Traumafolge(störung) DISsoziation. Zora Kauz
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Читать онлайн книгу Traumafolge(störung) DISsoziation - Zora Kauz страница 12

Название: Traumafolge(störung) DISsoziation

Автор: Zora Kauz

Издательство: Автор

Жанр: Медицина

Серия:

isbn: 9783969405482

isbn:

СКАЧАТЬ -impulse, -werte, -perspektiven und all das Innen. All das in uns. Und ich bin etwas von diesem wir. Das bin auch ich? Scheiße. Bedürfnisse, Wünsche, Trauer, kleine Hilflosigkeit und all das Innen. All das in uns. Und ich bin etwas von diesem wir. Das bin auch ich? Mindestens genauso brutal scheiße. Darum auch die Angst, dass unsere Therapeutin mit dieser Bösartigkeit, Brutalität und Ekelhaftigkeit in Berührung kommt. Was, wenn ihr das etwas antut? Allein nur die Vorstellung, dass sie dem begegnet, ist furchtbar schrecklich beängstigend.

      Ich sitze so da und versuche, geradeaus zu denken, was enorm schwer ist, wenn eine Therapeutin gegenübersitzt und der Großteil ihrer Aufmerksamkeit auf uns liegt. Das ist so aaahhh; Können Sie sich nicht kurz mal ablenken, damit ich den Satz fertig formulieren und dann auch aussprechen kann? Bitte. Sage ich natürlich nicht. Denke ich nur, während innen unglaubliches Chaos ist und ich nicht mehr weiß, ob ich meine eigenen Gedanken je wiederfinde unter all dem, was da gerade so draufgeschmissen wurde. Und wir werden immer noch beobachtet. Jedenfalls versuche ich dann, meine Sorgen zu kommunizieren. Nämlich dass ihre ungeplante Auszeit zu sehr viel mehr Turbulenzen geführt hat, als ich das zugeben möchte, mehr als ich mir das eingestehen kann, und sehr sicher noch mehr, als ich wirklich begreifen kann. Dass da neben einsam gefrusteter Enttäuschung auch viel Zerstörungswucht ist. Und zudem ganz ha(e)ssliche Wut. Ich komme mir etwas doof dabei vor, aber meine Sorge ist sehr real. Sie ist berechtigt. Denn es gibt widerliche Sprache in uns, grausame Bilder und brutale Wünsche, Impulse – wann sind es Handlungen? Am Körper sehe ich manche Zeugnisse solcher Handlungen und ich weiß aber, dass auch im Hier-und-Jetzt innen welche sind, die genau das gelernt haben. Ich weiß, dass ihre Drohungen keine leeren Worte sind, und wenn ich auf der Intensivstation aufwache, kann ich nur erahnen, dass irgendwer ihren Aufforderungen gefolgt sein muss. Also ist meine Sorge real. Ob kleine bedürftige Zuwendungswünsche den Kontakt beschmutzen oder aus ihrer Enttäuschung heraus zu zerstören versuchen, oder eklige Gewaltverherrlichende unserer Therapeutin wirklich etwas antun – ich finde alles furchtbar und weiß nicht, was davon tatsächlich passieren könnte. Wir wurden schon als unzurechnungsfähig betitelt, und ich weiß manchmal nicht, was ich diesem Adjektiv entgegensetzen kann, ohne das Gefühl zu haben, mich selbst zu belügen. Denn ich fürchte mich ja auch vor der Ungewissheit. Und dann stammele ich so daher oder um diesen Konflikt außen herum, glaube, es relativ gut angedeutet zu haben, und unsere Therapeutin meint nur so, dass alle willkommen seien. Ah. Okay. Was? Nein! – Auch die, die so vehement sein müssen, seien doch verzweifelt und voller Angst – sie dürfen also gerne kommen. Ah. Okay. Was? Nein! Innen wird es laut, dass das doch jetzt der Beweis wäre, dass sie mich kein bisschen ernst nimmt, dass sie mir nicht glaubt und alles kleinredet, dass sie gar nicht versucht, meine Angst zu verstehen. Wenn sie nur wüsste, wie viel Schrecklichkeit da ist. – Ich sei eine erbärmliche Heulsuse und solle endlich einsehen, dass sie mich hier verarscht. – Es erscheint leicht, dem zu glauben. Zu gehen und nicht wiederzukommen. Doch irgendwo, irgendwie, in einer mir noch nicht ganz klaren Form, glaube ich auch, dass sie das nicht sagt, um mich als lächerlich darzustellen, sondern dass sie diese Haltung tatsächlich hat und diese ganzen blöden Theorien damit bestätigt. Nämlich, dass die Angst, Verzweiflung und Ohnmacht, die zu solcher Vehemenz führen, aus überwältigenden Erfahrungen kommen, und die, die sie jetzt zeigen, sich einfach nicht anders zu helfen wissen, weil sie es wirklich (noch) nicht anders können oder es meinen, nicht anders zu dürfen, leider teilweise auch überzeugt sind, es nicht anders zu wollen. Und weil sie all das viel leichter annehmen kann, viel eher schon anerkennen kann als wir Alltagsionäre, welch gewaltvolle Erfahrungen solche Prägungen verursachten, weil sie ja nicht so direkt mit drin steckt, will ich versuchen, den Brücken, die sie baut, das zuzutrauen. Will versuchen, mich darin zu üben, das immer mehr/immer mal wieder auch als Vorbild zu sehen, um anzunehmen, dass auch die, die meine Toleranzgrenzen sprengen, eine Geschichte, einen Namen und eine Daseinsberechtigung haben. Denn auch wenn wir das im Alltag noch nicht immer richtig greifen können, ist es wohl so, dass wenn sich um die Introjekte gekümmert und ihr Schmerz ernst genommen wird, sie nicht mehr mit einer solchen Vehemenz wüten müssen, dass sie diese gar nicht mehr brauchen. Wenn wir ihnen zuhören, ihre Entstehung und Überlebensleistung begreifen, die sie im Moment der Gefahr erbrachten, kann uns vielleicht/hoffentlich deutlich werden, wie verletzt sie eigentlich sind.

      Exkurs: Erklärung von Introjektion 3 zum Verständnis der Täterintrojekte

      Ich möchte hier der Annahme, dass Menschen mit bisher sogenannten multiplen Persönlichkeiten immer auch psychopathische Mörder sind, begegnen. Wir haben selbst Angst vor uns. Ich weiß nicht, ob es vielen Vielen so geht, aber bei uns ist das ein Thema. Angst vor dem, was passiert, wenn wir, also unser ich, „nicht da“ sind, und besonders vor dem, was passierte, als wir nicht da waren. Es ist eine brutal einschränkende Angst und eine hassende Abwertung, wenn Erinnerungen, Emotionen und erlernte Ansichten ins Bewusstsein gelangen. Darstellungen in Medien, die Menschen mit dissoziativen Störungen verteufeln oder als psychopathisch unzurechnungsfähig zeigen, richten großen Schaden an. In uns, für uns; für uns wegen der daraus entstehenden Vorurteile und dem Unglauben, und in begleitenden oder uns unterstützenden Menschen durch provozierte Angst. Es finden in jedem Entwicklungsprozess Identifikation und Introjektion statt, welche, in der Pubertät meist radikal, revidiert und verändert werden können. Normalerweise ist Identifikation auch eine Möglichkeit, um Rollen auszutesten, Eigenes zu entdecken und spielerisch auszuleben. Schon kleine Kinder imitieren, etwa um den rein kognitiven Faktor zum Spracherwerb zu ergänzen. An verschiedene Kontexte angepasstes Verhalten, Rollenlernen und Identifikation ist also Teil gesunder Differenzierung und Bildung von Selbstanteilen, für die Entwicklung einer eigenen Identität.

      Vielleicht erklärt es die Beschreibung der Introjektion als Gegenstück zur Projektion. Etwas, das auch allen passiert und immer wieder sehr konfliktreich wirken kann, wenn wir uns dessen nicht gewahr werden. Die Projektion beschreibt das nach außen legen oder werfen der eigenen Emotionen, Wünsche, Interpretationen, Werte usw. auf andere. Oft grenzt die Empathie daran, wobei wir dann zunächst herausfinden müssen, was wir vom anderen Menschen spüren und was unser Eigenes ist, von dem wir denken, es ist im anderen.

      Ebenso ist die Erhaltung von „inneren Kindern“ ein ganz normales Empfinden, welches die allermeisten Menschen haben, insofern sie es zulassen bzw. spüren. Dieses „innere Kind“ ist aber nicht mit kindlichen dissoziierten Anteilen gleichzusetzen, die in ihrem Sein erstarrt sind und z. B., bevor sie aufgeklärt und in das Selbst-System eingeführt werden, nicht wissen, dass sie in einem erwachsenen Körper leben. Jedoch können sowohl „dissoziierte Kinderanteile“ als auch „innere Kinder“ ein Stück weit abgrenzbare Anteile sein. Es gibt jedoch bedeutende Unterschiede zwischen dem, an was sich einzelne von uns erinnern können, als Kind gewesen zu sein, dem „inneren Kind“ und den „kleinen, kindgebliebenen, dissoziierten“ Anteilen. An deren Erfahrungen tragen nämlich auch die, die mit dem Körper gewachsen sind, keine Erinnerung. Kinderanteile haben für sich selbst ein „Ich“, haben keinen Zugang zur Erwachsenenperspektive, können also manches einfach nicht verstehen, weil sie sich nicht weiterentwickelt haben, sie fühlen sich oft (noch) nicht als Teil von uns an, sie sind mir in ihrer Wahrnehmung, in ihrem Verhalten, in ihren Ängsten völlig fremd.

      Grundlegend ist zu sagen, dass Täterintrojekte auch als Überlebensmechanismus dienen, da sie uns aus der Machtlosigkeit lösen, weil wir, wenn wir Teil der Tat sind und auch Schuld tragen, nicht hilflos sind. Überleben meine ich total konkret, da uns unser Parasympathikus im Shutdown bis zum Herzstillstand oder einer Atemdepression herunterfahren kann. Zudem hilft es, die Sicht der Täter_innen auf uns zu übernehmen, um der Tat einen Sinn zu verleihen. Wenn wir dann die Täter_innen auch noch verstehen können, ihre Wünsche und Absichten kennen, entsteht sogar eine geglaubte Kontrolle, da wir die Gewalt vorhersehen können bzw. wir zumindest nicht von ihr überrascht oder geschockt werden.

      Die Bildung der Täterintrojekte läuft auf mehreren Ebenen ab; sie sind sowohl ein psychologischer Abwehrmechanismus als auch eine neurobiologische Reaktion, u. a. durch die Spiegelneuronen. Allerdings sind diese nicht hauptverantwortlich, СКАЧАТЬ