Bunty. Halwart Schrader
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Название: Bunty

Автор: Halwart Schrader

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Mensch, Maschine, Abenteuer

isbn: 9783942153249

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СКАЧАТЬ zurückkehrt, wird sie in Leek Station machen und Einkäufe mitbringen. Es ist fast nichts im Hause. Ich vergaß, Hazel um ein paar Besorgungen zu bitten. Hazel musst du kennenlernen! Wir müssen den Tee jetzt schwarz nehmen, Milch ist seit gestern nicht mehr da, sorry, my dear, Mabel ist so unzuverlässig! In Portugal habe ich einmal, äääh, mmmh, also das muss um 1954 gewesen sein, also da gab es einen schwarzen Tee, warte mal, äääh, wie hieß er doch, den hatten sie aus Mexiko importiert, nein aus Guatemala natürlich, dort gilt er als Rauschmittel, einfach wundervoll …« und so geht es pausenlos in Girlanden und Mäandern weiter. Ich komme nicht zu Wort, kann meine Fragen nicht loswerden, muss statt dessen den mit so viel Liebenswürdigkeit vorgetragenen Wünschen des alten Herrn Folge leisten: »Die Heizsonne bitte etwas mehr zu meinem kranken Fuß bitte, ja so ist es schön. Geh’ bitte in die Küche und mach’ das Licht wieder aus, sei so gut! Wir müssen sparen in diesen schlechten Zeiten, die Regierung besteht nur aus Halunken und die Strompreise sind inzwischen geradezu astronomisch! Oh, hätten wir nur euren Kanzler Adenauer, aber der soll ja zurückgetreten sein, wie ich hörte … Und jetzt schau doch mal, ob du die Portweinflasche findest dahinten, nein, nein nicht dort, mehr links muss Averil den Port wohl versteckt haben, oder doch rechts, und irgendwo wirst du sicher auch Gläser entdecken, die wird sie doch nicht ebenfalls versteckt haben. So etwas bringt höchstens Mabel fertig, the stupid cleaner girl. Oder hast du bei deinem Abflug eine zollfreie Flasche im Duty Free gekauft? Alle meine Freunde aus dem Ausland bringen immer eine Flasche aus dem Duty Free mit, wenn sie mich besuchen kommen!«

      Daran habe ich nicht gedacht. Mein Gastgeschenk für Bunty ist ein Buch über die Frauenkirche in München, auf Englisch. Es interessiert ihn sehr, er blättert es durch. »Ich liebe München. Auch wenn man mich dort 1933 für einen persönlichen Freund Hitlers gehalten hat, was mir fürchterlich unangenehm war, aber ich hatte keine Chance, diesen Irrtum aufzuklären. Und Architekturgeschichte ist meine Leidenschaft! Während meiner vielen Reisen habe ich auch Notre Dame in Paris und die Kathedrale von Reims, den Stephansdom in Wien und den äääh, ich meine, es war wohl doch das Münster in Straßburg …« und so weiter …

      Während wir uns nach dem letzten Keks und meinem etwas zu stark geratenen Tee einen Port »Tawny Rich« genehmigen, komme ich endlich dazu, meine ersten Fragen los zu werden: Bunty, stimmt es, dass du das größte Sortiment der Welt an gebrauchten Rolls-Royce anzubieten hast? Wo befinden sich die Autos alle? Darf ich sie morgen sehen und einige von ihnen fotografieren?

      Bunty geht auf keine meiner Fragen ein. »Ich muss dir erst einmal die Geschichte von dem komischen Argentinier erzählen, der letzte Woche hier war, um einen Silver Dawn zu kaufen. Aber erst noch einen kleinen Port, bitte. Ich nehme an, du möchtest lieber keinen mehr? Aber wenn schon, dann bedien dich nur … Also: der gute Mann kam aus Buenos Aires, oder aus Bahia Blanca, was weiß ich. Er war jedenfalls ein Emigrant, ein gebürtiger Rumäne, das bemerkte ich sofort. Ich kenne ganz Rumänien, und auf der Donau, wo sie durch Rumänien fließt, war ich mit dem Schnellboot unterwegs, 1941/42. Und mit einem Lincoln natürlich. Oh, was für eine wundervolle Zeit, mein Lieber, wir haben so viel Wodka gehabt, wie wir nur wollten. Wir mussten uns lediglich vor den Deutschen in Acht nehmen.« Die Geschichte ist sicher reich an Pointen, aber ich kann ihrem Verlauf nicht ganz folgen, weil sich meine Gedanken um meine Story drehen, die ich schreiben möchte. Außerdem hört Buntys Story um den rumänischen Argentinier abrupt und offenbar kurz vor einer wichtigen Aussage auf, weil ihrem Erzähler Stimme und Faden abhanden gekommen sind und sein Kopf ganz sachte auf die Brust sinkt. Das Mäander hat sich irgendwo verhakt, und Bunty ist dabei, einzuschlafen, das geleerte Portweinglas in der Hand. Jetzt könnte ich mir ja auch noch einen zweiten genehmigen … aber schon zuckt der Schnauzer, Bunty hebt den Kopf und gähnt, stellt das Glas neben sich, zieht seine knallroten Hosenträger unter dem Jackett zurecht, reibt sich das Knubbelkinn und guckt mich an.

      Was jetzt?

      »Let’s call it a day, my friend!« flüstert er und reibt sich die Augen.

      Ich helfe ihm auf die Beine, denn der Mann muss ja irgendwie ins Bett. Warum er einen Fuß in Gips hat, habe ich bis jetzt nicht erfahren können. Es ist elf Uhr. Die antike Elektrosonne muss auf Buntys Anweisung ins Schlafgemach, dessen Temperatur ebenso niedrig ist wie im Living Room, und hier werde ich mit der gewaltigsten Bettstatt konfrontiert, die ich je gesehen habe. Ein Monstrum wie aus einer Persiflage auf eine Richard-Wagner-Oper, recht kurz zwar, aber mit einem riesengroßen Kopfteil, mit Ornamenten und Figuren und allegorischem Dekor der kitschigsten Art. Es sind Scharniere zu sehen, die erkennen lassen, dass die doppelschläfrige Konstruktion sogar zusammenklappbar ist. Ein Wunderwerk der Möbelbaukunst des späten neunzehnten Jahrhunderts.

      »Oh, vielen Dank, du bist zu gütig …« aber ausziehen könne er sich schon allein, sagt Bunty, doch ich habe den Eindruck, er will sich unausgekleidet zu Bett begeben. Und da ich ja wohl ebenfalls müde sei, so möge ich mich doch in den ersten Stock begeben, in das Zimmer mit der gelben Tür, das sei das seines Sohnes Ambrose, der sich seit einem halben Jahr in Frankreich aufhalte, um dort die Kunst des Weinbaus zu studieren, Chardonnay and things like that, oh how wonderful, und ein Badezimmer gebe es oben ebenfalls. »Aber du kannst auch gern noch ein wenig hier unten bleiben und etwas lesen, nur ist leider der elektrische Strom bei uns so teuer, you know, und nun gute Nacht, mein Junge, see you tomorrow morning!«

      Ambrose hat sein Knabenzimmer so verlassen, als habe es sich um eine spontane Flucht gehandelt, ohne Zeit zum Kofferpacken. Die mir anempfohlene Bettstatt entdecke ich im Schein einer 15-Watt-Glühbirne hinter Bergen von Klamotten, die jemand – vielleicht war’s gar nicht Ambrose, sondern sein Bruder Humphrey? – aus mehreren Kleiderschränken auf den Boden geworfen hat, dazwischen liegen ausgestopfte Vogelbälge, Teile einer Campingausrüstung, Bergstiefel, eine Ingwerwurzel, Bücher und ein Experimentierkasten für den »Kleinen Chemiker von 10 bis 14 Jahren«, der nicht weniger stinkt als das seit vermutlich mehreren Wochen ungemachte Bett.

      Bevor ich mich hinlege, unternehme ich den Versuch, mir die Zähne zu putzen, denn es gibt immerhin ein Waschbecken in diesem Zimmer. Aus einem Röhrchen darüber, das aus der Brokat-Tapete ragt, tröpfelt sogar Wasser, wenn man mit dem Schraubenschlüssel, der im Becken vor sich hin rostet, eine Überwurfmutter aufdreht, die das Rohr verschließt. Ob der Schraubenschlüssel aus einem Rolls-Royce-Werkzeugkasten stammt, könnte ich morgen bei Tageslicht prüfen. Ich bezweifle es – würde er sonst rosten können?

      Beim Einnschlafen beschäftigt mich die von Psychologen so gern gestellte Frage, in meiner Situation auf Bunty angewendet: Würden Sie von diesem Herrn einen Gebrauchtwagen kaufen?

      Für mich ist diese Frage ohne Belang. Denn durchschnittlich zwei Mal pro Woche, so erfahre ich am kommenden Tag, verkaufen Bunty, Hazel, Bernard oder Eddie ein Auto aus dem Scott-Moncrieff’schen Bestand an jemanden, der die Psychofrage durch seine Unterschrift bei gleichzeitiger Transaktion von Barem oder eines Schecks ganz klar mit »Ja« beantwortet.

      Ganz Großbritannien ist voller Merkwürdigkeiten. Bunty ist eine von ihnen.

      Obwohl ich mehrere Male bei den Scott-Moncrieffs zu Gast war, bin ich Ambrose, von dem so oft die Rede war, nie begegnet. Erst im Jahre 2012 sah ich ihn von Angesicht zu Angesicht – im Internet. Er gab ein Interview über seinen beruflichen Werdegang und womit man als Gemälderestaurator zu tun hat. Er sah seinem Vater sehr ähnlich, auch sprach er (fast) wie Bunty. Ich musste unwillkürlich lächeln und daran denken, dass ich mal in seinem ungemachten Bett geschlafen und an seinem Waschbecken versucht habe, mir die Zähne zu putzen.

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      Etliche in den Tiefschlaf versetzte Luxusautowracks vor der Gartenpforte, ein wasserloser Goldfischteich und ein paar im Nebel der englischen Midlands dezent abtauchende Wellblechschuppen: Ein Ambiente, welches sich dem fremden Gast, der das versteckt gelegene Rock Cottage in einer Novembernacht aufsucht, doppelt so makaber darbietet wie am Tage.

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