Zensur im Dienst des Priesterbildes. Jessica Scheiper
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СКАЧАТЬ Berichte aus der Mandschurei faszinierten mich. Sie weckten in mir den Wunsch nach einem ebenso abenteuerlichen Missionarsleben wie jenes von Pater Anton. Im zweiten Sekundarschuljahr erreichte uns die Meldung, Pater Toni sei von einem Banditen erschossen worden. Diese Nachricht hat uns alle erschüttert.“51

      Crottogini war dennoch beeindruckt:

      „[U]nd ich habe dann […] gedacht, ja, das wäre auch noch glatt einmal [etwas für mich; J. S.] so als Missionar da in China unten, wo es diese Räuberbanden gibt, die aufeinander losgehen. [S]o eine richtige Romantik habe ich mir gepflegt. Dann habe ich dann mal, schüchtern, ich sagte niemandem was, meinen Religionslehrer gefragt, der uns Kirchengeschichte lehrte, was muss man denn machen, wenn man Missionar werden will. Dann sagte er: ‚Dann geht man nach Bethlehem‘, da dachte ich ‚Ohalätz, jetzt muss ich noch auf Palästina‘“52.

      Das Missverständnis ließ sich klären, sodass er nicht nach Palästina reiste, sondern an das etwa 120 km entfernte Gymnasium Bethlehem der SMB in Immensee wechselte.53 Ab 1934 war Crottogini dort als Internatsschüler untergebracht. „Die Ausbildung [zum Missionar; J. S.] […] beginnt schon am ersten Tage der Gymnasialjahre, wo der Knabe, beseelt vom Wunsche, Missionar zu werden, den ersten Schritt auf dem langen Weg tut, der ihn zum Primizaltar führen soll“54. Die strenge Internatsordnung mit all ihren Auflagen wie tägliche Messbesuche, Meditationen und Gebete waren Crottogini lästig, aber er betrachtete sie als unabdingbare Voraussetzungen für die angestrebte Missionstätigkeit.55 Er hielt an seinem Wunsch fest, Missionar zu werden.

      Ein Jahr früher als nötig besuchte Crottogini schon 1938 mit einem Großteil seiner Klasse die Rekrutenschule56 in Zürich, um sich anschließend – so zumindest der Plan – auf die Maturaprüfungen konzentrieren zu können. Aber der Plan ging nicht auf: Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verlängerte sich der Aktivdienst bis Ende des Jahres 1939. Zu den schriftlichen Prüfungen im Frühling 1940 konnten die Schüler antreten, doch unmittelbar danach kam es im Mai 1940 zur Totalmobilmachung und die Schüler mussten zurück in den Aktivdienst. Die mündlichen Prüfungen entfielen, die Schüler bekamen die Zeugnisse mit der Post.57

      Noch im selben Jahr trat Crottogini in das Noviziat58 bei der SMB im Bruder-Klausen Seminar, dem Ausbildungsseminar der SMB, in Schöneck ein.59 Für sein Noviziat beantragte er ein Jahr Urlaub vom Aktivdienst.60 Das Noviziat wurde dennoch zweimal durch längere Mobilmachungsaufgebote unterbrochen. Im darauffolgenden Jahr, am 23. September 1941, wurde er zur ersten Promissio zugelassen.61 Aufgrund seiner Abwesenheiten hatte Crottogini allerdings im Probejahr „[s]pirituell […] wenig mitbekommen.“62 In den vorgesehenen zwei Jahren des Philosophiestudiums versuchte er seine spirituellen Defizite wieder auszugleichen. Vor allem Prof. Gebhard Frei SMB beeindruckte Crottogini sehr, wenn er die Studenten „mit den verschiedensten, spannenden Denkmodellen zeitgenössischer Dichter, Philosophen, Psychologen und Schriftstellern“63 konfrontierte.64 Auch an den nüchternen Vorlesungen seines Professors für Naturphilosophie fand der junge Student Gefallen.65

      An das Philosophiestudium schloss sich ein vierjähriges Theologiestudium an. Seine Professoren, viele unter ihnen waren aus Hitler-Deutschland geflohene Jesuiten66, schätzte Crottogini, doch hatte er mit dem Studium Schwierigkeiten. Die Professoren etwa sah er „durch amtskirchliche Erlasse zu eingeengt. […] Eine Bibeltheologie, die diesen Namen verdient hätte, gab es damals […] noch nicht.“67 Einzig sein Professor für Moraltheologie, Josef Zürcher SMB, beeindruckte ihn, weil er „seiner Zeit weit voraus war.“68 Auch litt das Studium unter den wiederholten Unterbrechungen durch die Militärdienstzeiten.69 Crottogini empfand es als ein Studium, in dessen Mittelpunkt nur das Bestehen der Examen stand. Für eine „gründliche, persönliche Auseinandersetzung mit den fundamentalen Fragen des Glaubens“70 habe es während des Krieges an Ruhe und Zeit gemangelt. Später nannte er es deshalb selbst ein Studium der „Schmalspurtheologie“71.

      Vor der Priesterweihe war mit dem Generaloberen Eduard Blatter72 das nächste Ziel Crottoginis besprochen: China. Er bereitete sich maßgeblich auf dieses Missionsziel vor, indem er sich Wissen über chinesische Philosophie und chinesische Geschichte anlas. Wegen aufkommender politischer Unruhen in China aufgrund des Mao-Vormarsches sandte die SMB allerdings vorerst keine Missionare mehr dorthin aus. Man wollte „keine Märtyrer haben […], sondern lebendige Mitglieder.“73 Alternativ zog man deshalb in Betracht, Crottogini im darauffolgenden Jahr für ein Jahr nach Japan zu schicken, und wartete zunächst seine unmittelbar bevorstehende Priesterweihe ab. Er empfing sie am 30. März 1947 von seinem ehemaligen Lehrer - inzwischen Bischof von Chur – Christian Caminada74 mit fünf weiteren Alumnen in Immensee. Die Primiz feierte er am 7. April 1947 in der Kathedrale von Chur.75

      Kurz nach der Weihe bat der Generalobere Crottogini, für ein Jahr – bis zur geplanten Japan-Mission – Schuldienst und damit verbunden die Aufgaben des Präfekten am Progymnasium76 der SMB in Rebstein zu übernehmen. Crottogini willigte ein, aber vor dem Hintergrund, bald in die Mission gehen zu dürfen.

      „[D]amals meinte man, wenn einer Philosophie und Theologie studierte, könne er auch Schule geben, aber ich hatte keine Ahnung, was das eigentlich hiess […]. Im ersten und zweiten Gymi [den ersten beiden Gymnasialstufen; J. S. ], dort hatten wir Klassen à sechzig Leute, Doppelklassen à dreissig und dann musste ich noch Deutsch übernehmen und jeden Tag haben wir in der Schule ein Diktat gemacht, damit sie Deutsch lernen. Aus der ganzen Schweiz waren Knaben da, und jede Woche einen Aufsatz. Ich musste da jeden Tag 60 Hefter korrigieren, ich kam meistens gar nicht nach. […] Und noch Präfekt [für die Internatsschüler; J. S.] spielen, da wusste ich auch nicht so recht, was das ist. […] [D]ie mussten gemeinsam ins Bett, gemeinsam aufstehen, und ich in einer Kabine dazwischen, zwischen diesen grossen Schlafsälen. Ich bin jeweils nachts um zwölf todmüde ins Bett gefallen und habe gleich geschlafen.“77

      Auf sein erstes Jahr am Gymnasium folgte dann die große Enttäuschung: Crottogini sollte nicht wie ursprünglich vereinbart in die Mission nach Japan geschickt werden. Stattdessen griff man auf Missionare für Japan zurück, die sich bereits in Peking im Sprachstudium und somit schon rein geographisch näher am Missionsland befanden. Crottogini hingegen bat man, ein weiteres Jahr am Gymnasium zu unterrichten. Dort brauche man momentan dringend Lehrer, nach Japan könne er schließlich im Anschluss noch immer.78

      Mit seinem Eid hatte sich Crottogini gemäß Art. 2 der Konstitutionen SMB zum Dienst am Missionswerk der Gesellschaft und zum Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen Oberen verpflichtet. Crottogini sah darin das Versprechen, sich für einen missionarischen Einsatz zur Verfügung zu stellen, wenn auch nicht geographisch festgelegt. Dazu merkte er an: „Aber man wird normalerweise gefragt, wohin man will.“79 Als er 1949 gebeten wurde, im Schuldienst zu bleiben, lehnte er ab. Doch man ließ ihm keine Wahl. Man erinnerte ihn, er habe letztlich im Gehorsam dem Befehl des Oberen zu folgen.80

      Um längerfristig als Lehrer am Gymnasium mit Maturitätsberechtigung eingesetzt zu werden, fehlte Crottogini eine klassische Lehrerausbildung, d. h. ein akademischer Titel, der zum Unterrichten an staatlichen Schulen berechtigte. Von der ursprünglichen Japan-Planung blieb 1949 damit nicht viel übrig: Aus einem Missionseinsatz in Asien sollte ein Hochschulstudium in der Schweiz werden.81 Gegen seinen Wunsch wurde die „China-Destination in ‚Schuldienst in der Heimat‘ umgewandelt, mit der Auflage eines vorgängigen Spezialstudiums, versehen mit dem ‚Trostpflästerchen‘ ein späterer Missionseinsatz bleibe dadurch durchaus offen.“82

      Crottogini immatrikulierte sich deshalb zum Wintersemester 1950/51 an der Philosophischen Fakultät der Universität Fribourg. Rückblickend gibt es keine Hinweise darauf, aus welchen Gründen seine Wahl auf die Universität Fribourg fiel. Vielleicht war es СКАЧАТЬ