Die Grünen. Marius Ivaskevicius
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Название: Die Grünen

Автор: Marius Ivaskevicius

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Literatur aus Litauen

isbn: 9783898968508

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СКАЧАТЬ zwischen ihm und mir hin und her und sagte immer wieder »Sieg« und Ähnliches. Ich fragte ihn, ob er auch alles richtig gelesen habe auf diesem Papier und er antwortete in etwa so: »Auch was zwischen den Zeilen steht, Wassili. Dass du heiraten sollst. Marinuschka. Pech für Wassili: kam und der Krieg – in zwei Tagen … Unter einer Leiter fand er den Sieg. Drück das Ohr hier an die Wand, wenn Afanassi diesen Hundesohn nach oben zieht. Die Erde wird erleichtert aufseufzen. Vielleicht auch nicht, vielleicht wird es nicht deutlich zu hören sein, dann werde ich aufatmen. Es ist Zeit, dass du heiratest. Denn beim nächsten Mal wird die Explosion nicht so tief unten stattfinden und dir etwas abreißen, sodass du nicht mehr heiraten kannst.«

      Ihr seht ja selbst, was für ein Mensch das war.

      Er war es denn auch, der die Sache mit Marja Petrowna, mit Marinuschka, in Gang gebracht hatte, mit seinen Lippen sprach jetzt offenbar sein Gehirn, überzeugend, doch nicht sehr intelligent, wie sich später herausstellte, hatten wir diesen Pass und Marja Petrowna ganz umsonst gekreuzt.

      Marja Petrowna, Verhörrichterin; und jetzt spreche ich in der dritten Person. Sie hatte uns keinen LKW gegeben. Ich hatte sie genau fünf Minuten lang gesehen und dann später diese Stunde. Marja Petrowna ist eine beeindruckende Frau, nicht so sehr, dass man sie sich in fünf Minuten merkte, doch über eine längere Zeit fiel sie einem ins Auge, von wo aus alle Wegweiser, na ihr wisst schon, wohin die von dort führen. Bis wir also zum Bunker kamen, hatte ich schon beinahe in Marja Petrowna verliebt. Und dann händigte mir Rapolas auch noch Žemaitis fast wie eine Blüte aus, die ich ihr auf den Finger stecken konnte, wie die fehlende Stunde, in der sie mich nicht gesehen hatte.

      Wir luden die Leichen auf den Wagen. Dann Žemaitis. Sein Hirn war beschädigt. Dort musste es wohl dröhnen, denn er hörte uns nicht, bewegte nur die Nüstern und hob und senkte den Arm, als wir auf den Sieg Spiritus tranken und die Flasche kreisen ließen. Am Fluss befahl ich anzuhalten.

      »Ein Fluss«, sagte ich.

      In Woroschilowo gibt es ebenso einen, wir hatten ihn gestaut, das Wehr brach. Nur ist dort die Erde ruhiger. Obwohl, der Fluss ist vielleicht genauso einer. Aber hier ist die Erde böse.

      Ich trank einen ordentlichen Schluck. »Was für ein Sieg wäre das«, dachte ich bei mir. Als die Männer Berlin einnahmen, lag ich im Krankenhaus. Dann kam Lebedew zu Besuch. »Schwester, ich weiß«, flechte ich, »die Männer haben Berlin … Also wenigstens einen Löffel voll Spiritus.« Sie sagte: »Den nackten Oberschenkel darfst du berühren, Spiritus gibt’s keinen«. »Dann, du schönes Ding, sauge ich mich lieber an deinen Lippen fest.«, sagte ich. »He«, sagte sie, »Soldat, die Männer haben in Berlin ihr Leben geopfert, und du hast hier die Gelegenheit zum unanständig sein. Steck deine Hand unter meinen Mantel, Spiritus habe ich keinen.«

      Wir standen am Fluss. Ich erzählte vom Bild, von Lebedew, zeigte mit dem Finger auf Žemaitis und sagte, da müsse ein Fehler vorliegen. Lebedew hatte klipp und klar gesagt: »Dort wird Žemaitis sein. Er wird dir aus den Ohren herauskommen – hör nicht hin. Ein ganz gewöhnlicher Mensch, wir haben zusammen in Paris studiert und Cognac getrunken. Die anderen mögen ja vielleicht wilde Tiere sein, wie man sagt, doch wenn ihr Anführer Cognac mag …« Ich sah diesen »ganz gewöhnlichen« Menschen an und versuchte ihm eins nach dem anderen die Worte anzuheften, mit denen Lebedew mir ihn beschrieben hatte. Sie wollten nicht an ihm haften bleiben. Dann befahl ich ihn zu baden.

      Afanassi schleifte ihn in den Fluss. Und ich erklärte Rapolas:

      »Du, Rapolas, immer nur von Marinka, Zeit zum Heiraten. Hatte noch nicht die Zeit.«

      »Zeit zum Heiraten, Wassili.« Er sprach es wie einen ehrlichen Wunsch aus.

      »Du bist ein guter Mensch«, rühmte ich ihn.

      Ich blickte zum Fluss, wo Afanassi den Banditenanführer an den Füßen festhielt und hin- und herschwenkte. Ich dachte, er würde ihn noch ertränken.

      »Es reicht, Afanassi«, rief ich. »Zieh ihn raus, sonst erkältet er sich noch.«

      Afanassi schleifte ihn zu uns. Ich sah ihn erneut an. »Ein ganz gewöhnlicher Mensch, wir haben beide in Paris studiert und einmal zusammen Cognac getrunken.« Ich versuchte die Worte anzuordnen, zu vertauschen, doch keine Kombination passte zu dem, der nass vor uns am Boden lag und die Nüstern bewegte.

      »Auf geht’s«, befahl ich.

      Aus Afanassi Duschanskis Verhör

      Wassili Sinizyn und ich sind Jahrgänger. Nur wurde ich diesseits und er jenseits des Urals geboren. So verläuft seither unser Leben: Wir begegnen einander und trennen uns dann an irgendeinem Fluss wieder. Wir trafen einander vor neun Jahren, in einem Infanterieregiment der Division 11. In Budapest wurde er verletzt. Er blieb auf dieser Seite der Donau, ich setzte ans rechte Ufer über. Später überquerte ich die Oder. Nach dem Krieg begegneten wir uns in Orsk. Er bewachte am rechten Ufer des Ural Kriegsgefangene, ich am linken – ein politisches Detail. Der Ural, das ist nicht die Donau. Einfache ein Fluss. Von unseren Wachtürmen aus winkten wir einander manchmal zu.

      Er fand eine Möglichkeit zu entkommen. Und nahm auch mich mit.

      In Moskau traf er Lebedew. Kehrte munterer von ihm zurück.

      Hier angekommen, trafen wir noch Rapolas, Fjodor und Marja Petrowna. Einige Leichen und eine, wie ich sie nennen würde, »Halbleiche«. Über diese »Halbleiche« freute man sich besonders. Und unterwegs betrank man sich auch noch vor lauter Freude.

      Unsere Männer sind schnell im Sich-Besaufen. Und hier kam noch etwas hinzu – der Sieg. Ich trank nicht an jenem Morgen, Gelegenheit hin oder her, dafür ist der Abend da. Der Sieg berauschte mich nicht besonders, denn der Krieg machte keinen ernsten Eindruck, und der, der an dieser Schweinerei schuld war, schien mir zu leicht, als wir ihn zum Fluss schleiften. Nicht einmal ins Schnaufen kam ich, während ich ihn schleifte, und während wir den Erdbunker einnahmen, lag ich im Gras. Ich hätte eine Papirossa rauchen können oder eine Zeitung lesen, oder ins Dorf gehen, nichts hätte sich geändert. Sieg. Und überhaupt, während Genosse Komandir im Krankenhaus nach Spiritus verlangte, trank ich in Berlin Anisschnaps und kritzelte überall meinen Namen auf die Ruinen. Also kenne ich das.

      Als alle im Fuhrwerk eingeschlafen waren, versuchte Genosse Komandir mit mir ins Gespräch zu kommen, doch da ich schon mehr als einmal gehört hatte, wie man im Krankenhaus seine Oberschenkel durchgeknetet hatte, war ich nicht sehr gesprächig. Und da fing er an, sich mit der Halbleiche zu unterhalten, und kam so in Fahrt, entdeckte alle möglichen Themen, dass auch ich mich einschalten wollte, doch jetzt war es dazu zu spät.

      Genosse Komandir sprach wie ein Freund mit ihm, freute sich, dass er ihn gefangen genommen hatte, achtete ihn und versprach ihm ein schnelles Ende. Aus den Worten des Genossen Komandir verstand ich, dass Halbleiche und Lebedew in Paris noch beide einen Platz an der Sonne gefunden hatten, dass aber für Halbleiche und Genosse Komandir und Marinka zu dritt dort dieser Platz nicht ausreichen würde. Er fragte, ob er Marinka gesehen habe, doch wenn er Paris gesehen habe, dann würde er sich auch sie leicht ausmalen können. Der Genosse hieß ihn nur, Paris mit vier zu multiplizieren und sich davon zu überzeugen, dass dies nicht mehr Paris war, sondern sie, Marja Petrowna.

      »Gute Marinka,« – Wassili nickte zustimmend – »ich werde mit ihr an einen See fahren. Dort gibt es solche Seen«, sagte er, »ich werde mich an dich erinnern. Wie du Schweinehund gegen solch eine Frau Krieg führtest. Vor ihr muss man auf Knien gehen.«

      Man hätte meinen können, die zwei Männer hinter mir hätten mitten auf dem Wagen einen Tisch aufgestellt und umarmten sich. Ich wandte mich СКАЧАТЬ