Paul McCartney - Die Biografie. Peter Ames Carlin
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СКАЧАТЬ lernen. Wenn du ein Instrument spielen kannst, dann wird man dich zu jeder Feier einladen.“

      Der Junge nahm sich den Rat zu Herzen, ebenso, wie Jim ihn befolgt hatte, als sein eigener Vater ihm lange Jahre zuvor das Gleiche gesagt hatte. Sie nahmen einander ernst, die McCartneys. Vielleicht, weil sie immer schon zu arm gewesen waren, als dass ihnen Außenstehende viel Respekt entgegengebracht hätten. So war es immer schon gewesen, seit die ersten McCartneys aus Irland nach Liverpool gekommen waren, wie die meisten Einwanderer mit wenig mehr als den Kleidern, die sie am Leib trugen, und ihrer Muskelkraft, dazu große Hoffnungen und den Kopf voller Ideen, die ihnen dabei helfen mochten, die Vergangenheit abzustreifen und in eine selbstbestimmte Zukunft aufzubrechen.

      Man kann nur spekulieren, was die McCartneys dazu bewog, diese Reise anzutreten. Leichter ist es zu beschreiben, was sie vorfanden, als sie ankamen. Liverpool war eine blühende Hafenstadt im Nordwesten Englands an der Mündung des Mersey, jenes Flusslaufs, der wie ein Meeresarm des Atlantiks ins Landesinnere ragt. Liverpool war gewissermaßen das Sprungbrett nach England und dem dahinter liegenden Europa. Am Ufer des Flusses entlang erstreckten sich die Hafenanlagen, und dicht anein­andergedrängt legten hier die Schiffe an, die Zucker, Rum, Tabak und Baumwolle brachten und mit Textilien, abgepackten Nahrungsmitteln und Fertigwaren wieder davonfuhren. Liverpool war zudem ein Anlaufpunkt für die Sklavenschiffe, die von Afrika in die Vereinigten Staaten unterwegs waren und hier ihre Vorräte auffüllten. Dadurch entstand ein so enges kulturelles und wirtschaftliches Band, dass die Regierung der Amerikanischen Konföderation eine inoffizielle Botschaft in der Stadt unterhielt.

      Während manche noch nach Liverpool einwanderten, wanderten andere schon wieder aus, um sich an den unbevölkerten Ufern der Neuen Welt oder im sonnigen, leeren Australien niederzulassen. Jene, die blieben, fanden ihr Auskommen – manchmal ein sehr einträgliches – im Liverpooler Handel. Vor allem, als die vom Hafen gestützte Wirtschaft in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebte. Besucher staunten über die imposante neoklassizistische Architektur, die Hochbahn und die kosmopolitische Atmosphäre der Stadt. Aus den Türen der Restau­rants drangen die Wohlgerüche der Karibik, Asiens und Afrikas. Das Adelphi Hotel, das Juwel unter den georgianischen Bauten oberhalb des Stadtzentrums an der Lime Street, war wegen seiner luxuriösen Zimmer und der Schildkrötensuppe, die man im Restaurant bereitete, weltberühmt. Charles Dickens nannte es das beste Hotel der Welt.

      Was in London exotisch oder schlicht bizarr gewirkt hätte, sorgte am Mersey nicht einmal für hochgezogene Augenbrauen. Afrikaner gingen Arm in Arm mit blassen Damen in der Stadt spazieren, und niemand fand das merkwürdig. Schon früh wurde in Liverpool der Jazz bekannt, der direkt aus den verrufensten Bezirken von New Orleans und New York kam und sich am Mersey häuslich niederließ. Ein Jazzclub nannte sich Storyville, nach dem berüchtigten Rotlichtviertel von New Orleans. Amerikanische Country-Musik war sehr beliebt, ebenso wie Folk, der mit seinem Mix aus schlicht erzählten Geschichten, einfachen musikalischen Strukturen und sozialistischen Untertönen ein Revival erlebte. Musik war in Liverpool etwas ganz Selbstverständliches. Die Stadt war „mehr als nur ein Ort, an dem Musik entsteht“, schrieb der dort aufgewachsene Journalist Paul Du Noyer einmal sehr treffend. „Liverpool ist ein Grund, weshalb Musik entsteht.“1

      Genau so war es im Haus der McCartneys. Dort entstand ständig Musik. Jedes Lied hatte eine Geschichte, und jede Geschichte kam mit einem Lied daher. Das war schon bei dem Patriarchen Joe McCartney so, der das alte englische Basshorn spielte. Er wurde 1866 hier in Liverpool geboren, im Stadtteil Everton, um genau zu sein. Man stelle sich das Leben zu dieser Zeit nur einmal vor: Pferde und Kutschen, endlose harte Arbeit und kaum nennenswerter Lohn. Heute noch macht es den Anschein, als sei Everton nicht gerade die feinste Gegend, aber damals wusste jeder, dass es der schlimmste Slum in ganz England war. Dennoch fand Joe Arbeit in Cope’s Tabak­lager und schuftete dort jahrelang. Er schnitt Tabakblätter, schob sie zusammen und rollte sie. Manchmal verfing sich eine ordentliche Portion davon in den Aufschlägen seiner Hosen. Keine Ahnung, wie der Tabak dort hingelangt war (na, ihr wisst schon), aber irgendwie war er wohl dort hineingerutscht. Was sollte Joe machen, er hob ihn auf. Manchmal hatte er am Ende der Woche so viel zusammen, dass er ein oder zwei Zigarren daraus rollen konnte, um sie einem Freund an der Ecke zu verkaufen und ein paar Pennys zusätzlich für den Unterhalt der Familie zusammenzubekommen.

      Es war eine bemerkenswerte Familie. 1896 hatte Joe Florrie Clegg geheiratet, und es dauerte nicht lange, bis sich Nachwuchs einstellte. Joe und Florrie hatten neun Kinder, von denen sieben das Säuglingsalter überlebten, und das bedeutete, dass eine Menge kleiner McCartneys in Everton herumliefen. Und sie waren dabei nicht gerade leise. Egal, wie voll es im Haus sein mochte, die Tür der Familie stand meistens offen, und wenn das der Fall war, dann drang Musik heraus. Joe spielte Basshorn in der Bläsergruppe seines Viertels, und deshalb schauten öfter Freunde und Bandkollegen vorbei, um ein wenig zu musizieren und Tee zu trinken – oder auch etwas Stärkeres, wenn sie richtig in Stimmung kamen. Joe selbst bevorzugte Limonade, aber er hielt nie andere davon ab, sich zu amüsieren. Florrie hielt die Küche in Gang, begrüßte die Gäste, goss Tee auf und machte Welsh Rarebit, Toast mit Käsesoße, zur Stärkung. Abends standen die Türen meist weit offen. Die Musik war bis auf die Straße zu hören, Freunde und Nachbarn unterhielten sich auf dem Hof und tanzten.

      So war das bei den McCartneys in der Solva Street in Everton. Mochte ja sein, dass die männlichen McCartneys dazu bestimmt waren, ihr Leben als Tagelöhner zu fristen oder als Arbeiter in der Fabrik eines reichen Mannes für ein paar Pennys zu malochen. Aber vielleicht konnte man mit einem bisschen Glück und harter Arbeit etwas Besseres finden. Und vielleicht war es auch in Ordnung, wenn man währenddessen ein bisschen Spaß hatte.

      Das waren Weisheiten, wie Joe McCartney sie an seine Kinder weitergab, und sein Zweitältester, James, der am 7. Juli 1902 zur Welt kam, nahm sie in sich auf. Er war ein gutaussehender, liebenswerter Junge, der mit einer Adlernase und schmalen Augenbrauen gesegnet war, deren auffällige Bogenform ihm den Anschein gab, er sei ständig über irgendetwas erfreut, was bei seiner lustigen Art auch meist zutraf. James – oder Jim, wie er genannt wurde – passte im Unterricht an der Steer Street School in Everton gut auf und folgte dem Vorbild seines alten Herrn, indem er Trompete lernte. Als ein Nachbar der Familie ein ramponiertes, altes Klavier überließ, das aus dem NEMS-Musikgeschäft der Familie Epstein stammte, fühlte sich Jim von den Tasten magisch angezogen. Er brachte sich genug Noten und Akkorde bei, um etwas beitragen zu können, wenn die Türen offen standen und die Hausmusik begann. Als es an der Zeit war, dass sich der Schuljunge nebenher eine Arbeit suchte, um auch finanziell etwas zum Unterhalt beizusteuern, nahm Jim einen Job am nahe gelegenen Theatre Royal, einem Vaudeville-Theater, an. Er verkaufte vor den Vorstellungen Programme, um dann später, wenn die Show im Gange war, oben auf dem Balkon die Bühnenbeleuchtung zu betreuen. Wenn der Vorhang gefallen war, suchte der Junge die Gänge nach weggeworfenen Programmen ab, die er dann mit nach Hause nahm, um sie wieder aufzupolieren (feucht abwischen und einmal bügeln reichte in der Regel) und am nächsten Abend erneut zu verkaufen.

      Jim verließ die Schule mit vierzehn und kam dann beim Baumwollkontor A. Hannay & Co. unter, brachte Stoffproben vom Markt zum Lager und zurück und verdiente sechs Schilling die Woche. Es war ein reiner Laufburschenjob, aber Jim McCartney zeigte dabei so viel Eifer und Initiative, dass er seinen Chefs auffiel. Vielleicht taugte dieser Junge doch zu etwas Besserem als zu den niedrigsten Jobs im Betrieb. Jim biss sich durch, kletterte die Karriereleiter beharrlich weiter hinauf und wurde schließlich, vierzehn Jahre später, von der Geschäftsführung aus dem Lager in den Verkauf befördert. Es kam höchst selten vor, dass ein Arbeiterjunge in die Schlips-und-Kragen-Ränge aufsteigen durfte. Für einen Jungen aus der Unterschicht ohne besonders viel Bildung war das ein ziemlich großer Sprung. Die Familie war äußerst erfreut.

      Kleinvieh macht auch Mist! Mäßigung und Toleranz! Für Jim lag der Schlüssel zum Leben in zwei ganz einfachen Dingen: gesundem Menschenverstand und guter Laune. Er machte seine Arbeit, erfüllte seine Pflichten und hatte nebenbei so viel Spaß wie möglich. Er war gewitzt und lustig und genoss es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Jim McCartney war in seinem Viertel, in Everton, sogar eine Art Legende, СКАЧАТЬ