Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ des Deutschen Ordens aus dem westfälischen Konvent mit ihren Knechten, die nach Marienburg berufen waren, um im bevorstehenden Kriege Dienste zu tun, und zwei junge Leute von wenig verschiedenem Alter, die sich einem Warenzuge zugesellt gehabt und bald miteinander gute Freundschaft geschlossen hatten.

      Der eine derselben war der Junker Hans von der Buche, ein langgewachsener Mensch von drei oder vierundzwanzig Jahren, mit einem Kopf, dem man's gleich anmerkte, daß er schon über mancherlei nachgedacht hatte, was sonst dieser grünen Jugend fernzuliegen pflegt. Sein Großvater Andreas war vor nun fast fünfzig Jahren mit einem deutschen Fürsten nach Preußen gekommen, um sich zu Ehren Gottes und der Heiligen Jungfrau bei einer Kriegsreise gegen die heidnischen Litauer zu beteiligen, hatte in Samaiten tapfer gekämpft und war im Lande geblieben, da ihm der Orden zur Belohnung für seine Dienste zwanzig Hufen im Gebiete der Komturei Rheden zur Gründung eines deutschen Dorfes zu kulmischen Rechten mit dem Freischulzenamt verlieh. Er nannte es nach der Heimat Buchwalde. Der Sohn, Arnold von der Buche, oder auch von Buchwalde genannt, focht unter dem Hochmeister Konrad von Wallenrod und wurde von demselben zum Ritter geschlagen. Er erwarb neuen Landbesitz in den Nachbardörfern Okonin und Kressau, auch Wald und Wiesen am Melno-See, so daß man ihn zu den Großgrundbesitzern des Bezirks zählte. Der Enkel endlich, unser Hans von der Buche, gewann als Knabe die Neigung eines Priesterbruders des Rhedener Konvents, der seinem Vater befreundet war. Dieser bestimmte den wackeren Landesritter, seinen Sohn aufs Schloß zu geben, damit er ihn in den Anfängen der Wissenschaft unterrichte, in der er selbst vielerfahren war. Hans zeigte gute Anlagen und war bald im Lateinischen so weit, daß er mit Erfolg die gelehrte Schule in der Stadt Kulm besuchen konnte, wo er in dem Hause des Bürgermeisters bereitwillige Aufnahme fand. So tüchtig vorbereitet, wußte er seinen Vater zu bestimmen, ihn zu weiteren Studien ins Reich hinauszuschicken. Galten doch damals gelehrte und weitgewanderte Männer im Hochschlosse der Marienburg schon viel! So brachte er zwei Jahre auf der Universität Prag zu, wo damals Johann Huß und Hieronymus lehrten, und ein drittes jenseits der Alpen, in Bologna, um sich in allen freien Künsten auszubilden, auch ein wenig von der Rechtsgelehrsamkeit zu profitieren, die dort in hohem Ansehen stand. Nun hatte der Vater seine Rückkehr gewünscht, damit er sich als der einzige Sohn der Gutswirtschaft annehme, zugleich aber auch ihm aufgetragen, die Verwandten in Thüringen und Sachsen zu besuchen, daß man einander nicht ganz vergäße und sich auch ferner zusammengehörig wüßte. Von dort kam er jetzt.

      Sein Gefährte, vielleicht nur ein oder zwei Jahre jünger als er, nannte sich Heinz von Waldstein. Er war in seiner äußeren Erscheinung ganz das Gegenstück von ihm, mittelgroß, breitschultrig, kräftig, fast ein wenig gedrungen; der Ledergurt schien ihm zu eng zu sein, die Brust kaum Platz zu haben unter dem Wams. Dichtes, krauses Haar von blonder Farbe bedeckte den Kopf und quoll an Stirn und Nacken unter der Kappe vor. Das runde, von der Sonne gebräunte Gesicht glühte gleich hochrot, wenn das Herz rascher zu schlagen anfing, und ein Paar blaue Blitzaugen schauten daraus munter in die Weite, als ob ihnen die ganze Welt gehören müßte. Der muskulöse Arm und die kräftige Hand zeigten an, daß er im Waffenhandwerk wohlgeübt war, und am liebsten sprach er auch von Ritterspiel und Jagd. Gerade sein frisches, naturwüchsiges Wesen hatte Hans von der Buche gefallen, und Heinz wieder fühlte sich seltsam angeregt durch dessen gelehrtes Wissen, das doch gar nicht mit sich prunken wollte, und durch die Mitteilungen aus fernen Ländern, von denen er bisher nicht viel mehr gekannt hatte als die Namen. Wenn er so aufmerksam zuhörte und sich mühte, den klugen Reden zu folgen, die Augenbrauen aufzog und den Blick forschend auf den Sprechenden richtete, konnten seine Gesichtszüge einen recht beschaulichen Ausdruck annehmen, und eine Viertelstunde später wieder, wenn irgendein unbedeutender Anlaß seine Heiterkeit heraustrieb, konnte er mit seinem herzlichen Lachen auch den ernsten Gesellen anstecken und zu ausgelassenen Späßen ermuntern. So waren sie gute Freunde geworden, indem sie treulich gegeneinander austauschten, was jeder seinen besten Besitz nannte.

      Hans hatte bald alles erfahren, was Heinz selbst von seinen kleinen Lebensschicksalen wußte. Er hatte früh Vater und Mutter verloren, erinnerte sich nicht einmal, sie je gesehen zu haben. Er war erzogen und aufgewachsen am Hofe des kaiserlichen Vogts zu Plauen, Heinrichs mit dem Beinamen »der Reuße«, weil der Ältervater dieser Linie eine reußische Prinzessin geheiratet hatte. Er durfte ihn Oheim nennen, wußte aber die Verwandtschaft nicht näher anzugeben und meinte, der edle Herr sei eigentlich nur sein Pate gewesen und habe sich seiner von frühester Jugend väterlich angenommen. Fast wie ein Kind des Hauses war er gehalten, und es hatte ihm an nichts gefehlt, solange er denken konnte. Er war in allen ritterlichen Künsten geübt worden und nun, reichlich mit Geld versehen, nach Preußen geschickt zu des Vogts Vetter, der gleichfalls Heinrich hieß, aber der Linie der »Böhmen« angehörte und zur Zeit Komtur von Schwetz war, nachdem er früh schon in den Orden getreten. Vielleicht, daß er seine junge Kraft brauchen könne in dem Kampfe, der im Reiche schon für unvermeidlich galt, und zu dem auch Heinrich Reuß einige Fähnlein Söldner zu stellen gedachte. Er wollte sie sogar selbst dem Hochmeister zuführen und hatte Heinz Briefe mitgegeben an diesen und an seinen Vetter in Schwetz, die ihn melden sollten. Du hast nicht Land und Leute, hatte er ihm beim Abschied gesagt; sieh zu, wie du sie dir gewinnst. In Preußen hat mancher schon mit starkem Arm und tapferem Herzen sein Glück gemacht, und gefällt dir's, in den Orden einzutreten, so kann dir mein Vetter wohl dazu behilflich sein. Land und Leute zu gewinnen, das schien freilich dem Blondkopf eine lockendere Aussicht, als den weißen Ordensmantel mit dem schwarzen Kreuz zu nehmen. Er ließ sich recht umständlich erzählen, wie Andreas von der Buche nur sein Schwert nach Preußen gebracht hatte und unter dem vielgefeierten Meister Winrich von Kniprode Gerichtsherr von Buchwalde geworden war.

      Nun hatte die gemeinsame Seefahrt sie noch inniger vereint und noch fester aneinander geschlossen. Gab's doch nach außen tagelang nichts zu schauen als das graue Wasser mit seinen rollenden Wogen, und war doch der Schiffsraum so eng, daß man einander auf Schritt und Tritt begegnen mußte. Sie saßen gern zusammen auf dem hohen Vorderkastell, wo das Ankertau zu einem breiten Stapel aufgerollt war, und plauderten vergnüglich von Vergangenheit und Zukunft, oder sahen dem Zuge der weißgeflügelten Möwen nach, die überall das nicht ferne Ufer verrieten. Mitunter gesellte sich Herr Barthel Groß zu ihnen, hörte eine Weile, sich mit den Ellenbogen auf das Kastell stützend, zu und warf ein kurzes Wort ein; meist aber ging er, geschickt die Schwankungen des Schiffes parierend, rasch das Overlop auf und ab, die Hände in den Taschen wie ein Mann, dem Seereisen eine gewohnte Sache sind und der sich selbst als einen halben Seemann fühlt. Er war sicher wenig über dreißig Jahre alt, zeigte aber die ernste Stirn eines Vierzigers.

      Es war während der Fahrt nichts passiert. Diesen Morgen erst hatte es den beiden Freunden geschienen, als ob die zahlreiche Bemannung des Schiffes ungewöhnlich in Bewegung gesetzt sei. Der Steuermann blieb selbst am Steuer, neue Segel wurden aufgehißt, die Matrosen kletterten auf den Masten herum, alle Stricke und Leinen wurden untersucht und straffer angezogen. Kapitän Halewat stand nicht weit vom Steuermann am Rudergat und blickte durch einen Tubus ohne Glas nach Norden auf die See hinaus, wo sich ein fernes Segel bemerkbar machte. Nicht ein Stellchen von Hellergröße auf diesem verwetterten Gesicht war ohne Furchen und Falten, und jetzt zog die gespannte Aufmerksamkeit alle Maschen des Liniennetzes auf der Stirn nach dichter zusammen.

      Die Freunde bemerkten, daß der Ratsherr ihn ansprach, aber kurz abgefertigt wurde. Als er sich nun wieder der vorderen Spitze des Schiffes näherte, erkundigten sie sich, was es gäbe. Wahrscheinlich nichts Gutes, antwortete Groß. Das Segel dort – es nähert sich uns sehr verdächtig aus der Richtung von Gotland her. Der Alte hat für so etwas scharfe Augen.

      Er meint –?

      Pah! Er meint gar nichts; er sagt: es ist so. Vitalienbrüder sind unterwegs. Die Barke dort ist nicht umsonst unter Segeln bis zu den Mastspitzen hinauf. Sie sucht uns von Norden her das Fahrwasser um Hela herum abzuschneiden, und wir dürfen uns nicht näher ans Land heranwagen der Sandbänke wegen. Erreichen wir aber auch ungefährdet die Danziger Bucht, so sind mir doch noch weit vom Ziel und können, wenn sie's unverschämt treiben, leicht noch auf der Reede eingeholt werden.

      Mögen sie nur kommen! rief Heinz, indem er aufsprang und den rechten Arm vorstreckte; sie sollen sehen, daß wir uns unserer СКАЧАТЬ