Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
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Название: Mythos, Pathos und Ethos

Автор: Thomas Häring

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738030754

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СКАЧАТЬ Mehrheit hinter sich, von daher konzentrierte man sich vor allem darauf, bei der Kür des Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten keinen Fehler zu machen. Schließlich wollte man ja allen Menschen in Deutschland eindrucksvoll beweisen, daß man mit Macht verantwortungsvoll umgehen konnte und deswegen auch für höhere Weihen geeignet war. In Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Hamburg und im Saarland standen 2004 Landtagswahlen vor der Tür und außer in Brandenburg gab es für die SPD nicht wirklich viel zu hoffen und zu erwarten.

      Anfang Februar 2004: Vielleicht spielte auch das eine Rolle für eine Entscheidung, welche im politischen Berlin wie eine Bombe einschlug. Schräder trat zurück! Als SPD-Parteivorsitzender, aber natürlich nicht als Bundeskanzler, der Mann war schließlich nicht völlig bescheuert, der wußte schon ganz genau, auf welches Amt man verzichten konnte. Dan Mützewirsing wurde zu seinem Nachfolger auserkoren und das begeisterte die Genossen dermaßen, daß plötzlich von Aufbruchstimmung die Rede war. Klar, Bernhard Schräder war zwar jahrzehntelanges Parteimitglied, aber seine knapp fünfjährige Zeit als Parteivorsitzender war eine Vernunftentscheidung gewesen, nachdem Afroträne im März 1999 plötzlich hingeschmissen und bildlich geschrieben auf den roten Teppich im Billy-Rand-Haus geschissen hatte, falls es dort so etwas überhaupt gibt. Jedenfalls freuten sich sowohl Schräder als auch die SPD-Parteimitglieder darüber, nicht länger so stark aufeinander angewiesen zu sein. Mützewirsing sollte der neue Ausputzer auf dem Spielfeld werden, der Schräder den Rücken freihalten sollte, damit jener endlich wieder aufs gegnerische statt aufs eigene Tor schießen konnte.

      Zwei Sozialdemokratinnen unterhielten sich über die neue Situation: "Also als Genossin finde ich die Entscheidung richtig, aber als Frau hätte ich den Schräder schon lieber als Parteivorsitzenden gehabt. So ein schöner Mann", fand die Eine. "Absolut. Da konnte man immer so schön träumen und sich lebhaften sexuellen Phantasien hingeben, wenn der eine Rede gehalten hat. Der war immer so kämpferisch und energisch, ein richtiger Machtmensch, ein Macher halt." "Ja, aber der Dan ist natürlich besser für die verstörte Seele unserer Partei. Allerdings weiß ich nicht, ob ich bei dem feucht werde." "Das wird in der Tat sehr schwierig. Klar, die Jungs mußten etwas unternehmen, so konnte es nun wirklich nicht weitergehen. Vielleicht war das wirklich der Befreiungsschlag, den unsere Partei unbedingt gebraucht hat, aber ob wir deswegen jetzt plötzlich wieder Wahlen gewinnen werden?" "Das kann ich mir auch beim besten Willen nicht vorstellen. Wir haben unsere Anhänger dermaßen vergrätzt, daß die nichts mehr von uns wissen wollen, was durchaus nachvollziehbar ist. Na ja, wir müssen halt in Zukunft versuchen, uns auf den Parteitagen den Dan schön zu saufen." "Das wird nicht leicht, aber irgendwie bekommen wir das schon hin. Hauptsache, die Basis ist erst mal befriedet." "Ganz genau. Aber mein Schräder-Poster lasse ich trotzdem hängen."

      Ende Februar 2004: Beim Politischen Aschermittwoch, der vor allem in Bayern praktiziert wird, handelt es sich um eine Einrichtung allererster Güte, die dazu dient, die eigenen Anhänger so geschlossen wie möglich hinter sich zu scharen und lustvoll auf den politischen Gegner einzuschlagen. Besonders gern zelebriert ihn verständlicherweise die CSU, insbesondere dann, wenn sie nicht in Berlin an der Macht ist. "Die können es nicht, die müssen weg", lästerte Sträuber daher seit 1999 alljährlich über die rot-grüne Bundesregierung, allerdings war 2004 alles ein bißchen anders, denn draußen vor der Passauer Dreiländer-Halle demonstrierten wütende Polizisten gegen den bayerischen Ministerpräsidenten und seine aus ihrer Sicht ungerechte Sparpolitik. Öffentlicher Widerstand im Bayernland?

      Drinnen wurde derweil gejohlt und gesoffen, Tausende CSU-Fans tummelten sich, um ihren Egmont schimpfen und loben sowie protzen und toben zu hören, doch da die CSU gerne Rekorde aufstellt, wurden mal wieder zu viele Karten ausgegeben, weshalb etliche der Zuhörer nicht wesentlich mehr Platz als eine Henne in einer Legebatterie zur Verfügung hatten. Der Vorteil dabei bestand darin, daß man auf die Art und Weise nicht so leicht umfallen konnte wie diverse Politiker nach Wahlen.

      Bei der SPD war die Stimmung nicht so gut, außerdem gab es dort wie immer viel weniger Zuhörer, was auch, aber nicht nur mit dem für mehr Gäste nicht ausreichenden Platz zu tun hatte. Dort gab es mehrere Redner und als der neue bayerische SPD-Vorsitzende Ludger Riegler Sträuber mit "Ich grüße den Gruftenpfänder in Passau" einen Willkommensgruß entbot, kam Stimmung auf. Ein bayerisches Finanzamt hatte nämlich tatsächlich angedacht oder versucht gehabt, die Gruft des heiligen Hans Werner Braus zu pfänden, zumindest die Anteile, welche sein Sohn Mark Braus daran besaß. Ja, was war nur in die bayerischen Behörden gefahren, kannten die auf einmal überhaupt kein Pardon mehr und erst recht keinen Respekt vor ihrem, also der CSU ihren Übervater?

      FDP, Grüne, Freie Wähler und ÖDP, außerdem Bayernpartei, Republikaner usw. hielten auch Veranstaltungen ab, doch bei ihnen tummelten sich weit weniger Leute als bei den großen Parteien. Die Massen zieht es nun mal gerne und fast immer dorthin, wo sich bereits eine Menschenmenge befindet, denn für die ist eine Ansammlung von Leuten bereits ein Qualitätsnachweis.

      Wie auch immer, eine bemerkenswerte Randnotiz zum Politischen Aschermittwoch 2004 gab es dann doch noch: Erstmals nach mehr als 15 Jahren war der ehemalige CSU-Parteivorsitzende und ehemalige Bundesfinanzminister Leo Baigel nicht bei der Veranstaltung der CSU in Passau anwesend. Da man bekanntlich nicht nicht kommunizieren kann, war das eine deutliche Ansage, nicht umsonst galt Baigel als Sträuber-Gegner und das nicht ohne Grund, schließlich wäre er 1993 selber gerne bayerischer Ministerpräsident geworden, doch da seine privaten Verhältnisse öffentlich wurden und nicht der scheinheiligen Doppelmoral der CSU-Granden entsprochen hatten, gab es für ihn damals keine echte Chance.

      11.03.2004: Genauso wie der Politische Aschermittwoch gehört auch das Politikerderblecken auf dem Nockherberg zu den Pflichtterminen für alle bayerischen Politiker. Dabei werden die meisten von ihnen dort ganz schön durch den Kakao gezogen, doch das macht ihnen wenig aus, denn es ist eine große Ehre, dort genannt und verarscht zu werden. So richtig sauer und enttäuscht sind eigentlich meistens nur diejenigen, die nicht erwähnt werden.

      Zunächst hält ein meistens als Mönch verkleideter Kabarettist eine Rede, danach gibt es ein Singspiel, in dem Politiker-Doubles auftreten und ihre Doppelgänger lächerlich machen. Das Ganze erfreut sich allergrößter Beliebtheit.

      Das Besondere an der Veranstaltung 2004 bestand darin, daß mit Kuno Monas ein neuer Redner gewonnen hatte werden können und daß kurz vor der Aufführung Vater (Präsident vom TSV 1860 München) und Sohn Mildwoser wegen Schmiergeldvorwürfen im Knast gelandet waren. Es gab also jede Menge Gesprächsstoff und durfte wie immer viel gelacht werden.

      Selbstverständlich bekommt der jeweilige amtierende bayerische Ministerpräsident das meiste Fett ab, aber der darf dafür auch aus der ersten Starkbiermaß trinken. "Starkbierprobe" heißt das Ding nämlich eigentlich, die Paulaner-Brauerei lädt alle prominenten Politiker und sonstige Größen zum Freibier auf den Nockherberg ein und dort wird ihnen dann eingeschenkt. Selbstverständlich so, daß die Veräppelten nicht so verärgert werden, daß sie im Jahr darauf nicht mehr wiederkommen, man will es ja schließlich auch nicht zu weit treiben.

      Mitte März 2004: Wieder zurück in die politische Realität, es ging im bayerischen Landtag mächtig zur Sache. In der CSU-Fraktion sprach man von einer "Lutinisierung der bayerischen Politik", weil nur noch oben bestimmt wurde, was die da unten, also die CSU-Abgeordneten im Landtag, dann abzunicken hatten. Dabei hätte die Aufgabe der CSU-Fraktion eigentlich darin bestanden, der Regierung auf die Finger zu schauen und notfalls auch zu hauen, aber in einer Führerpartei wie der CSU machte man schon immer das, was der Chef befahl.

      Draußen vor den Toren des Landtags demonstrierten Tausende gegen den "Spar-Diktator", doch auch sie konnten, genauso wenig wie die Oppositionsparteien im Landtag, verhindern, daß Sträubers Sparpläne beschlossen und damit Gesetz wurden. Alle Anträge der Opposition wurden abgelehnt, so wie es in der CSU zu jener Zeit nun mal Usus war, doch so richtig glücklich waren die CSU-Abgeordneten nicht. Nichtsdestotrotz hatten sie mal wieder allen Zumutungen zugestimmt.

      Sträuber und Zuber unterhielten СКАЧАТЬ