Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ Orden und den Städten, und die man dann gemeinsam zu erheben und zu teilen übereingekommen war. Es fand sich auch der von der Rechtstadt angestellte Pfahlknecht mit seinen Leuten und der Hafenwärter ein, den sonderlichen Fang zu besichtigen. Sie waren städtische Beamte und hatten das Bollwerk bei der Einfahrt instand zu halten und die Hafenanlagen zu beaufsichtigen. Das Pfahlgeld zur Unterhaltung des Hafens zahlten die Schiffer aber nicht an sie, sondern legten es erst in der Stadt in der Pfahlkammer nieder, die sich im unteren Raume des Rathauses befand. Kapitän Halewat wußte auch ohne ihre Weisung Bescheid.

      Dann nach der Zollabfertigung ging's weiter mit gutem Winde den mächtigen Weichselstrom hinauf. Die beiden Freunde standen auf dem Vorderkastell und schauten neugierig nach rechts und links um, was sich ihren Augen in der Nähe der großen Handelsstadt neues bieten möchte. Auf beiden Seiten des Flusses breiteten sich anfangs weite Wiesenflächen aus, auf denen hier und dort Pferde und Vieh weideten. Dann wurden rechter Hand Schneidemühlen und kleine Häuser von Holz am Ufer sichtbar. Herr Barthel Groß trat heran und erklärte ihnen, daß sich die Jungstadt Danzig bis hierher hinausziehe. Der Orden hat sie erst vor dreißig Jahren angelegt, sagte er, und tut, was er kann, ihren Handel in Schwung zu bringen, von dem er selbst Vorteil hat. Er übertrug dem Lange Klaus und dem Peter Sandowin die Besetzung, gab ihnen auch vier Freihöfe und den dritten Teil aller Gerichtsbußen. Es wollte mit der neuen Ansiedlung doch nicht ganz nach Wunsch vorwärts, und noch immer sind viele Stellen unbebaut, obgleich die Herrschaft der Stadt zwei Dörfer geschenkt und ihr geholfen hat, das Rathaus und die Kaufhäuser zu bauen. Uns Rechtstädtern ist die Jungstadt kein gefährlicher Nachbar. Sie wird sich niemals ganz frei machen vom Orden, ob sie schon wie wir kulmisch Recht und selbständiges Gericht, auch volle Marktgerechtigkeit hat. Überall reden ihr die Herren in die Verwaltung drein, und jeder Hausbesitzer muß für sich seinen Zins aufs Schloß tragen, während wir aufs Stadthaus zinsen und den Orden durch unseren Kämmerer in runder Summe befriedigen. Das ist ein gar merklicher Unterschied, ob er euch gleich kaum des Redens wert scheinen mag. Denn ein anderes ist's, ob der Bürger sich der Stadt verpflichtet fühlt und nur durch den Rat dem Orden, oder ob die Herrschaft die Hand auf jedes einzelnen Säckel legt.

      Die Häuser traten nun dichter zusammen, freilich von Zeit zu Zeit noch immer durch Holzgärten und Weideplätze getrennt. An den zu zwei und drei eingerammten Pfählen lagen Schiffe und dicht am Ufer Holzflöße. Es war da viel reges Leben bemerkbar. Hier beginnt die Straße auf dem Bollwerk, erklärte der Ratsherr, indem er sich hinter die Junker stellte und die Hand mit dem großen Siegelringe zwischen ihren Schultern vorstreckte. Dort weiter hinein ragt das Rathaus über die Häuser des Ringes hinaus. Ein ganz stattlicher Bau, wie auch das Kaufhaus dort. Aber es gehört ihnen doch nur die Hälfte davon, und sie müssen jährlich alle Einnahmen aus den Kaufstellen mit dem Orden teilen, weil er die Hälfte der Kosten getragen hat. Pah! Wer fremden Beistand anruft, muß auch fremden Rat annehmen. Ich lobe mir's, auf eigenen Füßen zu stehen.

      Ist die Stadt ganz offen? fragte Hans von der Buche, der sonst überall im Lande auch den kleinsten Ort befestigt kannte.

      Barthel Groß stieß den Atem durch die Nase. Die Jungstädter haben die Mauern so gut in ihrem Verschreibungsbrief als wir, antwortete er, aber sie warten, bis der Orden ihnen die Steine anfahren lassen wird. Er wird ihnen dann aber auch die Torwächter stellen – ha, ha, ha!

      Nun wurde der mächtige Backsteinbau des Ordensschlosses sichtbar, ein Viereck von Gebäuden, durch Ecktürme überragt und von Mauern mit Zinnen ringsum eingeschlossen. Das Schloß war gerade an der Stelle angelegt, wo rechter Hand die Mottlau in die Weichsel einmündete; es zog sich mit seinen starken Vorwerken bis an die beiden Flüsse heran. Die dritte Seite vorbei floß der Mühlgraben, der damals oberhalb der Mottlau ebenfalls in die Weichsel seinen Abfluß hatte, und ein Teil des Wassers war in den Burggraben geleitet. Nur von wenigen kleinen Fenstern waren die gewaltigen Außenmauern des Burgbaues durchbrochen, der dadurch ein recht düsteres Aussehen gewann.

      Die »Maria von Danzig« steuerte in die Mottlau ein und zog die Barse nach sich. Bald glitt sie über eine schwere eiserne Kette hin, die am jenseitigen Ufer angepfählt war und sich rechts über eine große Rolle in die Mauer hineinzog; sie hing schlaff und zu zwei Dritteln unter dem Wasserspiegel.

      Was bedeutet das? erkundete Junker Heinz.

      Das Gesicht des Ratsherrn verfinsterte sich. Wir können's vorläufig nicht hindern, sagte er, daß die Herren hier eine Kette durch den Fluß legen und sie aufziehen, wann sie wollen. Sie haben hier die Macht, also auch das Recht. Es hat einen gar glimpflichen Namen: der Fluß soll gesperrt werden können im Notfall gegen feindliche Schiffe, etwa gegen die Seeräuber oder gegen die dänischen Orlogs, die der Stadt einen unliebsamen Besuch machen möchten. Nun ja, eine Art von Schutz ist's schon, aber gebeten haben wir nicht darum. Und ich denke, im stillen ist auch noch eine andere Absicht dabei: die Kette kann auf einmal uns Rechtstädtern zum Schimpf aufgezogen werden, unsere Schiffe nicht hinauszulassen. Das Ding ist uns sehr beschwerlich.

      Steht ihr so schlecht mit der Herrschaft? fragte Hans. Das war früher nicht so.

      Nicht schlecht und nicht gut, antwortete Groß, das Kinn aufwerfend. Wir wachsen zu kräftig, das macht dem Orden Sorge. Er möchte gern wie eine Henne alle seine Küchlein unter den Flügeln haben, und es sind darunter doch einige, die schon gern auf eigene Faust ihr Futter suchen. Thorn, Elbing, Danzig – die kleineren nicht zu nennen –, wir gehören zur Hansa und tagen mit zu Lübeck, innerhalb Landes aber untereinander zu Marienburg, und was unsern Handel angeht, darüber leiden wir nicht gern Einsprache. Das gefällt dem Orden immer wenig, ob er's gleich anfangs ohne Widerspruch gelitten hat. Er möchte auch alljährlich gern dreinreden bei der Ratswahl, um stets seine Freunde im Stadtregiment zu wissen, und seine Freunde sind nicht immer der Stadt gute Männer. So gibt's denn allerhand kleine Häkeleien mit dem Komtur – es wäre zu weitläufig, das des näheren zu erklären. An das Schloß lehnte sich die Vorburg mit großen Speichern nach der Wasserseite. Sie fuhren dicht daran vorüber. Da speichert der Orden sein Korn, fuhr der Ratsherr fort, und er hat noch mehr Magazine weiter am Fluß hinauf. Seht ihr, das ist auch so ein Punkt, über den wir schwerlich jemals einig werden. Der Orden hat überall im Lande großen Besitz und kann das Korn, das er baut und das ihm von den Bauern gezinst wird, nicht verzehren; daß er's verkauft, ist ganz in der Ordnung; aber daß er nun selbst damit Handel ins Ausland treibt und sich allerhand Privilegien beimißt, die den Kaufmann in der Stadt drücken (er blickte nach den beiden Rittern um, die am Mast standen und den Mauerwächtern zuwinkten), das macht viel böses Blut. Es sollte alles durch die Hand des Kaufmanns gehen.

      Rechts folgte nun eine Strecke sumpfiges Ufer. In einiger Entfernung landeinwärts dicht unter dem Schloß lag ein Häuflein kleiner und niedriger Häuser um ein größeres herum, das sie mit dem Dach überragte. Das ist das Hakelwerk, erklärte Groß, da wohnen die Fluß- und Seefischer zusammen in einer besonderen Gemeinde. Das Haus in der Mitte ist der Krug und Kramladen. Die Schiffskinder haben durstige Kehlen. Dort aber, an den letzten Häusern, geht's durchs Haustor in die Rechtstadt. Gottlob, ich bin zu Hause!

      Die Mauern der Stadt, von Strecke zu Strecke mit vortretenden Türmen bewehrt, zogen sich gegenüber der Insel links bis an das Flußufer heran und dann demselben entlang, von vielen niedrigen Toren durchbrochen. Dach an Dach ragte über dieselben hervor, so weit das Auge blicken konnte, und über alle erhob sich die breite Masse der Marienkirche und der schlank aufstrebende Turm des Rathauses, hinter dem eben die Sonne unterging. Hunderte von metallenen Kreuzen, Kugeln und Fähnchen blitzten und leuchteten auf den hohen Giebeln der Häuser und Türme. Ein prächtiger Anblick!

      Schon vom Schlosse ab hatte eine Schar von größeren und kleineren Booten die Schiffe begleitet. Es mußte auffallen, daß die »Maria von Danzig« eine Barse im Schlepptau hatte, der ein Mast heruntergebrochen war. Es wurde hinaufgefragt und von den Schiffsleuten Antwort gegeben. Bald lief das Gerede von Boot zu Boot, daß ein Räuberschiff nach heftigem Kampfe genommen sei, daß es Tote und Gefangene an Bord gebe. Die Nachricht wurde blitzschnell ans Ufer weiterverbreitet. Links an der Speicherinsel lag Schiff an Schiff, Getreide СКАЧАТЬ