Traumafolge(störung) DISsoziation. Zora Kauz
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Название: Traumafolge(störung) DISsoziation

Автор: Zora Kauz

Издательство: Автор

Жанр: Медицина

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isbn: 9783969405482

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СКАЧАТЬ kann vereinzelt auftreten, weil wir dissoziieren. Es ist unmöglich – für mich zumindest nicht vorstellbar, vielleicht auch abhängig davon, wer geht und wer kommt, aber dann ggf. eben fast unmöglich –, einen Satz in oder nach einem Switch zu Ende zu führen, weil ein anderer Anteil das Bewusstsein übernimmt oder sich in das unsere einmischt. Manchmal fühlt es sich auch so an, als würden andere ihre Gedanken über meine „darüberschütten“ oder mir die ihren hinwerfen, mit denen ich dann etwas anfangen muss, auch wenn es nicht meine Gedanken sind. Es ist anstrengend, beim Thema zu bleiben, wenn sich verschiedene Stimmen einmischen, weil sie uns nicht zustimmen oder Gedanken darum wegbrechen. Ein unterbrochener Satz oder abrupter Themenwechsel ist manchmal einfach nicht zu vermeiden. Dissoziierte Persönlichkeitsanteile sind keine Halluzinationen, sondern wirklich Teile der Persönlichkeit, und alle zusammen ein Mensch. Innen-Stimmen z. B. sind „positive“ dissoziative Symptome. Positiv im Sinne von Addition, weil sich etwas, das abgespalten ist, hinzufügt. Viele davon sind nicht nur sich wiederholende Verfolgungs-Mantras. Zwar kann es sein, dass Anteile teilweise das wiederholen, was (uns) während einer traumatischen Situation gesagt oder gelehrt wurde, aber dann hat es dort seinen Ursprung und eine Bedeutung und ist kein Wahn. In jedem Fall sind wir viele, mehr als nur Stimmen. Wir existieren tatsächlich. Die meisten von uns können (wenn sie dürfen/in der Situation können) in Kontakt treten, Gespräche führen, wir alle fühlen, wenn auch sehr unterschiedlich, oder teilweise nicht, wir hoffen, verzweifeln und je nachdem, wie komplex bzw. autonom jemand ist, handeln und denken wir, wie es Menschen eben können oder nicht. Nur eben je nachdem in einem begrenzten oder eingeschränkten Bereich. Intrusionen sind welche dieser positiven dissoziativen Symptome, es sind Empfindungen oder Wahrnehmungen, für die es objektiv nicht unbedingt einen passenden äußeren Reiz als Auslöser gibt. Jedoch passt der Trigger immer, auch wenn das von außen nicht unbedingt als schlüssig zu erkennen ist, weil es um nicht integrierte Originale geht. Original bedeutet nicht objektiver, juristischer Fakt, sondern original das, was wir damals wahrgenommen haben. Sie sind also nicht psychotisch bedingt, sondern weil sich eine Amnesie auflöst bzw. einzelne Aspekte das Bewusstsein erlangen, als Gegenstück zur Dissoziation quasi. Unser Nervensystem reproduziert die Bilder, Geräusche, Gerüche, Geschmäcker, Empfindungen, die wir abgespalten haben. Sie sind also auch echte innere Wahrnehmungen, die durch triggernde Reize erneut ausgelöst werden. Falsche Überzeugungen, veränderte Wahrnehmungen von realen Sachverhalten oder verzerrte Weltanschauungen: „Illusionen“ sind im Falle einer dissoziativen Störung entweder auch Erinnerungen, die aktuell erscheinen, oder Lernerfahrungen bzw. introjizierte Meinungen der Täter_innen oder auch eine antrainierte Alarmbereitschaft, die aus gutem Grund entstand. Diese Weltbilder können psychotisch scheinen, da sie mitunter sehr extrem sind oder ihr Entstehen nicht verstanden wird, doch sind sie keine Einbildung, sondern Ansichten, die durch die Traumata geprägt und gefärbt sind. Welche allerdings noch irrealer scheinen, indem verschiedene Anteile polare Weltanschauungen oder Werte haben (können). Es kommt also zu massiven Unterschieden.

      Ich weiß, meistens, dass wir nur diesen einen Körper haben und dieser objektiv ziemlich anders ist, als die meisten von uns ihn wahrnehmen. Ich wusste von Anfang an, dass die Stimmen im Kopf sind und nicht von außen kommen, weil es, auch wenn es sehr laut sein kann, anders klingt als Sprache, die von außen kommt. So sind die aktuellen Bedrohungen etwas, das innen lebt, auch wenn ich lange nicht wusste, wo es herkommt oder warum es da ist. Das Gefühl, von außen verfolgt zu werden, ist auch „nur“ eine Erinnerung bzw. aufgrund unseres feststeckenden Nervensystems so echt, und die Macht dieser ständigen Angst so vehement, weil sie aus Todesangst geboren wurde. Unser Kontextlernen ist gestört, da der Hippocampus durch den chronischen Stress kleiner ist und die Bedrohung nicht sortiert und orientiert hat. Wir wissen lange nicht, was sicher ist, weil es viel Training braucht, um die Unsicherheit verlernen zu können. Die Angst verlässt uns nicht, weil einzelne Reize nicht in ihre Umgebung integriert sind. Es ist also kein psychotischer Verfolgungswahn, sondern neurobiologische Veränderungen, die uns im Gefahren-Modus festhalten.

      Aber genau deshalb, weil es in uns ist und immer wieder die Macht über den Organismus übernimmt, fühlen wir uns so machtlos. Ja, wir sind verfolgt vom Trauma, weil ständig hier und da etwas hochkommt und uns überschwemmt und umreist. Was wir zunächst dissoziieren, weil unser Gehirn weiter auf Gefahrenmodus steht und Dissoziation unsere vorrangige Bewältigungsstrategie ist. Die scheinbar aktuelle Bedrohung, die manche empfinden, bringt auch Hypervigilanz mit sich, was durchaus wie Verfolgungswahn scheinen kann, nur dass diese Alarmbereitschaft absolut total viel Sinn hat(te) und einen realen Ursprung.

      Wir sind echt, gültig und entstanden, damit wir überleben. Wir bilden zusammen unsere Persönlichkeit (oder so etwas Ähnliches). Die Strukturen und Ebenen der Abspaltung sind unmöglich gleich zu erkennen, wie auch wie selbstständig Anteile sind und wie viele amnestisch, welche mit Co-Bewusstsein ausgestattet, welche nicht, weil wir voneinander dissoziiert und für andere unerreichbar sind und sich auch viele nach außen nicht direkt, wenn überhaupt, zeigen. Denn es gibt Anteile, die intern eine große Rolle spielen, viel aktiv sind und großen Einfluss auf das System haben, aber extern kaum oder gar nicht „erscheinen“. Die Entstehungsgründe sind bei bestimmten Anteilen ähnlich, auch gibt es z. B. kindliche Anteile oder Introjekte mit vergleichbaren Handlungsimpulsen (vergleichbar insofern, als dass in verschiedenen Menschen Anteile für bestimmte Aufgabenfelder oder mit ähnlichen traumatischen Erlebnissen auch Parallelen in ihrem Verhalten/Auftreten /Wünschen/Bedürfnissen zeigen). So geht es vielmehr darum, warum wer wie da ist, was wer wie warum für Aufgaben hat, welche Ressourcen nutzbar sind und was wer wie warum braucht bzw. warum wir wen wie abspalten mussten, als darum, das Auftreten zu begutachten oder sich nach dramatischen Switchs umzuschauen. Es ist ein Mythos, dass alle Menschen, die eine Multiple Persönlichkeit(störung) haben, offensichtlich und dramatisch ständig wechseln und sich in unterschiedlichsten Facetten zeigen und so auftreten oder sich Anteile nach einem Wechsel zu erkennen geben und sich je mit ihrem Namen vorstellen. Der fehlgeschlagene Titel einer „multiplen Persönlichkeit“ soll auch international künftig nicht mehr verwendet werden, sondern DIS. Denn weder, die offensichtlichen Symptome, an die Menschen bei einer multiplen Persönlichkeit denken, sind das worum es geht, noch bedeutet strukturell dissoziiert zu sein eine multiple Persönlichkeit zu haben. Wir haben nicht das, was integrations-typische Menschen sind, vervielfacht und in einen Körper gepackt. Wir sind viel eher dividiert, als multipliziert.

      Welche Diagnose am Ende auch steht, das Empfinden und Erscheinen kann sehr ähnlich sein, auch wenn es einen anderen Titel trägt. Gleichzeitig können Menschen, die dieselbe Diagnose bekommen, sehr unterschiedlich empfinden. Es sind eben Worte auf Papier. Definitiv ist es aber keine Freak-Show. Die Wechsel und unsere Unterschiedlichkeit oder orientierungsloses Auftreten sind keine Unterhaltungsshow und es ist nicht (!) angebracht zu fragen, ob Wechsel gefilmt werden dürfen, weil es so „krank krass“ sei (wir mussten bitter enttäuschen). Ob als private oder professionell begleitende, unterstützende Person oder Betroffene – wer sich informieren will, soll das gerne tun, aber mit Vorsicht bzw. der Bereitschaft, bei Video-Medien zu hinterfragen. Filme und angeblich aufklärende You-Tube-Beiträge sind ein Grund dafür, dass es das Stigma gibt, bzw. dafür, dass es so weit verbreitet ist, weil es so „voll cool und aufregend“ sei, zu dissoziieren. Nein. Nein, ist es nicht. Ich kann und will mir nicht herausnehmen zu beurteilen, ob ein Video dies einfach als Entertainment übertrieben darstellt oder sich ein Mensch zeigen will, um aufzuklären. Das vermag und will ich nicht beurteilen. Zudem sind dies so überhaupt gar nicht meine Kanäle, um Einsichten oder Wissen zu erlangen, wodurch ich auch kaum Vergleichswerte habe und hier keine Bewertung setzen will. Sicher ist aber, dass etwas, das enormen, zerstörenden Leidensdruck verursacht und unseren Alltag bestimmt und alle Lebensbereiche einschränkt, kein Trend sein kann. Ganz besonders dann nicht, wenn wir die Entstehungsgründe betrachten. Allein die Vorstellung, dass Menschen das absichtlich übertrieben und oder verfälscht darstellen könnten, um mehr Klicks oder Likes zu bekommen, tut mir so weh, für alle, die darunter leiden müssen, weil damit großer Schaden anrichtet wird. Es mag sein, dass es gute, lehrreiche, ehrliche Videos dazu gibt, aber wer über Dissoziation aufklären will, und „Switching caught on camera“ postet, hat definitiv etwas falsch verstanden. Es ist kein Entertainment. Wer eine dissoziative Persönlichkeitsstruktur gebildet hat, hat etwas erlebt, was unmöglich zu ertragen war, was sie_er СКАЧАТЬ