Traumzeit für Millionäre. Roman Sandgruber
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Название: Traumzeit für Millionäre

Автор: Roman Sandgruber

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783990401842

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СКАЧАТЬ wurde der Kapitalbedarf immer größer. Das Familienunternehmen Miller & Co war schon vor dem Krieg in seiner Bedeutung zutiefst in Frage gestellt. 1927 war es bankrott.135

      Alexander Schoeller gelang es innerhalb weniger Jahrzehnte, einen breit gestreuten Industriekonzern aufzustellen, der Tuchfabriken in Brünn, die Metallwarenfabrik in Berndorf, die Messingfabrik Triestinghof, Mühlenbetriebe, die Ternitzer Stahlwerke, die Hütteldorfer Brauerei, eine Reihe von Zuckerfabriken, eine Vielzahl weiterer Industriebeteiligungen und die riesige, vormals Esterházysche Herrschaft Léva in der Slowakei umfasste. Alexander Schoeller hinterließ bei seinem Tod ein Vermögen von über 40 Mio. Gulden.136 Seine beiden Ehen blieben kinderlos. Die Erbfolge ging an die Brünner Linie mit Gustav Schoeller über. „Einigkeit in der Familie – dies ist mein Wille“, war der Schlusssatz des Testaments von Philipp Wilhelm Schoeller im Jahr 1875. Paul Schoeller war bekannt als großer Kunstsammler. Er blieb wie sein Bruder Philipp unverheiratet. Sein vor seinem Tod überlieferter Ausspruch: „Was mit mir altem Mann geschehen mag, ist einerlei, wenn nur das Haus bestehen bleibt“, drückt die Sorgen des alten, kinderlosen Mannes nach dem Zerfall des großen Wirtschaftsraums der Monarchie aus, den er nur kurz überlebte.137 Die Schoeller waren und sind eine der traditionsreichsten Industriellen-, Bankiers- und Großhändlerfamilien des Landes. Sie gehörten zu den führenden Privatbankiers und Großindustriellen im alten Österreich. In der Ersten Republik und im Nationalsozialismus kam ihnen eine mehrdeutige Rolle zu. In der Zweiten Republik wurde Ternitz verstaatlicht, gingen wesentliche Beteiligungen verloren, wurde das Privatbankhaus verkauft. Aber immer noch spielt Schoeller im Großhandel in der ersten Liga.138

      Die frühe Industrie war vor allem Textil- und Bekleidungsindustrie. Mehr als ein Drittel der Spitzenverdiener in der Industrie, insgesamt 121, waren Textilindustrielle. Was allerdings auffällt: Keine einzige der Unternehmerfamilien aus der Textilindustrie, die 1910 führend waren, ist heute noch nennenswert vertreten. Das hängt einerseits mit dem dramatischen Bedeutungsverlust zusammen, den die Textilindustrie in der Zwischenzeit erfahren hat, andererseits mit dem Kahlschlag, den die nationalsozialistische Verfolgung gerade in dieser Branche hinterlassen hat. 95 der 121 Textilmillionäre waren jüdisch.

      Die Textilindustrie war mit dem Textilhandel eng verschränkt. Gerade in dieser Branche war es möglich, die Produktion nicht nur in großen Fabriken, sondern auch in dezentraler Heimarbeit durchführen zu lassen. Heimindustrielle Spinner, Weber, Sticker, Schuster und Schneider wären aber nicht in der Lage gewesen, ihre Erzeugnisse selbst zu vermarkten. Diesen Teil und auch die Versorgung mit den Rohstoffen (Wolle oder Baumwolle) übernahmen Unternehmer. Viele dieser Verleger waren eigentlich zunächst überhaupt nur Händler, die ihr Geschäft durch ein Verlagsunternehmen ausweiteten und so von Handelsleuten zu Industriellen wurden, die sich eine Spinnerei, eine Weberei oder eine Konfektion angliederten.

      Die Baumwollindustrie ist der traditionsreichste Zweig der Industrie, wo die Industrielle Revolution begonnen hatte, mit den großen Spinnereien und mechanischen Webereien. Um 1910 gab es in Österreich etwa 130 Baumwollspinnereiunternehmen und etwa 550 Webfabriken. Über die ganze Monarchie verteilten sich die Standorte der Spinnereien und Webereien: Vom traditionsreichen Unternehmen der Leitenberger, das 1904 nach dem tragischen Verkehrsunfall des letzten Leitenberger in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war und von deren Erträgen seine Witwe 1910 noch eine Millionärsrente lukrierte, bis zu Isidor Mautner, der 1910 dabei war, den größten Textilkonzern der Habsburgermonarchie zu formen, der 1929 spektakulär zusammenbrach.

      Es sind berühmte Namen, die hinter der Textilindustrie stehen. Der Aufstieg der Dumba, von aromunisch-griechischer Herkunft, begann mit Sterpios Doumbas, der mit Baumwolle nach Österreich und mit Zucker in das Osmanische Reich handelte. Seine Söhne Nikolaus, Theodor und der kinderlose Michael St. Dumba ergänzten den Rohstoffhandel mit Spinnereien im Wiener Becken. Nikolaus Dumba galt als ein wichtiger Kunstmäzen und -sammler sowie Förderer des Wiener Musiklebens. Sein hinterlassenes Vermögen wurde auf 9 bis 10 Mio. fl geschätzt. Dabei unterschätzte der Verlassenschaftsakt den Wert seines Vermögens wahrscheinlich ganz gewaltig, vor allem was die riesigen Kunst- und Autographensammlungen betraf, aber auch die Immobilien.139

       Heute ein Industriedenkmal und eine Industrieruine: das Hauptgebäude der 1906 von Josef Broch übernommenen Baumwollspinnerei Teesdorf mit Wasserturm, errichtet 1908 – 1910.

      Mehr als ein halbes Jahrhundert später, und von ganz anderer Herkunft, aber auch aus dem Handel kommend, begann die Karriere des Josef Broch, des Vaters des Dichters Hermann Broch. Die Brochs waren Zeugen und Akteure eines ungeheuren sozialen Aufstiegs und Absturzes. Josef Broch war es innerhalb eines Jahrzehnts gelungen, vom Laufburschen zum Tex- tilmillionär aufzusteigen. Die Situation seiner elterlichen Familie in Prossnitz muss sehr schlecht gewesen sein. 1864 verließ er als Zwölfjähriger das elterliche Haus und ging nach Wien. Der Traum von der Weltstadt erfüllte sich für ihn. Anfang der 1880er Jahre galt er bereits als einer der gewiegtesten Textilhändler der Stadt. 1885 heiratete er Johanna Schnabel aus einer reichen Lederhändler- und Fabrikantenfamilie. 1907 war er in der Lage, eine ganze Etage im 2. Stock eines Hauses im Wiener Textil- und Börseviertel zu kaufen. Die Wohnung umfasste mehr als 20 Zimmer. Im selben Jahr wagte er auch den Sprung in die Industrie. Im Jahr 1906, nach einem Streik in der Spinnerei Teesdorf, den der Wiener Fabrikant Abraham M. Elias mit Militäreinsatz zu brechen versuchte und der zum Konkurs des 1803 gegründeten Unternehmens führte, griff Broch, einer der Hauptgläubiger, zu. In der Fabrik herrschten noch Zustände wie im englischen Frühkapitalismus: Kinderarbeit, desolate Fabrikswohnungen, völlig veralteter Maschinenpark. Broch investierte kräftig. Den Sohn Hermann hatte er in Wien und Mülhausen Technik und Textilmaschinenbau studieren lassen. 1907 trat dieser in die neu erworbene Fabrik ein, obwohl er wohl schon damals mehr an den schönen Künsten als an den Geschäften und Maschinen interessiert war. 1908 wurde er Direktor und führte etliche Neuerungsmaßnahmen durch: Er ließ das Spinnereigebäude in hochmoderner Betontechnik aufführen und mit Wasserturm und Sprinkleranlage ausstatten. Bis 1914 wurde das Aktienkapital des Unternehmens von 600.000 Kronen auf 1,900.000 Kronen aufgestockt. Die Aufrüstung und der Krieg steigerten den Bedarf nach Uniformstoffen. 1910 hatte Broch es zu einem Jahreseinkommen von fast 400.000 Kronen gebracht. 1915 erreichte der geschäftliche Erfolg des Unternehmens den Höhepunkt.140 Doch schon in den 1920er Jahren kam das Ende. Josef Broch musste zusehen, wie das Unternehmen von seinem Sohn Hermann verkauft wurde. Vom Verkaufserlös blieb nach der Börsenkrise nicht viel. 1937 konnte sich Hermann Broch nur mehr mühselig von den kargen Erträgen des Schriftstellerberufes durchbringen.141

       „Elegantester Wiener“: Der Hutfabrikant Peter Habig jr. mit seinen Töchtern Lucy und Maria.

      Am Tiefen Graben, mitten im boomenden Textil- und Börsenviertel des ersten Bezirks, begann 1867, gerade im rechten Augenblick, der atemberaubende Aufstieg des Isidor Mautner. Er trat in das von seinem Vater gegründete Webereiunternehmen ein, das seit 1874 als „Isaac Mautner u. Sohn“ firmierte. 1875 heiratete er die Wiener Industriellentochter Jenny Neumann, deren Eltern Mitbesitzer einer Seidenfabrik waren. Mit ihr hatte Mautner die Söhne Stephan und Konrad sowie die Töchter Katharina Breuer-Mautner und Marie Mautner-Kalbeck. 1905 wandelte Isidor Mautner seine Betriebe mit Hilfe der Boden-Credit-Anstalt in die „Österreichischen Textilwerke AG“ um und fasste sie 1912 in einer Holding zusammen: Isidor Mautner war damit Generaldirektor eines Konzerns mit 42 Fabriken und etwa 23.000 Beschäftigten, 650.000 Spindeln und mehreren tausend Webstühlen. Seine beiden Söhne Stephan und Konrad als Stellvertreter nahmen mehr dekorative Positionen ein. Konrad interessierte sich für Ausseer Volkskultur und steirische Trachten, Stephan für Malerei und Schriftstellerei. 1929 zerbrach das Mautnersche Textilimperium vor den Augen des Gründers. Sein Sohn Stephan hatte mit dem Konkurs der „Neuen Wiener Bankgesellschaft“, deren Präsident СКАЧАТЬ