Paul McCartney - Die Biografie. Peter Ames Carlin
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Paul McCartney - Die Biografie - Peter Ames Carlin страница 10

СКАЧАТЬ Big Bands und Jazzcombos mit leichtem Programm. Falls man in den heiligen Hallen der BBC überhaupt schon etwas von Rock ’n’ Roll gehört hatte, dann beabsichtigten die ältlichen Programmchefs ganz sicher nicht, irgendetwas davon in die ruhigen Wohnzimmer des Britischen Empires zu übertragen.

      Und so mussten alle Rock-Interessierten selbst herausfinden, wie sie an ihre Musik herankommen konnten. Vielleicht war schon das der halbe Spaß – Rock ’n’ Roll war nicht nur mitreißend, er war auch schwer zu fassen. Die richtig entschlossenen Fans nahmen die Mühe auf sich, nach Einbruch der Nacht den Mittelwellenempfänger ihres Radios auf das 208 Meter-Band einzustellen, bis endlich das knisternde Signal von Radio Luxemburg zu hören war. Die auf Englisch moderierten Sendungen, in denen populäre Musik gespielt wurde, gab es nur nachts, und die Übertragung hing vom Wetter und den Unwägbarkeiten der Radiowellen ab. Dennoch waren Paul und Mike bald besessen von den späten Sendungen, und oft blieben sie auf, nachdem Jim sie schon längst aufgefordert hatte, ins Bett zu gehen, und drängten sich beide um das Radio. Schließlich bastelte Vater McCartney seinen Jungs zwei provisorische Kopfhörer mit Kabeln, die lang genug waren, dass sie bis in die Kinderzimmer reichten, sodass die beiden das Programm im Bett verfolgen konnten, und der schwach aus dem Äther dringende Sound aus jaulenden Gitarren, treibendem Schlagzeug und heulenden Gesängen wurde zur Brücke zwischen ihrem Alltag und ihren Träumen. „Ich liebte Musik“, erinnerte sich Paul einmal an diese frühen, von Elvis-Begeisterung durchdrungenen Tage. „Wenn es uns dreckig ging, dann gingen wir nach Hause und hörten ‚Don’t Be Cruel‘, und dann ging’s uns wieder gut. Das konnte jede miese Stimmung vertreiben.“29

      Aber Paul hörte nicht nur zu. Er wollte diese Musik in Händen halten, diesen Sound selbst produzieren und ihn selber fühlen. Da kam ihm die kleine Akustikgitarre, die er im Sommer zuvor zum Geburtstag bekommen hatte, gerade recht. Es war eine billige Massenproduktion namens Zenith, mit hohem Steg und einem Hals, der stets so aussah, als würde er jeden Augenblick durch die Saitenspannung abbrechen. Zunächst fand Paul es beinahe unmöglich, das Instrument zu spielen; die Finger seiner linken Hand irrten über das Griffbrett und weigerten sich, die Geschicklichkeit zu entwickeln, die auch nur für die einfachsten Griffe nötig war. Er wusste nicht, wie er etwas daran ändern sollte, bis er in einer Zeitschrift ein Foto des Country­musikers Slim Whitman sah, der seine Gitarre andersherum hielt als alle anderen Instrumentalisten auf der Bühne. Natürlich! Er war auch Linkshänder! Paul erkannte, dass er alles umbauen musste – die Saiten andersherum aufziehen und die Gitarre drehen, damit er mit der rechten Hand greifen konnte. Von diesem Augenblick an wurde die Zenith das Zentrum, um das sich sein ganzes Leben drehte. Stundenlang hielt er die Gitarre im Arm, den Kopf über den geschwungenen Korpus gebeugt, während seine Fingerspitzen über die Saiten huschten, Töne fanden und sie zu den richtigen Griffen zusammensetzten. Er sang leise vor sich hin, Songs, die er im Radio gehört hatte, und versuchte, sich in dem Spielraum zwischen dem, was in seinem Kopf herumspukte, und dem Geräusch, das von den Saiten der Zenith drang, zurechtzufinden. Damit konnte er Stunden zubringen, und nichts anderes war ihm mehr wichtig. Seine Hausaufgaben blieben unerledigt. Seine Comics fasste er nicht mehr an. „Er war ganz darin versunken“, erinnerte sich Mike. „Er vergaß sogar zu essen und dachte an nichts anderes mehr.“30

      Wenn man Paul suchte, fand man unweigerlich auch die Zenith. Sie lag auf seinem Schoß, wenn er im Wohnzimmer fernsah. Oder über seiner Brust, wenn man ihn in seinem Zimmer aufsuchte. Sie erschallte aus dem Klo und aus dem Badezimmer, und die Akkorde wurden dabei allmählich klarer, die Melodiebögen länger und sicherer. Schließlich kam das, was man sonst vom Plattenspieler hörte, nun auch aus Pauls Gitarre, begleitet von seiner eigenen klaren und immer kräftiger werdenden Stimme. Well, I’ve got a girl with a record machine, when it come’s to rockin’ she’s the queen … Das war wie Zauberei! Eine Platte zu hören, das war eine Sache, aber ein Lied mit den eigenen Fingern heraufzubeschwören, das war, als spränge man in die Musik hinein und würde selbst zu diesem Lied. Die ganze Freude und Erregung, die der Sound vermittelte, eignete man sich ebenfalls an. Wenn Pauls eigene Gefühle übermächtig wurden, konnte er immer die Gitarre zur Hand nehmen und die Musik einsetzen, um sie entweder aus seinem Kopf zu verbannen oder aber sie durch seine Hände fließen zu lassen, in den Rhythmus und dann aus ihm heraus.

      Eines Nachmittags saß er über die Gitarre gebeugt da und spielte immer wieder dieselben Akkorde. G, G7, C. Nichts Besonderes, eine ganz schlichte Akkordfolge. Als er sie mit dem Rhythmus eines Country-Shuffle versah, erinnerte es ihn an etwas, das Buddy Holly hätte schreiben können – eine lebhafte Melodie über ein ganz normales Mädchen, dessen gewinnendes Lächeln einem unvermittelt das Herz brechen kann. Daraus konnte man doch einen Song machen, einfach so! Also blieb er dran, schlug die Akkorde, sang den Text, der ihm schon eingefallen war, und summte an den Stellen, wo ihm noch die Worte fehlten. „Irgendetwas brachte mich dazu, ob ich nun wusste, wie es ging, oder nicht.“31

      I woke up this morning, my head was in a whirl …

      Paul spielte es immer wieder und wieder, sang die Strophe zunächst mit einer aufsteigenden Melodie, dann mit einer absteigenden. Was hörte sich besser an? Er konnte sich nicht entscheiden, daher nahm er die erste Variante für die erste Strophe und die andere für die zweite. Was konnte er sonst noch hinzufügen? Paul dachte an seine Lieblingsplatten. Der abrupte Rhythmus von „Twenty Flight Rock“, Buddy Hollys wortlose, abgehackte Seufzer. Auch die brachte er in den Song ein, und obwohl er nie dazu kam, einen kompletten Refrain zu schreiben (die Strophen erreichen ihren Höhepunkt, indem die Titelzeile wiederholt wird, und dann folgt ein langer Seufzer von vier Taktschlägen) – er wusste doch, dass er etwas geschaffen hatte, als er fertig war. Nicht viel vielleicht. Aber immerhin etwas.

      „Es ist ein komischer, platter kleiner Song“, sagte Paul viele Jahre später32. Aber er vergaß ihn nie, und selbst Jahrzehnte später spielte er ihn gern neben seinen vielen Klassikern, wenn er auf einer der Bühnen irgendwo auf der Welt auftrat. Es war natürlich eine nostalgische Geste, und er legte stets Wert darauf, selbst eine gewisse ironische Distanz zu seinem unreifen, jungen Ich zu schaffen. „Her hair wouldn’t curl – Ihr Haar wollte sich nicht locken?“, sagte er kopfschüttelnd. Aber das Spielen seiner allerersten Komposition brachte ihn wieder zu seinen eigenen Wurzeln zurück, zu jenen Augenblicken, als der trauernde Teenager zuerst versuchte, seine Gefühle in Musik zu fassen. Ganz gleich, wie substanzlos der Song sein mag, die Bedeutung des traurigen Titels ist nicht zu übersehen: „I Lost My Little Girl“.

      Wie bei so vielen großen Dingen begann auch hier alles mit einer kleinen, spontan geäußerten Idee. Ivan Vaughan schlug vor, dass Paul zu einer Party mitkommen sollte, um sich dort die Band seines Freundes anzuhören. Es war nicht weit, die steinernen Mauern der Gemeindekirche St. Peter’s Parish Church erhoben sich auf dem Hügel ganz in der Nähe von Ivans Haus in Woolton. Er ging schon seit Jahren zu den samstäglichen Gartenfesten dort, machte bei den Karnevalsspielen mit, sah der Parade zu und kaufte sich Süßigkeiten und Limonade, die auf dem Kirchhof angeboten wurden. Aber für die älteren Jungen war dieses Fest auch aus anderen Gründen interessant. Es würden Mädchen da sein, ganze Schwärme von Mädchen, und es gab auch Musik. Es spielte zum Beispiel, fügte Ivan hinzu, auch die Skiffleband von seinem Nachbar John Lennon. Kannte Paul ihn vielleicht schon? Die Band hieß The Quarrymen, nach der Quarry Bank Grammar School, jener Oberschule, die der Großteil der Bandmitglieder besuchte. Ivan spielte gelegentlich auch mit, wenn Len Garry, der normalerweise den Bass übernahm, keine Zeit hatte. (Auf den Riemen seiner Bassgitarre hatte er geschrieben: Jive with Ive – Jive mit Ive. The Ace on the Bass – Das Ass am Bass.) Also, wie wäre das?

      Paul hatte immer Lust auf Partys – auch das war eine Eigenschaft, die er vom Gründer der Jim Mac’s Band geerbt hatte – umso mehr noch, wenn dort viele Mädchen sein würden. Die Aussicht, ein paar andere aufstrebende Musiker zu treffen, machte die Sache noch spannender. Die Quarrymen hatten ihren ersten Auftritt um viertel nach vier, also machte sich Paul am frühen Nachmittag langsam fertig, schlüpfte in die besonders engen, schwarzen Röhrenjeans und zog seine weiße Sportjacke an, deren Taschen mit modischen Klappen versehen waren und deren Stoff aus reflektierenden, fast silbernen Fäden bestand, die im Licht schimmerten. Da es ziemlich warm war, fixierte СКАЧАТЬ