Traumafolge(störung) DISsoziation. Zora Kauz
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Название: Traumafolge(störung) DISsoziation

Автор: Zora Kauz

Издательство: Автор

Жанр: Медицина

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isbn: 9783969405482

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СКАЧАТЬ werden, jedoch können sie das Verhalten nicht verstehen oder Emotionen mitempfinden. Dafür haben wir weitaus komplexere Systeme, funktionell zusammengefasst als Theory-of-Mind-Netzwerk4. Die Vehemenz und Brutalität der Täterintrojekte uns selbst gegenüber liegt also an ihrem Ursprung, da sie dieselbe gewaltsame Macht haben wie die Täter_innen damals. Introjektion bedeutet in der Praxis, dass Anteile dafür sorgen, dass wir uns weiterhin bedroht fühlen oder auch sind, und dass wir durch die Schuld, das alles verdient zu haben, anfällig sind für Unterwerfung. Die Wertevorstellungen leben also in uns, sodass wir der auferlegten Rolle treu bleiben (Introjektion) und nicht die äußere Rolle einnehmen (Identifikation), auch wenn es täteridentifizierte Introjekte gibt, die allerdings ihre Gewaltabsichten gegen uns selbst ausleben.

      Wie das Allermeiste sind auch unsere beiden Gehirnhälften asymmetrisch aufgebaut. Sie sehen gleich aus, unterscheiden sich aber, da funktionelle Zentren verschieden verteilt sind. Allerdings lassen sich Aufgaben nicht einfach oder absolut zuordnen, denn auch wenn jede Hälfte u. a. durch spezielle Areale auf bestimmte Funktionen spezialisiert ist, sind die Vernetzungen zu komplex und Areale eben nicht bei allen Menschen gleich verteilt. Die linke Gehirnhälfte ist bei den meisten Rechtshändern die sogenannte „dominante“ Hirnhälfte, was bedeutet, dass sie hauptverantwortlich für die Sprachverarbeitung ist. Doch dies ist vielleicht eher Folge, als Ursache der Händigkeit. Auch bei der Mehrzahl der Linkshänder liegen Sprachzentren links. Allerdings ist beim Schreiben jeweils die zur Hand entgegengesetzte Hirnhälfte federführend, da die Körperseiten überkreuzt mit den motorischen und sensorischen Zentren der Gehirnhälften verknüpft sind. So ist die rechte Hirnhälfte für die Verarbeitung von Emotionen sehr bedeutend. Sie entwickelt sich im Kindesalter auch zuerst, aber sie ist nicht völlig isoliert dafür zuständig. Gleichermaßen finden die meisten Sprachvorgänge links statt, aber eben nicht alle. Der Hirnforscher Richard Davidson beschreibt eine Aktivität im linken präfrontalen Cortex (PFC) als bedeutsam für die Dimension der Resilienz, da dieser die Aktivierung der Amygdala mindern kann. Doch ist bspw. in Momenten der kreativen Schöpfung die linke Gehirnhälfte nicht völlig ausgeschaltet. Ebenso sind die Empathie betreffende – obwohl wir viel einfach nicht wissen (können/sollen), weil sich nicht alles an zwischenmenschlichen Energien messen lässt – unterschiedliche Hirnareale aktiv und von Bedeutung5.

      Die Intrusionen, also das Einmischen mancher in das Alltagsbewusstsein, kann erst Jahre später kommen, und auch dann lange noch nur als einzelne Zeichen aus dem Vorbewusstsein durch Fantasien, Träume und fremde Gedanken oder Handlungsimpulse. Diese Introjekte sind aber, wie alle Anteile, nicht nur das, womit sie betitelt werden: „Täterintrojekt“. Und auch nicht universell vergleichbar. Sie haben vielleicht einen begrenzten Handlungsbereich und Fähigkeiten, aber sie sind nicht einfach nur ihr Job. Denn wie erwähnt, bedeutet zerbröseln nicht steriles Abpacken und nachher wieder zusammensetzen. Sie entstehen aus gutem Grund und unterscheiden sich in ihren Überzeugungen, ihrem Handeln, auch je nachdem, wie z. B. und von wem die Gewalt ausging. Sie werden von verschiedensten Autor_innen „innere Verfolger“, „Zerstörer“ oder „Bösewichte“ genannt. (Bösewicht finde ich eine hier sehr unpassende Verniedlichung, denn niedlich ist da nichts.) Und wenn ein Anteil, so ein „innerer Verfolger“, als Täterintrojekt eine Unmenge an schrecklichsten und widerwärtigsten Erfahrungen machen musste, sie tragen muss, damit das Selbst-System überleben konnte, ist es in keinster Weise anerkennend, ihn_sie so zu nennen. Obgleich sich ihre_seine Taten und Stimmen so anfühlen/anhören, als wären sie da, um uns zu zerstören, weil das schließlich ihre Aufgabe ist, um uns vor der Auslieferung zu schützen. Sie brauchen ihre brutale Art, um ihre Ängste zu verstecken und um sich „unverletzlich“ zu machen.

      Täterintrojekte sind Anteile im System wie alle anderen auch, und obwohl ihre Werte und ihr verwendetes Vokabular verletzend und abstoßend ist und absolut unvereinbar scheint, brauchen sie Akzeptanz und Zuwendung von uns, um als Teil des Systems andere Ansichten kennenlernen zu können, um später vielleicht sogar neue Wege zu finden, wie sie helfen können und nicht als Fremdkörper im Hass leben müssen. „Vielleicht ist alles Schreckliche im Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will“ (R. M. Rilke).

      Falls es doch Impulse gibt, Erfahrenes „zurück in die Welt zu geben“, schützt Empathie vor Gewalttätigkeit. Denn die Wahrnehmung einer eingeschüchterten oder bereits leidenden Person hemmt unsere Aggression instinktiv, zumindest wenn keine sadistischen Normen antrainiert wurden, denn dann wäre genau das das Ziel. Aber diese Anteile kommen nicht versehentlich „nach draußen“ und sind somit nicht als generell gefährlich zu werten, denn sie funktionieren dort, wo es ihnen abverlangt wird und nicht aus eigenem Willen. So wissen wir natürlich von transgenerativer Traumatisierung. Dass also die Gewalt, die Kinder z. B. von ihren Eltern erlebten, sie an ihre Kinder „weitergeben“, weil die Identifikation mit dem Aggressor Teil einer sadistischen Abwehr zum Selbstschutz ist und ein „nach außen Werfen“ des Schmerzes und des Missbrauchs mit sich bringen kann. (Ich werde dieses Thema nicht vertiefen, obwohl mir dessen Komplexität und Bedeutung durchaus bewusst ist und ich diese Wichtigkeit hier anerkennen möchte.) Es können verschiedene Faktoren weichenstellend sein, aber eben nicht zwingend prophezeiend. In diesen Familien herrscht meist seit Generationen eine starke Hierarchie, die Überlegener-Diener-Konstellationen dienen von klein auf als Orientierung, wie die Welt funktioniert. Das bestätigt erneut, dass das Ausgeliefertsein gelernt wird und solchen Realitäten als Unterlegene gelebt wird, nicht andersherum. Gleichermaßen wie die Gewalt können nämlich auch die Traumafolgen, das entstandene Leid, die Veranlagung zur Dissoziation an die nachfolgende Generation weitergegeben werden. Ganz allgemein besteht die Möglichkeit einer Weitergabe von Affektverarbeitungsmustern. Es ist bislang umstritten, ob es sich um epigenetische Vererbungen oder generationsübergreifende epigenetische Effekte oder neu entstehende epigenetische Gravuren durch elterliche (unbewusste) Ängste, Verhalten und wirkendes Sein handelt. Sicher aber ist, dass die veränderten Ladungen6 an der DNS sowohl unmittelbares „Erbe“ aus unseren eigenen Traumatisierungen als Erfahrungen während der Schwangerschaft oder frühen Kindheit sein können als auch tatsächliche Weitergaben aus der Generation vorher (ob als Erbe, Effekt oder durch Verhalten neu entstanden). Diese Energien bestimmen über unsere biologischen Prozesse und automatisierten Reaktionen. Wir werden sie nicht mehr los, wir tragen Prägungen (unsere und die unserer Eltern, insofern sie nicht umgelenkt wurden) in all unseren Zellen. Dennoch können wir lernen, unterschiedlich damit umzugehen, nicht zuletzt, weil Energie Bewegung ist.

       „Bewusste“ Theorie und Praxis

      Ich versuche, etwas zu erklären, das in manchen Bereichen der Theorie nachvollziehbar ist, auch wenn wir es praktisch nicht richtig fassen können. Zumindest passt das Erleben der Praxis oft nicht in die Beschreibung der Theorie. Ein Beispiel: Wenn von traumatisierten „EPs“ geschrieben wird, werden oft Persönlichkeitsanteile beschrieben, die in Fight-Flight-Freeze-Submit, festhängen und durch deren Aktivierung sich unser Nervensystem in die jeweilige Reaktion versetzt. Das stimmt für einige, weil unter Bedrohung bereitgestellte Sympathikus-Energie kaum zu lenken ist, sondern nur in eine Richtung geht, aber insgesamt ist es viel komplexer als einfach nur diese vorgefertigten Reaktionsmuster. Wer auch immer vorne ist, übernimmt den ganzen Organismus. Das bezieht sich auf Empfindungen, die Sensibilität, körperliche Kraft und Ausdauer, (Körper-)Sprache, Stimme, Vokabular, Schmerztoleranz. Auch Wahrnehmungseinschränkungen wie Kurz-/Weitsichtigkeit können bei manchen auftreten, bei anderen nicht, was sich als „offizielle Nichtbrillenträgerin“ (so steht es im Ausweis) als problematisch erweist, zumindest wenn er_sie mit Sehschwäche eine augenärztliche Untersuchung nicht aushalten könnte. Bei Nüchternheit nach hoch- und eigen-dosiertem Medikamenten- oder Drogengebrauch geht es uns so, dass mache Entzugssymptome zeigen, von denen andere nichts mitbekommen bzw. es nicht selbst spüren können. Wenn er_sie „nach innen geht“, werden auch die körperlichen Symptome gehemmt und scheinen sich aufzulösen oder jedenfalls zu mildern. Es gibt einen Mythos, der nur teilweise einer ist, aber dessen oberflächliche Präsentation lässt uns sehr unglaubhaft erscheinen: Wir reagieren unterschiedlich auf Medikamente bzw. fällt deren Wirkung je nach „aktivem СКАЧАТЬ