Traumzeit für Millionäre. Roman Sandgruber
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Название: Traumzeit für Millionäre

Автор: Roman Sandgruber

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783990401842

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СКАЧАТЬ mehr als 4.000 Kilometer. 1908 ließ Doro Stein auch in Saloniki durch den Architekten Ernst Löwy ein imposantes Warenhausgebäude mit hervorstechender Kuppel errichten. Um 1910 hatte er auch für Alexandria Neubaupläne. Er beauftragte Adolf Loos mit der Planung. Der Entwurf hat als Aquarell im Wien Museum überlebt. 1914 verfügte Stein über die größte Warenhauskette Ägyptens (La Grande Fabrique S. Stein und Stein’s Oriental Stores Limited). Neben Kairo und Alexandria unterhielt er noch Geschäfte in Assiut und Al-Minya in Mittelägypten und in Mansura und Tanta im Nildelta. Aber er war auch in Saloniki und sogar Johannesburg tätig und hatte drei Filialen in Istanbul, zeitgleich mit oder sogar schon vor seinem großen Konkurrenten Mayer. Nahezu sprichwörtlich im ganzen Orient war der jiddische Reim: „Stein – billig und fein, Mayer – schlecht und teier“. Die Bedienung wurde als kompetent und freundlich gelobt. Die Preise, so empfahl das Reisehandbuch des Österreichischen Lloyd 1902 allen Orient-Reisenden, „welche Kleider benötigen und das lästige, zeitraubende Probieren vermeiden wollen“, seien trotz der guten Qualität der Stoffe und der eleganten Machart sehr mäßig. Im Krieg bzw. im Friedensvertrag von St. Germain gingen die ägyptischen Niederlassungen und die Londoner Firma verloren. 1925 wurde der österreichische Rest in S. Steins Söhne OHG umgewandelt und 1929 die S. Stein Export GmbH aus dem Handelsregister gestrichen. Doro Stein starb am 11. Dezember 1940 im Israelitischen Krankenhaus am Wiener Währinger Gürtel.123

      Die Dritten in der Reihe der österreichischen Warenhäuser im Orient waren Victor und Konrad Tiring. Victor Tiring war als „türkischer Schneider“ nach Wien gekommen. 1882 gründete er hier mit seinen Brüdern das Unternehmen „Victor Tiring & Brüder, Schneider und Exporteure“. Bald wurde eine Filiale in Istanbul eröffnet. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg ging der Konzern auch nach Ägypten. Direkt gegenüber dem Gebäude des größten Konkurrenten S. Stein am Ataba-el-Khadra-Platz ließ Tiring 1913/​14 von dem österreichischen Architekten Oscar Horowitz den Tiring Department Store erbauen. Heute noch immer vorhanden sind die vier Herkulesstatuen, auf deren Schultern die Glaskuppel des Kaufhauses ruhte, dazwischen in etwas verblassten lateinischen Buchstaben die Aufschrift „TIRING“. Victor Tiring, der sein Handelsimperium von der Wiener Praterstraße aus dirigierte, unterhielt neben Kairo zahlreiche weitere Niederlassungen im Orient und am Balkan. Auch hier bedeutete der Weltkrieg das Ende. Victor Tiring starb 1923 in Wien, sein Bruder Konrad mit seiner Gattin irgendwann zwischen 1942 und 1945 im Konzentrationslager Theresienstadt.124

      Auch der ferne Osten lag nicht ganz außerhalb des Blickfelds der österreichischen Kaufleute. Erwin Müller war schon 1873 nach Thailand ausgewandert und lebte dort bis nach der Jahrhundertwende. Er war Teilhaber, dann alleiniger Inhaber und Seniorchef der Importfirma „B. Grimm & Co“, die Produkte aus Deutschland, Böhmen und Wien importierte und zu deren Kunden auch der königl. Thailändische Hof gehörte. Die um 1888/​89 entstandene Siam Canals Land & Irrigation, deren Mehrheitseigentümer Erwin Müller 1893 geworden war, machte Kanalisierungs- und Bewässerungsprojekte und war in der Elektrifizierung und Verkehrserschließung des Landes aktiv. Müller blieb bis 1917 acting general manager. Er kam als reicher Mann nach Österreich zurück und versteuerte 1910 in Wien ein Jahreseinkommen von 116.873 Kronen. Das Vermögen, das er sich „ohne auch nur einen Heller“ Unterstützung aus seiner Heimat erworben hatte, stammte „ganz und gar aus fremdländischen Quellen und ohne jede Belastung der österreichischen Volkswirtschaft“, wie Müller 1920 gegenüber dem österreichischen Ministerium für Finanzen betonte, das ihn 1919 wie alle Österreicher mit einer hohen Vermögensabgabe belastete. Er konnte auch nach Kriegsende nicht mehr nach Thailand zurückkehren, obwohl er sich verzweifelt bemühte, eine Genehmigung zur Einreise zu erhalten. Sein thailändisches Vermögen war 1917 beschlagnahmt worden. Er starb 1922 wahrscheinlich nur mehr recht wenig begütert in Bad Gastein.125

      Der Kreis der österreichischen Abenteurer, die im Ausland ihr Vermögen machten, reicht bis China. Hermann Johann Mandl Edler von Manden kam 1877 nach China, wo er 30 Jahre lebte. Angeblich sei er nach dem Wiener Börsenkrach gezwungen gewesen, seine Heimat zu verlassen. Der deutsche Botschafter bezeichnete ihn als Börsenspekulanten und Schwindler. Jedenfalls galt er als eine der schillerndsten Persönlichkeiten im China-Geschäft. Der Krupp-Repräsentant Georg Baur, der von 1896 bis 1906 als Teilhaber bei Mandl & Co. fungierte, beschreibt den Wiener Geschäftsmann jüdischer Herkunft in seinen Aufzeichnungen als einen Junggesellen mit Faible für ausgefallene Krawatten, „der sich durch eine absonderliche Bartfrisur, ein Kostüm à la Wiener Gigerl mit hellblau dessiniertem Oberhemd, Schnabelschuhen und ganz maliziös farbigem Rock“ auszeichnete. Georg Baur lernte ihn trotz seiner Eigenheiten bald schätzen: „Herr Mandl hat zwar – namentlich in Beziehung auf das Weibliche – das Urteil eines Wiener Gigerls, das sonst ein sehr gesundes ist, wie er denn überhaupt ein Mensch von jedenfalls vielem natürlichem Verstand und Menschenkenntnis zu sein scheint, wenn ich auch glaube, dass er vielleicht aus Opportunitätsrücksichten manchmal etwas nach jesuitischen Grundsätzen handeln dürfte“, was immer auch „jesuitischen Grundsätze“ für einen norddeutschen Protestanten bedeuten mögen.126 „Ein gescheiter und gewandter Mensch ist er, das muss man jedes Mal wieder denken, wenn man mit ihm etwas zu tun hat“, schreibt Baur.127 Bestechung war wohl ein wesentliches Element seines Geschäftserfolgs. Mandl, der hervorragend Chinesisch sprach, begann seine Karriere bei Telge & Co. Dann leitete er das China-Büro der großen englischen Handelsfirma Jardine, Matheson & Co. 1886 erhielt er die Vertretung für Krupp-Produkte in China und gründete ein Jahr später seine eigene Firma H. Mandl & Co. Nach 1888 war Mandl de facto Alleinvertreter für Kruppsche Produkte in China, sowohl für Kriegsmaterial und Geschütze wie auch für Friedensmaterial, vor allem Eisenbahngerät. Mandl hatte auch die Generalvertretung für Steyr-Mannlicher-Gewehre in China und übernahm die China-Vertretung für Siemens & Halske; auch an mexikanischen Minen war er beteiligt. Er agierte als Lobbyist, mit Bestechungsgeldern, Wiener Charme und dicht behängter Ordensbrust. Immer wieder geriet er zwischen die Fronten der Gegner, so im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg und im Russisch-Japanischen Krieg. Nach 1894 ließ sich Mandl formal in Paris und Hamburg nieder. 1907 kehrte er nach Wien zurück, mit einem Berg von Kunstwerken und Kunsthandwerk im Gepäck, mit dem er die Wiener Museen reichlich bedachte. 1909 wurde er dafür mit der Nobilitierung bedankt.

      Angesichts der Vermögen, die einzelne unternehmungslustige Österreicher im Nahen und Fernen Osten zu schaffen vermochten, wird deutlich, wie negativ sich Österreichs geringe Repräsentanz auf internationalen Märkten für seine Exportwirtschaft auswirkte, verglichen mit der hohen Dichte englischer oder französischer oder selbst auch deutscher Unternehmen auf diesen Märkten.

      „Sie kennen ihn ja!“, sagt Genia über ihren Mann, den Fabrikanten Hofreiter in Schnitzlers Weitem Land: „Seine neuen Glühlichter müssen die Welt erobern, sonst macht ihm die ganze Sache keinen Spaß.“ Schnitzler porträtierte in der Gestalt des Friedrich Hofreiter das allgemeine Prinzip des Kapitalismus und im Speziellen den Industriellen Louis Friedmann, Gesellschafter der Fa. Alexander Friedmann. Diese erzeugte jedoch keine Glühlampen, sondern Armaturen, Ventile und Pumpen für Dampflokomotiven. Mit rastlosem Einsatz hatte Alexander Friedmann sen. das Unternehmen aufgebaut. Dieselbe Rastlosigkeit prägte auch die beiden Söhne, als Unternehmer, Innovatoren, Bergsteiger, Sportler, Kunstförderer, Parlamentarier und Interessenvertreter.128

      Während der zu Ende gehende Habsburgerstaat und seine Hauptstadt für ihre Beiträge zur Geburt der Moderne in Architektur, Literatur, Malerei, Musik und Design oder auch in Medizin und Natur- sowie Geisteswissenschaften gefeiert werden, wird der Beitrag zur technischen und industriellen Entwicklung meist negiert. Doch diese Beiträge stellen sich sehr vielfältig dar: in der Schwerindustrie und Waffentechnik ebenso wie in der Nachrichtenübermittlung, Lebensmittelindustrie, Kleiderkonfektion, Erdölraffinerie oder Papiererzeugung. Multinationale Unternehmen waren im Aufbau. Erfindungen wurden gemacht, Patente wurden angemeldet, Auslandsniederlassungen aufgebaut.

      Die Übergänge von den Banken zum Handel ebenso СКАЧАТЬ