Название: Traumzeit für Millionäre
Автор: Roman Sandgruber
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783990401842
isbn:
Wiener Chic! Das war eine Erfolgsschiene. Es gab so viel Luxus zu befriedigen: Handschuhe, Strümpfe, Hemden, Spitzenunterwäsche, Hüte, Pelze, Taschenuhren und vielerlei Accessoirs. Soll man Arnold Bachwitz zu den Industriellen oder zu den Journalisten rechnen? Er gründete 1883 einen Damenmäntel-Verschleiß und ein Modeunternehmen. In seiner Bachwitz AG verlegte und produzierte er eine Reihe von Modezeitschriften und Magazinen, etwa Die Wienerin und Chic Parisien. Als erstes Blatt kam 1898 Der Modezeichner heraus, gefolgt von einer Reihe weiterer Journale und Alben, etwa der Großen Mode (1900 – 1922), der Eleganten Frau (1900 – 1929) und The Coming Season (1920 – 1929). Insgesamt wurden etwa 50 Zeitschriften herausgebracht, viele davon dreisprachig. Arnold Bachwitz war auch Direktor der Wiener Modeausstellung, die um die Jahrhundertwende mehrmals in den Sälen der Österreichischen Gartenbaugesellschaft abgehalten wurde. Sein Hauptquartier war das imposante, 1908/09 erbaute Palais des Beaux Arts in der Löwengasse 47 mit den großen Weltkugeln auf dem Dach, zwischen denen in großen Lettern der Name des Besitzers die Internationalität des Unternehmens symbolisieren sollte.143
Hüte waren Modeartikel im besten Sinne des Wortes. „Hier konnte sich“, schreibt Peter Habig, der bedeutendste Hutfabrikant des Reiches, „der Wiener Geschmack am freiesten betätigen.“144 Sein Sohn Peter jr. galt als der „eleganteste Jüngling“ im Wien des frühen 20. Jahrhunderts. Er heiratete in den Gutmann-Clan ein. Peter Habig sen. war 1853 als Hutmachergeselle nach Wien gekommen. 1867 eröffnete er eine kleine Werkstätte. 1882 startete er die Hutfabrik an der Wiedner Hauptstraße. Verkauft wurde direkt neben der Fabrik im riesigen Habig-Hof und an der Kärntner Straße im noblen Palais Todesco, ab 1888 auch in der Berliner Friedrichstraße. Als k. u. k. Kammer- und Hof-Hutfabrikanten wurden Peter & Carl Habig auch Hoflieferanten der deutschen Kaiserin Auguste Viktoria und des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen. Beliefert wurden auch König Eduard VII. von Großbritannien, Georg I. von Griechenland und Peter I. von Serbien sowie Großherzog Wilhelm IV. von Luxemburg. Der von den Architekten Carl Holzmann und Heinrich Adam erbaute Habig-Hof war ein Gesamtkunstwerk aus Wohnungen und Verkaufsflächen, die fast einen gesamten Stadtblock einnahmen. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel die noble Kundschaft ab, nach dem Zweiten Weltkrieg und dem wechselnden Modegeschmack verschwand die Bedeutung des Hutes immer mehr. Ein Nischengeschäft ist geblieben.145
Der in Bukarest geborene Carl Moritz Frank gründete 1838 einen Schneiderbetrieb. 1860 übernahm sein Sohn Carl Frank junior das Unternehmen. 1874 wurde er zum k. u. k. Hoflieferanten ernannt. Frank gehörte bald zu den angesehensten Schneidereien in Europa. Er fertigte die Zivilanzüge für den Kaiser. Zu seinen Kunden zählten Kronprinz Rudolf von Österreich-Ungarn, die Brüder von Kaiser Franz Joseph I., Erzherzog Karl Ludwig und Erzherzog Ludwig Viktor, und der hohe Adel. Frank war auch Hoflieferant des Prinzen von Wales, des Königs von Italien, Kaiser Napoleons III. von Frankreich, König Milans von Serbien und der Königshöfe von Schweden, Spanien, Bayern, Preußen, Russland, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Serbien, und Montenegro. König Eduard VII., die angeblich bestangezogene Persönlichkeit seiner Zeit, zählte zu den Stammkunden. Insgesamt waren es nicht weniger als 55 Hof- und Kammertitel, die C. M. Frank im Laufe seiner Existenz ansammelte. Der kinderlose Carl Frank junior konnte 1914 mit seinem Geld drei Millionen Goldkronen für die Errichtung eines Kinderspitals stiften. Dafür erhielt er den Adelstitel. Geschäft und Familie endeten mit seinem Tod, der fast zeitgleich mit dem Tod des alten Kaisers im Jahr 1916 kam.
In der Schmuckbranche verdienten einerseits eine Reihe von Juwelieren und Uhrmachern, von Bellak über Hirsch bis Zirner, andererseits die Erzeuger von Imitaten. Mit den Glasschmucksteinen begann eine Erfolgsgeschichte, die für zwei Gablonzer Unternehmer nicht unterschiedlicher hätte verlaufen können: Robert Richter und Daniel Swarovski. Auf dem Gebiet der Similisteine hatte sich durch den Einsatz von Maschinen ein gewaltiger Umbruch vollzogen. Derart bearbeitete Steine hatten den Vorteil, regelmäßiger und auch viel billiger als die handerzeugten zu sein. „Leider“, schreibt ein Berichterstatter im Jahr 1908, „hat eine Firma den Artikel von hier (gemeint Gablonz) nach Tirol verschleppt“. Das zielte auf Daniel Swarovski. „Ihr ist ein zweiter Fabrikant dieser Steine namens Robert Richter gefolgt, der seine Fabrikation nach Niederösterreich verlegt hat.“146 Robert Richter, aus der Familie der Eigentümer einer 1882 gegründeten Gablonzer Bijouteriewarenfabrik stammend, spezialisierte sich auf künstliche Edelsteine, die er mit einer von ihm entwickelten Schleifmaschine bearbeitete. 1900 gründete er in Gablonz eine mechanische Glasschleiferei, die er 1907 auf der Suche nach genug Wasserkraft und wohl auch wegen der Nähe des Wiener Marktes ins niederösterreichische Münchendorf verlegte. Er erwarb das Areal einer abgebrannten Mühle. 1907 ging die Fabrik in Betrieb, die 1910 zwar nur etwa 150 Arbeiter beschäftigte, aber sehr komplexe Maschinen einsetzte, die im Fabriksbetrieb Steine mit besonderem Schliff und elegantem Aussehen ermöglichten. 1910 zählte er zu den Spitzenverdienern. 1917 wurde das Unternehmen kriegsbedingt stillgelegt. 1918 entschloss sich Richter, sein Unternehmen zurück in die Tschechoslowakei ins heimatliche Reichenberg zu transferieren.147 Langfristig war das keine gute Entscheidung. Auch Daniel Swarovski kam aus der Nähe von Gablonz und Reichenberg, aus Georgenthal. Auch er hatte 1891 einen Schleifapparat zum industriellen Schleifen von Schmucksteinen entwickelt. Auch er ging aus der Gegend weg und transferierte den Betrieb, in seinem Fall nach Wattens in Tirol, wo er genug Wasserkraft für seine Maschinen hatte. Um 1910 beschäftigte er bereits an die 1.000 Leute. Auch sein Unternehmen wurde durch den Kriegsausbruch nahe an den Ruin gebracht. Es gelang ihm aber, sich mit Schleifmitteln und Ferngläsern ein rüstungswirtschaftliches Standbein zu schaffen, das ihm neben den Schmucksteinen den Weg für den Aufstieg zur Weltfirma ebnete.148 Sein langfristiges Glück: Sein in Österreich verbliebener Betrieb konnte nach 1945 kräftig expandieren und zum größten Familienunternehmen des Landes aufsteigen, während Robert Richters 1918 nach Reichenberg zurückverlagertes Geschäft in der Vertreibung nach 1945 zugrunde ging.
Brauherren und Zuckerbarone
Wirklich reich wurden die Wiener Industriellen mit Bier, Schnaps, Zucker, Malzkaffee und anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie. Etwa 60 Millionäre lassen sich diesem Sektor zuordnen. Ganz vorn im Einkommensranking standen die Brauherren. Namen wie Dreher, Mautner-Markhof, Meichl oder Kufner haben bis heute einen guten Klang. Rings um die Millionenstadt, die an sich eine Weinstadt war, wuchsen in den Vororten die Bräuhäuser: in Nussdorf, Ottakring, Hütteldorf, Liesing, Simmering, Schwechat, Jedlesee. Die Bierbrauer galten als Herren. Ihr Vertretungsorgan war der Brauherrenverband. Vier Kronen pro Hektoliter betrug die Biersteuer. Die Länder und Städte machten weitere Aufschläge. Ein mächtiges Kartell hielt die Preise hoch. 1882 wurde der „Österreichische Brauerbund“ gegründet. Eines der Hauptanliegen war der sogenannte Kundenschutz, was im Jargon der Brauindustriellen nicht Schutz der Kunden, sondern Schutz vor Abwerbung von Kunden durch ein Kartell bedeutete.
Der Reichtum einzelner Bierbrauer darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Branche ein ruinöser Verdrängungswettbewerb in Gange war, der 1910 noch keineswegs zum Abschluss gelangt war. 1841 gab es im heutigen Österreich etwa 1.200 Brauereien, 1913 nur mehr 289. Der Erste Weltkrieg kostete noch einmal fast die Hälfte der Brauereien die Existenz. Nach dem Ersten Weltkrieg ging der Konzentrationsprozess ungebremst weiter. Die Habsburgermonarchie war zwar einer der größten Weinproduzenten der Welt. Aber der Weinverbrauch war kontinuierlich zurückgegangen, einerseits als Folge verheerender Rebenkrankheiten und Reblausschäden, andererseits als Folge der gesellschaftlichen und technischen Umstrukturierungen in der Produktion anderer Alkoholika. Bier war hinsichtlich Qualität und Gestehungskosten durch die Fortschritte der Brautechnik in eine allmählich so viel bessere Position gelangt, dass es zum wichtigsten alkoholischen Massengetränk und gleichzeitig zum Modegetränk der Intelligenz des 19. Jahrhunderts werden konnte. Wien, die Weinstadt, wurde zu einem Bierzentrum. Selbst in den klassischen Heurigenorten, in Nußdorf und Grinzing, Hernals und Ottakring nisteten sich die Brauereien ein. Dem zur Weltstadt sich entwickelnden Wien entsprachen mondäne Bierhallen, die einander mit neuen, qualitativ hochwertigen Biersorten überboten.149