Die Grünen. Marius Ivaskevicius
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Название: Die Grünen

Автор: Marius Ivaskevicius

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Literatur aus Litauen

isbn: 9783898968508

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СКАЧАТЬ entgegnet Bartkus.

      Und das ermutigt Molkerei zum Mottowechsel.

      »Fe-eind«, skandiert sie jetzt und was könnten wir gegen sie unternehmen? »Einen Feind mit so einem Pimmel«, sagt sie und zeigt mit dem Finger auf das Pferd.

      Wir sind machtlos.

      Dann fällt sie auf den mit Heu bedeckten Wagenboden.

      »Und Sie?«, fragt sie mich und schaut mir dabei direkt in die Augen.

      »Ich?«, erwarte ich ihre Frage.

      »Werden Sie sich am Fluss vor mir ausziehen?«

      Ihr Kopf liegt im Schatten meines Ellbogens. Da sind immer welche, die sich von ihrem unreinen Mund beleidigt fühlen. Doch dann gibt es auch immer welche, die ihren perfekten Körper verteidigen. Sie ist ein Kuckucksweibchen, das seine Kinder aus dem Nest geworfen hat, bellt wie das allerletzte Schandmaul von Hund und »trägt« Kuhzitzen mit sich herum. Doch mancher Mann begehrt sie mehr als die anderen Frauen, ihre Brüste – groß und stramm – entfachen die Leidenschaft, so wie die Freiheit, über die man spricht, die man aber nicht berühren darf. Ihre Worte sind roh und unrein – und ansteckend.

      Und jetzt fragte sie mich, ob ich mich heute ausziehen würde. Als ob wir nicht jeden Tag vor den Augen der anderen auf demselben Eimer hocken würden.

      »Du wärst enttäuscht«, antworte ich ihr, während ich bald sie, bald das Ding da vorne anblicke, das sie »Schönling« nennt.

      »Nein«, antwortet sie schelmisch. »Und wissen Sie warum?«

      »Nein.«

      »Weil ich schon so viele gesehen habe und nicht ein einziges Mal war ich enttäuscht.«

      In Fontainebleau 1938 kannte ich eine andere Molkerei, Natalia, meine Friseurin.

      »Sie kommen schon seit einem Jahr zu mir zum Haareschneiden, Žemaitis«, pflegte sie zu sagen. »Hat das etwas zu bedeuten?«

      »Noch immer nicht.«

      Dasselbe sagte sie zu unserem Dozenten für Artilleriegeschichte. Der Zufall wollte es, dass ich oft gleich nach ihm an der Reihe war.

      »Monsieur Juvaly, seit drei Jahren bringe ich Ihr Haupt in Ordnung, ich und keine andere. Für Sie sind drei Jahre ein Pappenstiel, doch ich bin erst 21. Ein Siebtel meines Lebens, Monsieur Juvaly.«

      Sie war Molkerei, nur naiv und jünger. Und subtiler, denn sie lebte in Frankreich und erinnerte sich nicht an den Krieg.

      »Jahr um Jahr wühle ich in ihren Scheiteln herum, klappe die Ohren um, um sie nicht mit der Schere zu treffen, bade in ihren Haaren, und das alles bedeutet noch immer nichts.«

      »Ich komme erst seit einem halben Jahr zu Ihnen«, berichtige ich sie.

      »Ich meinte Monsieur Juvaly.« Sie wendet sich um und sieht nach, ob Monsieur Juvaly schon gegangen ist. Monsieur Juvaly steht in der Tür und winkt ihr zu. »Auf Wiedersehen, Monsieur Juvaly. Nicht zu viel Brillantine. Sonst bekommen sie vorzeitig eine Glatze.«

      »Warum bist du hier, Natalie, in Fontainebleau?«

      »Ich bin Natalia«, berichtigt sie. »Das sind zwei verschiedene Namen.«

      »Also, Natalia, warum hier und nicht anderswo?«

      »Žemaitis, Sie sprechen so, als würden Sie aus Paris anrufen. Warum sind Sie nicht in Afrika sondern hier?«

      »Dort wird keine Artillerie unterrichtet.«

      »Weshalb nicht in Afrika sondern hier, in Fontainebleau, bei der armen Natalia, die Ihnen immer noch nichts bedeutet?«

      Wir blicken einander im Spiegel an. Passend zu ihren Vorwürfen macht sie ein ernstes Gesicht, verzieht den Mund.

      »In Afrika gibt es nichts zu tun.«

      »Genau das Richtige für Sie. Dort fehlt es an guten Heerführern.«

      »Wem?«, frage ich.

      »Woher soll ich das denn wissen? Ich, eine arme Friseurin aus Fontainebleau. Vielleicht den Affen. Haben die gute Heerführer?«

      »Wohl eher nicht.«

      »Irgendeine Äffin namens Natalia würde Ihnen Jahr um Jahr die Haare schneiden und Sie nicht fragen, ob das etwas bedeutet.«

      Sie bläst mir die Haare vom Hals.

      »Ich schneide Ihnen das Haar so, dass in Paris niemand auf die Idee kommt, dass sie ein Jahr in Fontainebleau verbracht haben.«

      Sie blinzelt mir verschwörerisch zu und schneidet weiter.

      »Fontainebleau ist nicht weit von Paris« – ihr kommt eine ihr einst gestellte Frage wieder in den Sinn – »Doch nicht so nah, dass hier Mietpreise wie in Paris herrschten. Das ist es, wofür ich es liebe und hasse. Leute wie Sie oder Monsieur Juvaly bezahlen mir ein Drittel dessen, was Sie in Paris bezahlen würden. Sie wundern sich noch immer, warum ich hier bin?« Sie hält kurz inne und seufzt. »Mädel wie ich, die andauernd wissen wollen, ob es etwas bedeutet, finden in Paris keine Arbeit, nicht einmal im heruntergekommensten Bordell.«

      Sie lächelt mir mit ihren schneeweißen Zähnen zu. Nicht einmal der Krieg vermag solche Zähne zu verderben, man braucht nur zwölf Jahre später Molkerei in den Mund schauen, um sich davon zu überzeugen, dann wirft man das Artilleriestudium hin und lässt sich die Zähne flicken.

      »In Paris bedeutet nichts etwas. Ich fahre jeden Tag hin und kehre am selben Abend zurück. Ich liebe Paris.«

      »Und wohnst in Fontainebleau«, sage ich.

      »Und dafür sollten Sie mir die Füße küssen. Würde etwa die, die Sie nach Paris mitnehmen, Ihnen das Haar so schneiden, dass niemand auch nur ahnte, dass Ihr Gepäck noch immer im miefigen Fontainebleau steht.«

      Ich gebe Natalia keine Antwort, denn die, die ich nach Paris mitnehmen wollte, musste erst noch von dort ankommen und ihre Sachen bei mir abstellen.

      »Übernachten Sie im Hotel«, belehrt mich Natalia, »Kehren Sie um Himmels willen nicht nach Fontainebleau zurück.«

      »Was macht das für einen Unterschied, wo wir übernachten?«

      »Übernachten Sie in Paris und fragen Sie dann, was das ausmacht. Paris muss man ganz und gar einatmen. Atmen Sie es zusammen mit Fontainebleau ein, dann wird Fontainebleau Paris ausstechen.«

      »Ist doch gar nicht so schrecklich, euer Fontainebleau«, widerspreche ich ihr.

      »Danke«, sagt sie, wirft die Schere hin, kämmt mich. »Ist auch Ihres. Damit können Sie sich vielleicht bei Monsieur Juvaly einschmeicheln, bei mir nicht. Für mich ist das genau wie für Sie, Žemaitis, nur eine Zwischenstation.«

      Natalia nimmt eine Rasierklinge zur Hand und rasiert mir mit gerunzelter Stirn den Hals. Das macht sie älter.

      »Ist sie Französin?«, fragt sie plötzlich.

      »Sie СКАЧАТЬ