Название: Traumafolge(störung) DISsoziation
Автор: Zora Kauz
Издательство: Автор
Жанр: Медицина
isbn: 9783969405482
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Doch kein Bericht, keine Diagnose und keine Akte kann vorhersagen, welche Erfahrungen, Schwierigkeiten und Talente ein Mensch letzten Endes mitbringt. Manchmal braucht es ein Loslassen von theoretischen Schablonen und festen „Heilungsplänen“, besonders wenn eine Fehldiagnose gestellt wird und trotz Antipsychotika noch Halluzinationen da sind. Eine ausführliche Diagnostik wäre auch eine Idee. Dies ist sicherlich nicht leicht, wenn eine Diagnose-Karriere vorliegt, die primär aussagt, dass sehr viel kaputt ist, und alle eine andere Meinung haben und auch Komorbidität besteht, aber es ist nicht unmöglich, wenn gründlich hinterfragt wird.
Laut der ISSTD, einer internationalen Gesellschaft für Traumaforschung und Dissoziation, verbringen Menschen mit einer Dissoziativen Identitätsstörung fünf bis zwölf Jahre in irgendeiner/verschiedener Behandlung, bis sie eine korrekte Diagnose erhalten. Das liegt auch an der „multiplen Symptomatik“, da Einzelsymptomatiken oder auch ausreichende Diagnosekriterien für eine zusätzliche Diagnose u. a. folgender Krankheitsbilder vorliegen können: Depressionen, Ängste, Somatisierungsstörungen, Essstörungen oder Sucht sind oft ein Teil. Dabei entsprechen ab einer gewissen Komplexität der dissoziativen Struktur aber nur einzelne Anteile zusätzlichen Krankheitsbildern, andere nicht, oder sie weisen eine andere Problematik auf. Da wir oft nur sehr wenig wissen und es auch an Aufklärung im Bereich der komplexen Dissoziativen Störungen mangelt, dauert es mitunter sehr lange, bis erkannt wird, was hier vorliegt. Es handelt sich nun mal um eine individuelle Überlebensstrategie, die u. a. von den Fähigkeiten/Voraussetzungen der Person, der Umweltkonstellation, den traumatischen Ereignissen, ihrer Schwere und Wiederholungen wie auch der Beziehung zu Täter_innen abhängig ist. Das erfordert differenziertes Hinschauen und es muss generell die Möglichkeit von Dissoziation überhaupt in Betracht gezogen werden. Ich kann auch nicht beurteilen, wie wir von außen aussehen/wirken/erscheinen und konnte es schon gar nicht zu Beginn unserer ersten psychiatrischen Kontakte. Sicherlich gibt es Überschneidungen in den Kriterien von traumaassoziierten Störungen, was zu unklaren oder schwer zu treffenden Differentialdiagnosen führen kann. So gibt es beispielsweise Menschen mit einer Borderline Diagnose, die auch eine dissoziative Symptomatik zeigen (bspw. Emotionen von der Bedeutung spalten), deren Anteile aber keinen – oder zumindest einen weniger festen – eigenen Selbstsinn haben. Auch liegen hier meist keine amnestischen Zeitlücken oder völlige Entfremdung vor. Jedoch können deutliche und scheinbar unkontrollierbare Wechsel zwischen Anteilen mit internalisiertem Hass oder auch Verteidigungswut und anderen mit verzweifelter Sehnsucht nach Zuneigung auftreten.
Dissoziative Störungen/Symptomatiken sind in den Diagnose-Werken kategorisiert und aufgeteilt, wobei in der DSM (Diagnostic ans Statistical Manual of Mental Disorders), für den englischsprachigen Raum, anders differenziert wird als in der ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Jeder dissoziativen Störung im Bereich der Strukturellen Dissoziation liegen ein oder mehrere Traumata zugrunde. Die dissoziativen Störungen im Bereich der Tertiären Strukturellen Dissoziation werden in verschiedener klinischer Literatur als die komplexesten Formen einer Posttraumtischen Belastungsstörung, PTBS, beschrieben. Ich verstehe das prinzipiell, empfinde aber die PTSB als akute Symptomatik (von deren Hauptsymptomen auch nicht alle im System etwas spüren). Etwas, das akut sehr viel Leidensdruck und Beeinträchtigung verursacht. Und die DIS als etwas, das alle im System betrifft, auch wenn nicht alle es wissen oder als solches benennen können. Unsere Persönlichkeitsstruktur als etwas, das, auch wenn sich die Kommunikation verbessern soll und ein Zusammengehörigkeitsgefühl angestrebt wird, im Grunde bleibt/bleiben kann (weil Anteile nicht verschwinden, sondern sich bzw. ihre Strategien verändern und gleichermaßen unsere Zusammenarbeit, unser Zusammensein), worunter wir dann an sich ja auch nicht (mehr) leiden, nur an dem, was dadurch (noch) entsteht, bzw. an dem, woraus sich das entwickelte. Das, was künftig im ICD als Komplexe Posttraumatischen Belastungsstörung klassifiziert werden soll, beinhaltet verschiedene Formen von Dissoziationen oder Stufen der Strukturellen Dissoziation sowie Affektregulationsstörungen, negative Selbstwahrnehmung und Beziehungsstörungen. Nicht des Titels wegen ist es wichtig die Komplexität zu verstehen, sondern um Entstehungskontexte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit erkennen zu können, also um Wege zu mehr Integration und weniger Leid gestaltbar zu machen.
Schizophrenie ist eine wohl nicht seltene Fehldiagnose, die Menschen mit dissoziativer (in dem Fall dann meist Identitäts-) Störung erhalten. Vermutlich ist die wörtliche Übersetzung von Schizophrenie, gespaltene Seele, ein Grund dafür, dass es weiterhin den Vergleich/die Verwechslung gibt. Zumindest in der Alltagssprache, wird „schizophren“ als Synonym für „gespalten“ oder „höchst ambivalent“ verwendet. Allerdings liegen grundlegend andere neurobiologische und psychologische Prozesse vor. Die Schizophrenie ist eine deutlich seltenere Krankheit als dissoziative Störungen, die keine Seltenheit sind, jedoch entspricht die Gewichtung der wissenschaftlichen Betrachtung offensichtlich anderen Interessen. „Sie finden [in PubMed, Suchmaschine für wissenschaftliche Studien] 264 Studien zur Dissoziativen Identitätsstörung und 90 251 über Schizophrenie. Wenn Sie jetzt noch die Anzahl der Studien mit bildgebenden Verfahren vergleichen zwischen DIS und Schizophrenie, dann zeigt sich dieselbe Schieflage innerhalb von Sekunden: 18 für DIS und 940 für Schizophrenie. Ist diese fehlende Betrachtung gerechtfertigt?“, fragt Traumaforscher, Therapeut und Autor Ellert R. S. Nijenhuis.
Nach Kurt Schneider kann eine Schizophrenie mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Auftreten der Symptome ersten Ranges diagnostiziert werden, wenn andere Ursachen, wie körperliche Erkrankungen oder Drogeneinnahmen, ausgeschlossen sind. Diese Symptome treten jedoch anscheinend im Falle einer dissoziativen Identitätsstörung häufiger auf als bei Schizophreniekranken. Also sollte Dissoziation in diesen Fällen definitiv in Betracht gezogen werden. Zudem wirken bei uns Medikamente sehr unterschiedlich, je nach Erregungszustand, und machen Symptome nicht weg, wenn sie dissoziativer Natur sind. Sowohl bei Schizophrenie als auch DIS kommt es also z. B. zum Hören von Stimmen, Bedroht- und/oder Aufgefordertwerden, zu Wahrnehmungen, deren Auslöser nicht im Hier-und-Jetzt für Außenstehende erkennbar ist, zu Empfindungen, für die es keine direkte Ursache gibt, Gedankenabbrüche oder -eingebungen sowie (scheinbare) Willensbeeinflussung. Und schließlich und nicht unwichtig: Beide Krankheiten leiden unter Stigma und sind nicht heilbar mit Äußerungen wie: „Du weißt, es ist nicht echt“ oder „Es ist doch schon vorbei“, oder einfach durch die Zeit.
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