Название: Traumzeit für Millionäre
Автор: Roman Sandgruber
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783990401842
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Als Pionier der österreichischen Kleiderhäuser gilt Mayer Mandl. 1843 hatte der Sohn des Prossnitzer Altkleiderhändlers Moses Mandl um die Kleinhandelsbefugnis für alte Kleider eingereicht. 1849 kam jene für neue Kleider dazu. Bald beschäftigte Mayer Mandl mehrere 100 Schneider, die aus billigen Stoffen Konfektionsstücke für den Vertrieb in Ungarn und am Balkan fertigten. Im Krimkrieg war er als Lieferant der osmanischen Armee zu derartigem Ansehen gelangt, dass ihm die osmanische Regierung für einige Zeit die Ausstattung ihrer gesamten Armee übertrug. 1858 suchte er um die Fabriksbefugnis für die Erzeugung von Männerkleidung an. Es war die erste Kleiderfabrik Österreichs. In den 1860er Jahren etablierte sich Mandl direkt in Wien. 1910 stellte die Mandl-Familie eine Reihe von Millionären: Julie Mandl, die Witwe des 1888 verstorbenen Mayer Mandl, ihren Sohn Arnold Mandl, Inhaber des Bank- und Großhandlungshauses J. & M. Mandl und M. Mandls Söhne und 1881 zusammen mit Salomon Kohnberger Gründer der Österreichisch-Amerikanischen Gummiwarenfabrik in Breitensee bei Wien, ferner Max Mandl, Ritter von Maldenau, Gesellschafter der Fa. M. & J. Mandl und der Fa. M. Mandls Söhne, und Sigmund Mandl, Direktor dieser beiden Unternehmen.112
In den fünfzig Jahren vor dem Ersten Weltkrieg etablierten sich in Wien etwa 40 Betriebe in der Art von Mandl. Der aus dem ungarischen Alberti Irsa stammende Schneidergeselle Jakob Rothberger eröffnete 1855 sein „Kleidermagazin“ nach einem System, das er in Paris kennen gelernt hatte. Seine Idee war die „Kleiderschwemme“. Gebrauchte Kleider wurden gegen neue getauscht. Die alten Kleider reparierte er und verkaufte sie weiter. Die Schneiderarbeiten wurden nicht von Angestellten, sondern von selbständigen Stückmeistern erledigt. Mit zwei Standbeinen, der Kleiderschwemme und der gehobenen Herrenkleidung, verfügte er über eine so breite Basis, dass er 1861 sein Geschäft auf den zentralsten Platz Wiens, den Stephansplatz übersiedeln konnte. 1868 wurde er zum Hoflieferanten ernannt und 1886 ein spektakulärer, von den Theaterarchitekten Fellner & Helmer geplanter Neubau eröffnet. Die zwei Stockwerke hohe Verkaufshalle wurde von 380 elektrischen Glühbirnen taghell erleuchtet. Es gab eine Dampf-Zentralheizung und einen hydraulischen, ab 1897 elektrischen Aufzug. Im Souterrain fand man die Schwemme, darüber in zwei Etagen die Verkaufsräume. Es wurde auch eine Kleiderleihanstalt geführt. Das Geschäft wurde angeblich mehr wegen seiner billigen als seiner eleganten Ware bekannt. Eingemietet war auch das Süßwarengeschäft Victor Schmidt & Söhne. Geöffnet war von 7 Uhr morgens bis Mitternacht.
Als Jacob Rothberger 1899 verstarb, wurde sein Nachlass mit 2,149.244,07 fl eingeantwortet, davon ein Viertel Firmenvermögen. Die restlichen drei Viertel bestanden in Wertpapieren und Realitäten. Neben den Hälfteanteilen an den beiden Häusern Stephansplatz 9 und 11, einem Haus am Salzgries und einem in Budapest gehörte Rothberger ein Sommerhaus in Neuwaldegg. Drei der vier Söhne übernahmen die Geschäftsleitung. Es waren über 300 Personen angestellt, weitere 600 arbeiteten als selbständige Stückmeister. In Budapest hatte man eine Filiale. 1908 wurden auch Filialen in Paris und London eröffnet. Die Erfolgssträhne brach in der Zwischenkriegszeit. Die Filialen im Ausland waren verloren, der Kontakt zu den Zulieferern riss ab. Die Geschäftsfläche im Stammhaus wurde reduziert und verpachtet. 1938 wurde das Warenhaus „arisiert“ und 1945 im Zuge der letzten Kriegshandlungen zerstört.113
Rühmte sich für seinen aristokratischen Kundenkreis: das Damenmodehaus Zwieback an der Ecke Kärntner Straße/Weihburggasse. Foto: Madame d’Ora, 1913.
Rothbergers Idee wurde rasch von anderen nachgeahmt oder ebenfalls entdeckt. Der aus einer schlesischen Weberfamilie gebürtige August Herzmansky kam 1848 nach Wien und eröffnete in der Kirchengasse, 7. Bezirk, ein Geschäft für Textilien. Die Produktpalette wurde ständig vergrößert. Das „Spezialkaufhaus für Textilien“ hatte sich bis 1896/97 in einem Neubau zum Warenhaus gewandelt. August Herzmansky erlebte die Eröffnung jedoch nicht mehr. Nach dem Tod des Firmengründers übernahmen seine Neffen Johann und Eduard die Unternehmensführung, waren darin aber nicht besonders erfolgreich. Herzmanskys Hauptkonkurrent in der Mariahilfer Straße wurde sein ehemaliger Mitarbeiter Alfred Gerngross. Er eröffnete 1879 ein eigenes Stoffgeschäft, das rasch zum größten Warenhaus Wiens wurde. Beide Unternehmen operierten erfolgreich mit dem in Europas Großstädten im Vordringen begriffenen Konzept: Fixpreis und großer Umsatz durch mäßigen Aufschlag. Gerngross war auf den Handel mit Seiden-, Woll- und Waschstoffen, Samt- und Modewaren spezialisiert. Es gab eigene Abteilungen für Wäsche, Damen-, Herren- und Kinderkonfektion, Wirk- und Strickwaren, Schuhe, Handschuhe, Teppiche, Vorhänge, Haus- und Küchengeräte sowie Galanteriewaren. Die Textilprodukte wurden nicht nur verkauft, sondern zum Teil in den drei Industrieabteilungen für Herren- und Damenbekleidung und Wäsche auch selbst produziert. In der Kärntner Straße eröffnete die Fa. M. Neumann ein Herrenkonfektionshaus. Der von Otto Wagner 1895/1896 errichtete Neubau trug am Parapet des vierten Obergeschoßes die schlicht gehaltene, aber unmissverständliche Aufschrift Metropolitan Clothing Palace. Im Erdgeschoß und in zwei Obergeschoßen befanden sich die Verkaufssäle, im 3. und 4. Stock Wohnungen; 1.000 Glühlampen sorgten für die Beleuchtung.
Das 1895 nach Plänen von Friedrich Schön an der Ecke Kärntner Straße/Weihburggasse errichtete Damenmodehaus Zwieback galt als das „pariserischste“ aller Wiener Warenhäuser. Um 1900 beschäftigte es 187 Beamte und 150 Arbeiter und rühmte sich vor allem für seinen aristokratischen Kundenkreis; Souterrain, Erdgeschoß und die ersten beiden Obergeschoße des achtgeschoßigen Gebäudes waren für den Kundenverkehr bestimmt, darüber lagen die Büros und Werkstätten, im Keller die Depots und das Maschinenhaus; Personenlifte und elektrische Beleuchtung waren selbstverständlich. Das Unternehmen war 1877 in der Mariahilfer Straße/Ecke Webgasse von den drei aus Bonyhad gebürtigen Brüdern Ludwig, Emanuel und Samuel Zwieback gegründet worden. Nach dem frühen Tod der beiden Brüder Emanuel und Ludwig erbte Ella Zirner-Zwieback die wesentlichen Teile des Unternehmens.114
Als das erste Warenhaus Wiens wird meist das Haus angeführt, das der Teppich- und Möbelstofffabrikant Eduard Haas 1865 am Stock-im-Eisen-Platz, gegenüber dem Stephansdom, eröffnet hatte. Aber eigentlich war es „nur“ ein exklusiv ausgestattetes Verkaufshaus für Teppiche und Möbelstoffe. 1886 kaufte sein Sohn Philipp Haas auch den 1883/84 nach Plänen von Karl König errichteten Philipp-Hof (ursprünglich Ziererhof). Später erwarb der leidenschaftliche Jäger auch große Waldherrschaften, u. a. das „Herrschaftsgut Teichen“ in Kalwang, und wurde 1898 mit dem Prädikat „von der Teichen“ in den Freiherrnstand erhoben.
Auf Wäsche und Kinderbekleidung spezialisierte sich Ignaz Bittmann, der im Jahre 1879 mit einem bescheidenen Laden seine geschäftliche Tätigkeit begonnen hatte. Um 1900 waren Blusen, sogenannte „Trikottaillen“, und Anzüge der Firma Bittmann bereits beliebte und gerne gekaufte Artikel. Große Sorgfalt verwendete die Firma auf die Konfektion der Kindergarderobe. Ihr „Kindermodenpalais“ in der Kärntner Straße war in der ganzen Monarchie berühmt.
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