3.5 Die Verbindung von Erstem und Zweitem Hauptsatz
Motivation
Das Verhalten der Stoffe wird sowohl durch den Ersten als auch durch den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik beschrieben. Die ganze Leistungsfähigkeit der Thermodynamik zur Lösung realer Probleme zeigt sich aber erst durch die Verbindung beider Hauptsätze.
Schlüsselideen
Infinitesimale Änderungen thermodynamischer Funktionen ergeben totale Differenziale; dies erlaubt es uns, Beziehungen zwischen vielen dieser Eigenschaften aufzustellen.
Voraussetzungen
Sie sollten die Definitionen der Zustandsfunktionen U (Abschn. 2.1), H (Abschn. 2.2), S (Abschn. 3.1), sowie A und G (Abschn. 3.4) kennen. Für die mathematischen Herleitungen in diesem Abschnitt werden wir häufig die Regeln zum Rechnen mit partiellen Ableitungen anwenden, die in „Toolkit 9: Elektrische Ladung, Strom, Leistung und Energie“ in Abschn. 2.1 beschrieben sind.
Wie bereits diskutiert, kann man den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik in der Form dU = dq + dw schreiben. Für eine reversible Zustandsänderung in einem geschlossenen System (in dem keine Änderung der Zusammensetzung stattfinden darf) gilt, wenn keine Arbeitsform außer Volumenarbeit auftritt, dwrev = −pdV und (gemäß der Definition der Entropie) dqrev = TdS, mit dem Druck p und der Temperatur T des Systems. Für eine reversible Zustandsänderung in einem geschlossenen System ergibt sich damit
Da aber dU ein totales Differenzial ist, hängt sein Wert nicht vom Weg ab – das heißt, man erhält für eine reversible und für eine irreversible Zustandsänderung den gleichen Wert von dU. Gleichung (3.37) gilt deshalb für jede mögliche Zustandsänderung – reversibel oder irreversibel – eines geschlossenen Systems, wenn außer Volumenarbeit keine andere Form von Arbeit verrichtet wird. Diese Kombination von Erstem und Zweitem Hauptsatz nennen wir die Fundamentalgleichung.
Die Tatsache, dass man die Fundamentalgleichung auf reversible genauso wie auf irreversible Zustandsänderungen anwenden kann, mag im ersten Moment verwirren. Die Begründung ist, dass zwar TdS = dq und −pdV = dw nur im reversiblen Fall gelten, während für irreversible Prozesse die Clausius’sche Ungleichung TdS > dq und −pdV > dw zutrifft. Die Summe aus dw und dq jedoch ist immer gleich der Summe aus TdS und −pdV (vorausgesetzt, die Zusammensetzung des Systems ändert sich nicht).
3.5.1 Eigenschaften der Inneren Energie
Gleichung (3.37) zeigt, dass die Innere Energie eines geschlossenen Systems in einfacher Weise von S und V abhängt (dU/dS und dU/dV); wegen dieser Proportionalitäten ist es zweckmäßig, U als Funktion von S und V zu behandeln. Man könnte U ebenso als Funktion von anderen Variablen schreiben, etwa S und p oder T und V, weil zwischen allen diesen Variablen mathematische Zusammenhänge bestehen. Die Auswahl von U(S,V) bietet sich jedoch durch den einfachen Aufbau der Fundamentalgleichung an.
Mathematisch gesehen ergibt sich aus dieser Voraussetzung, dass wir infinitesimale Änderungen der Inneren Energie dU als Funktion der Änderungen dS und dV formulieren können:
Die beiden partiellen Ableitungen (siehe „Toolkit 9: Elektrische Ladung, Strom, Leistung und Energie“ in Abschn. 2.1) entsprechen den Steigungen der Kurven der Funktionen U(S) bei konstantem Volumen V bzw. U(V) bei konstanter Entropie S. Aus dem Vergleich dieses Ausdrucks mit der thermodynamischen Beziehung in Gl. (3.46) ergibt sich für ein System mit konstanter Zusammensetzung
Die erste dieser beiden Gleichungen ist eine rein thermodynamische Definition der Temperatur als Verhältnis der Änderungen von Innerer Energie (Erster Hauptsatz) bzw. Entropie (Zweiter Hauptsatz) eines geschlossenen Systems mit konstantem Volumen. Damit haben wir begonnen, Beziehungen zwischen den Eigenschaften eines Systems herzuleiten; im Folgenden werden wir sehen, welche weiteren (manchmal unerwarteten) Möglichkeiten die Thermodynamik hierzu bietet.
(a) Die Maxwell‐Beziehungen
Die СКАЧАТЬ