Traumafolge(störung) DISsoziation. Zora Kauz
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Читать онлайн книгу Traumafolge(störung) DISsoziation - Zora Kauz страница 17

Название: Traumafolge(störung) DISsoziation

Автор: Zora Kauz

Издательство: Автор

Жанр: Медицина

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isbn: 9783969405482

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СКАЧАТЬ konnte. Es ist eine Überlebensstrategie, kein Spaß. War es nicht und ist es auch Jahre später im Alltag nicht geworden. Warum gibt es nicht „Depression caught on camera“? Ja klar, ist nicht so unterhaltsam. Wenn Menschen das sehen, halten sie es entweder für wahr oder sie sind dann überzeugt, dass es Dissoziation nicht wirklich gibt. Beides richtet Schaden an. Wenn sich eine Person bei dir sicher fühlt, mutiges Vertrauen zu dir hat und dir erzählt, eine dissoziative Störung zu haben, und du sagst oder denkst dann: „Oh, nein, hast du nicht. Das gibt es nicht in echt“, leugnest du nicht nur die Symptomatik. Dann leugnest du ihre gesamte Lebensrealität. Allen Schmerz, alles Leid, das sie zu ertragen hat lernen müssen, das ja lange abgespalten war oder (in Teilen) noch ist, alles wird dadurch kleingeredet. Es andererseits zwar als Realität anzunehmen, aber zu sagen, die Person sei völlig krank gestört, ist ebenso schmerzhaft. Wir werten uns selbst schon genug dafür ab. So oft verurteile ich mich für all die scheinbaren Unfähigkeiten, für die Lücken, das Nicht-Wissen, das Sich-aus-Fragen-mit-Halbaussagen-Winden. So oft bin ich davon überzeugt, die Kontrolllosigkeit, die Amnesien, die Schmerzen, die Unsicherheit und ständige Angst nicht mehr aushalten zu können. Dann zu hören oder die Gedanken zu spüren, krank und gestört zu sein, trifft zerstörend zielgenau in wunde Punkte. Es bestätigt die Selbstabwertung und hat auch den Beigeschmack von Schuldzuweisung, weil wir ja kaputt und gestört sind, weil das ja alles unsere Schuld ist, weil wir das Problem sind.

      Persönlichkeitsanteile zu dissoziieren, ist grundlegend für Dissoziative Störungen, aber es geht nicht darum, wie deutlich unterscheidbar wir sind oder wie dramatisch die Switches aussehen. Es geht darum, das Prinzip der strukturellen Dissoziation zu verstehen, um sie als Überlebensstrategie anerkennen zu können. Für den Prozess der Integration ist nicht entscheidend, wie viele und wie drastisch unterschiedlich wir sind, sondern welche Bedürfnisse wir haben, warum wir entstanden, warum wir wie sind, warum wir was aus unserem Bewusstsein abspalten mussten bzw. warum wer dieses nie erreicht hat. Die Dissoziative Identitätsstörung (die der tertiären Dissoziation entspricht) ist bei nur sechs Prozent, derer, die sie diagnostiziert haben, andauernd offensichtlich ausgebildet. Also (können) 94 Prozent versteckt bleiben. Das ist keine Wertung. Nur entspricht das Leben in dissoziativen Selbst-Strukturen, das suggeriert wird, nur selten dem tatsächlichen, wenn solche scheinbare Multiplizität für Entertainment verwendet wird. Denn wie dramatisch die Switchs auch sein mögen, sind sie trotzdem nur die Spitze des Eisbergs, nur das, was Aufmerksamkeit erregt, wovon gedacht wird, es sei das Problem. Doch ist die Gewalt das Problem. Das Alleinsein im und nach dem wiederkehrenden Ausgeliefertsein ist das Problem, die Dissoziation ist die Überlebens-Lösung gewesen.

      5 Dissoziation

      Dissoziation ist in der Chemie der Zerfall einer chemischen Verbindung in frei bewegliche Ionen, elektrisch geladene Teilchen, da Elektronen abgegeben oder aufgenommen werden. Ein Stoff dissoziiert unter Energiezufuhr oder wegen der Wirkung von Wasser. So ähnlich ist das bei uns auch. Bei uns zerfällt aber die Integration des Selbst und unser Erleben bzw. dessen Verarbeitung im Gehirn, wobei tatsächlich auch Ionen beteiligt sind. Dies geschieht ebenfalls durch extreme Energiezufuhr, da bei Todesangst massive Kräfte entstehen. Und gleichermaßen wie verschiedene Stoffe leichter bzw. vollständiger dissoziieren, gibt es auch Menschen, die eine größere Fähigkeit/(epi)genetische Veranlagungen dazu haben. Und wenn wir diese Fähigkeit schon früh viel nutzen müssen, entwickelt sich unser Gehirn so, dass die Dissoziation eine unbewusst automatisch gewählte Art der Stressbewältigung wird, weil wir keine anderen Wege erlernt haben, mit bedrohlichen Situationen umzugehen. Leider ist das eine Systematik, die sehr schwer zu verändern ist, weil wir, solange wir immer mit Dissoziation reagieren, auch keine anderen Bewältigungsstrategien erlernen können.

      Nun können wir die Welt abspalten, bestimmte Erfahrungen oder alle Erfahrungen in einem bestimmten Kontext abspalten oder einzelne Emotionen abspalten oder auch gespalten sein oder in so einen Spalt hineinrutschen – und all dies auf verschiedene Art und in unterschiedlicher Komplexität. So ist Dissoziation ein Überbegriff für verschiedene Phänomene und wird oft auch sehr weitläufig oder unklar definiert verwendet. Dissoziation ist zunächst einfach mal das Gegenteil von Assoziation. Es wird also nicht Bekanntes mit Unbekanntem verknüpft, sondern voneinander getrennt bzw. erst gar nicht einander angenähert.

      Grundlegend ist Dissoziation, sowohl in der Chemie als auch (neuro)biologisch und psychologisch, ein Vorgang in einem Spektrum. Die Psychologie betreffend gibt es Modelle verschiedener Spektren, die je als Dissoziation bezeichnet werden, aber unterschiedlicher Natur sind. Allerdings kommen meist mehrere bei Traumatisierung vor, jedoch das der strukturellen Dissoziation ausschließlich als Folge von Traumata.

       5.1 „Alltags-Dissoziation“

      In Spektren gibt es immer zwei Extreme, die nicht unbedingt klar definiert sein müssen, und ganz viel zwischendrin, ohne dass es immer klar zu trennen ist. Es gibt verschiedenste Formen, deren verschiedenes Auftreten ich unten ausführe. An einem Ende des ersten Spektrums gibt es „normale“ bzw. „nicht pathologische“ Formen der Dissoziation, die in allen Menschen ablaufen. Doch auch in diesem Spektrum gibt es Bereiche, die wir als „krankhaft“ bezeichnen, am anderen Ende eben.

      Nicht pathologisch sind z. B. intensive Tagträume oder andere Verluste der Aufmerksamkeit, während derer alles per „Autopilot“ abläuft und du danach nicht weißt, was und wie du konkret gehandelt hast. So auch das „Versinken im Moment“, beispielsweise im Spiel, wie es Kinder so gut können, und den Rest der Welt „vergessen“ bzw. abspalten. Von außen wirkst du zwar nicht verändert, du befindest dich nur in einem anderen Bewusstseinszustand: Du bist nicht bewusstlos oder hast auch nicht unbedingt die Augen geschlossen, als wärst du eingeschlafen. Vielleicht kennst du dies von Wegen, die du regelmäßig gehst oder fährst. Auf einmal bist du zu Hause und hast gar nicht wahrgenommen, dass du weitergegangen oder -gefahren bist, weil du in Gedanken versunken warst, wobei diese Gedanken nach dem „Aufwachen“ im Hier-und-Jetzt meist auch nicht mehr klar greifbar sind. Ein Kind, das sorglos im Spiel versunken war, fragt dann: „Waas? Ist es schon vorbei? Neeein. Ich habe doch gerade erst angefangen.“ – Genau so fühlt es sich an, weil die Zeit „zwischendrin“ quasi nicht zählt. Ähnlich ist es auch, wenn du beispielsweise eine monotone Aufgabe verrichten musst oder einer Vorlesung zuhörst, für die dir das Interesse oder die Konzentration oder auch beides fehlt. Es passiert, ohne dass du es bemerkst, dann erwachst du aus deiner Langeweile-Müdigkeits-Trance und wunderst dich, dass die Vorlesung schon vorbei ist. Oder du hast morgens in die Luft gestarrt, warst noch nicht ganz im Tag angekommen, und erschrickst heftig, wenn du die Uhr siehst, weil es plötzlich so spät geworden ist. – Genau wie die Kinder verlässt auch dich, als erwachsene Person, in solchen Zuständen das Zeitgefühl. Das ist eine gute Art, um zwischendurch abzuschalten, und auch, um sich auf Wesentliches konzentrieren zu können, also Unwichtiges zu dissoziieren, damit die Energie für das, was wir benötigen, genutzt wird. Ein entscheidender Unterschied zur Dissoziation als Reaktion auf ein Trauma ist hier, dass dabei der Parasympathikus kein Hypoaraousal, welches den Organismus auf den Tod vorbereitet, herstellen muss. Sondern, aus einem grundlegend bestehenden Sicherheitsgefühl heraus, das Erregungsniveau sehr niedrig ist. Du befindest dich hierbei eben nicht in einer Gefahrensituation, sondern eher gegenteilig in einem fokussierten, auf der Schwelle zum Unterbewusstsein, oder entspannten, meditativen oder auch „dösigen“ Zustand.

      Auch das Gefühl, in einer unechten Welt zu leben, in Irrealität, dass alles, was wir empfinden, nicht stimmt, dass es uns in dieser Welt eigentlich gar nicht gibt, ist ein Abspalten des Hier-und-Jetzt, weil es nicht auszuhalten ist, da zu sein. Das ist die sogenannte Derealisation. Für mich war das eine Zeitlang, oder ist es in Überforderungssituationen immer noch, „normal“, während „echte“ und sehr intensive Empfindungen eher außergewöhnlich sind.

      Was in der Theorie gerne vergessen wird, ist, das die praktischen Auswirkungen für uns mehr sind, als Nebel СКАЧАТЬ