerade deswegen legte Bundeskanzler Schräder allergrößten Wert darauf, daß man als Regierung eine eigene Mehrheit im Parlament zustande brachte, weshalb er sich im Vorfeld inständig darum bemüht hatte, die letzten Zweifler, Nörgler, Kritiker und Besserwisser zu überzeugen. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, hatte er mit dem vorzeitigen Ende der Koalition und dem damit verbundenen Abschied von der Macht gedroht, etwas, das sich schon früher immer wieder bewährt hatte.

      Für die Kanzlermehrheit reichte es bei der Abstimmung im Bundesrat dennoch nicht, was Bernd aber nicht weiter tangierte, er gab sich mit einer Mehrheit von 297 Stimmen zufrieden, ganz im Gegensatz zu Außenminister Mischer, der extra wegen der Abstimmung aus New York herbei beordert worden war und der sich darüber ärgerte, wegen so etwas einen Jetlag abgekriegt zu haben.

      Ende 2003: Jahresrückblicke sind ja auch nicht gerade unbedingt jedermanns Sache. Meistens fallen einem all die peinlichen Geschichten wieder ein, die man schon längst wieder gerne verdrängt hätte. So wie der Gregor U. Push seinen Irak-Krieg zum Beispiel, der ihm jede Menge Nerven kostete und Ärger bereitete, denn obwohl die amerikanischen Truppen, mit ihrer "Koalition der Willigen" im Schlepptau, einen schnellen und eindeutigen Sieg errungen hatten, so gab es im Nahen Osten trotzdem lauter Probleme und Scherereien. Aber da mußten die Amis nun mal durch, schließlich hatten sie sich jenen Feldzug unbedingt eingebildet gehabt, weil Push junior seinem Vater mit demselben Namen imponieren wollte, welcher Saddam Hussein seinerzeit im Golfkrieg 1991 an der Macht gelassen hatte, obwohl jener Kuwait überfallen hatte. Es blieb also alles in der Familie.

      Weitaus unterhaltsamer war die Geschichte vom deutsch-jüdischen Michel (Kriegmann), der es sich mit jeder Menge Koksnutten des Öfteren gemütlich gemacht hatte und welcher demzufolge als "Manolo Hinkel" noch einmal einen ganz speziellen Bekanntheitsgrad erreichte. "Der Böllermann hatte schon Recht mit seiner Judenschelte, der würde in seinem Grab jetzt vor lauter Freude Cha Cha Cha tanzen", mögen sich manche Leute dabei gedacht haben, aber davon wurde der gute Jörg D., übrigens kein Verwandter von Gregor U., obwohl man das zunächst annehmen könnte, auch nicht wieder lebendig.

      Äußerst lebendig war es 2003 dagegen in der deutschen Politik zugegangen. Die SPD hatte drei Landtagswahlen krachend verloren (Hessen, Niedersachsen und Bayern), nur in Bremen war man an der Macht geblieben, aber dabei handelte es sich ja auch bloß um einen winzigen Stadtstaat, in dem die Linken schon immer in der Mehrheit gewesen waren. Ansonsten überboten sich Regierung sowie Opposition gegenseitig mit Reformvorschlägen, was die Bürger des Landes nicht unbedingt nur erfreute. Doch die Watschen bekamen in erster Linie die Sozialdemokraten ab. Erstens waren die in der Regierung, zweitens hatte man so etwas wie die Agenda 2010 von denen nicht erwartet und drittens bildeten sich die Oppositionsparteien auf ihre Umfragewerte so viel ein, daß sie meinten, die deutschen Wählerinnen und Wähler wären total geil auf noch mehr und härtere Reformen, was aber überhaupt nicht stimmte. Das also war das Jahr 2003 gewesen, wer noch mehr darüber wissen will, sollte Geschichtsbücher lesen.

      Mitte Januar 2004: Neues Jahr, neues Glück? Ja, aber. Wenn man verliert, dann ist man erst mal traurig und überlegt sich danach, woran es denn gelegen haben könnte. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere Option besteht darin, das Ganze als ungerecht anzusehen, sich selbst als den Allergrößten zu betrachten und es später genauso zu machen wie derjenige, gegen den man unterlegen gewesen ist. Tja, das also hatte Egmont Sträuber beherzigt und praktiziert gehabt. Monatelang war er im Wahlkampf 2003 im Sommer durch das Bayernland gezogen, hatte allen alles versprochen oder wenigstens versichert, daß sich nichts verändern oder verschlechtern würde und kaum war er mit über 60 Prozent wiedergewählt, hielt er es mit Wadenhauer und Schräder, indem er sich dachte: "Was kümmert mich mein verlogenes Geschwätz von gestern?" Mitte September war Bayern noch das Schlaraffenland gewesen, Anfang Oktober handelte es sich beim selben Freistaat plötzlich um einen Sanierungsfall. "Der hat uns ins Gesicht gelogen", erkannten etliche Bauern, Lehrer und Polizisten mal wieder leider zu spät. "Sträuber heißt er - uns bescheißt er" oder "We don’t need no Egi-cation", lauteten die Sprüche, die man auf Bannern lesen konnte und das ausgerechnet bei Demonstrationen gegen die bayerische Staatsregierung! Ja, Sie haben tatsächlich richtig gelesen, Anfang 2004 erwachte das bayerische Volk und erhob sich nicht etwa gegen die "rot-grünen Chaoten in Berlin", wie es die CSU sicherlich gerne gesehen hätte, sondern protestierte gegen ihre eigenen Leute, gegen die Kameraden, die man erst wenige Monate zuvor eindrucksvoll in ihren Ämtern bestätigt und mit einer Machtfülle ausgestattet hatte, welche ihresgleichen suchte.

      Na ja, so schlimm das alles auch für die Gelackmeierten sein mochte, so hatte der weise Egmont doch eigentlich nur einen Rat beherzigt, den schon die großen Staatenlenker und Polit-Vorbilder längst erkannt sowie ausgesprochen hatten. Grausamkeiten, so hieß es da, begehe man am besten zu Beginn einer Legislaturperiode, denn dann sind sie gegen Ende derselben wieder vergessen und man wird trotzdem wiedergewählt.

      Blöd für Sträuber war halt, daß es sich nicht um irgendwelche Linken handelte, die da gegen ihn auf die Straße gingen, sondern um CSU-Anhänger, also quasi "Stimmvieh" aus dem eigenen Stall. Noch unangenehmer war natürlich, daß diese Leute genau zu wissen glaubten, warum der Sträuber plötzlich so grausam und brutal war, daß er sogar das Blindengeld kürzen wollte. Sein Ziel bestand nämlich nunmehr auf einmal darin, 2006 mit Bayern als erstem deutschen Bundesland einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und damit erhoffte er sich insgeheim eine weitere Nominierung zum Kanzlerkandidaten der Union. Genau das regte die Betroffenen am allermeisten auf; daß sie dafür bluten sollten, daß der feine Herr Egmont seinen Kanzlerträumen nachhängen konnte. Es ging also mächtig zur Sache, aber der rigide Sparkurs wurde nichtsdestotrotz knallhart durchgesetzt, das wäre ja schließlich noch schöner, wo kämen wir denn da hin, wenn wir vor einzelnen Interessengruppen wie dem Bayerischen Beamtenbund einknicken würden oder wenn am Ende gar das Volk in einer Volksherrschaft (= Demokratie) bestimmen wollte, wo es lang geht! Also wirklich, alles was Recht ist, aber das geht dann doch zu weit. Daß es das Volk auch gar nicht so ernst meinte mit seinen Protesten, zeigte eine neue Umfrage, in der die CSU bei sage und schreibe 62 Prozent landete!

      Ende Januar 2004: Wieder einmal hatte ein Superwahljahr begonnen und das bedeutete für die rot-grüne Bundesregierung vermutlich nichts Gutes. Eine Europawahl, fünf Landtagswahlen, acht Kommunalwahlen sowie eine Bundespräsidentenwahl standen auf СКАЧАТЬ