Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ geht. Zuviel Besitz in der Toten Hand tut auch dem Lande nicht gut, und an Kirchen, in denen die Gläubigen beten können, fehlt's ja nicht. Seht dort, fast nur über die Straße hin, St. Katharinen, die Pfarrkirche der Altstadt, ein schöner alter Bau, vielleicht noch aus der Zeit, als die pommerellischen Herzöge hier regierten. Dahinter auf der Insel steht unsere Mühle.

      Das Klappern der Räder verriet sie schon in einiger Entfernung. Ein so großes Werk hatte der Junker noch nicht gesehen. Viele Menschen waren dabei beschäftigt, und der Mühlenmeister hielt auf gute Ordnung. Auch sonst gab es in den engen Gassen rundumher, die auf den Mühlengraben ausliefen, viel reges gewerbliches Leben. Gerber, Tuchscherer und Färber wohnten dort, das Wasser zu nützen; auch war hier und dort ein Treibrad angebracht, das dem Inhaber die Kraft eines Pferdes ersetzen mochte. An Reinlichkeit und an frischer Luft ließ aber dieser Stadtteil viel zu wünschen; Heinz, der an Wald und Feld gewöhnt war, fühlte sich recht beklommen darin. Wie kann man nur hier tagaus, tagein leben? fragte er. Erst weiter hinauf trafen sie auf die breitere Pfefferstraße, die zum Heiligenleichnamshospital führte. Sie bogen aber links ab in die Schmiedestraße und näherten sich so dem Graben und der Mauer der Rechtstadt. Am Breiten Tor verabschiedete sich der Ritter. Er möge nur den Mauergang entlang gehen, riet er, am Glockentor vorbei bis zum Langgassentor, von dort sei leicht der Lange Markt zu finden, und dann werde jedes Kind ihm das Haus des Ratsherrn Bartholomäus Groß zeigen können.

      Ein Blick seitwärts, bevor er ins Tor eintrat, überzeugte Heinz, daß die Stadt an dieser Stelle eine doppelte Befestigung hatte. Die Danziger haben sich gut vorgesehen, dachte er bei sich.

      Die geräumige und mit Sprengsteinen gut gepflasterte Langgasse zeigte auf beiden Seiten ohne Unterbrechung eine Reihe von hochgiebeligen Bürgerhäusern, die meisten bis oben hin von Ziegelsteinen aufgeführt, manche darunter nicht ohne zierlichen Schmuck von schwarz, grün oder blau glasierten Gesimsen und leistenartigen Verzierungen der roten Mauer, mit Erkern und kleinen Türmchen versehen. Eine Türeinfassung von grauem Sandstein mit mancherlei wunderlichen Figuren und Zeichen fehlte den stattlicheren nicht. Fast jedes Haus hatte neben der Tür nach der Straße hinaus einen Windfang, einen Vorbau nämlich, in dem sich der Handwerkerladen oder die kaufmännische Schreibstube befand. Die Fensteröffnungen waren überall sehr klein, nur im ersten Stock etwas geräumiger, nach dem Giebel hin bloße Luftluken für die Vorratsböden. Selbst jetzt, wo die Sonne am blauen Himmel schien und die Straße hell beleuchtete, machten die massiven Mauern keinen freundlichen Eindruck. Der Blick stieg gern an dem schlanken Rathausturm hinauf, der über das Gewirr der Straßen und Gassen und über alle höchsten Spitzdächer hinweg hoch in die freie Luft aufstieg.

      An der Ecke, die das Rathaus mit seinem prächtig verzierten Giebel einnahm und hinter der sich die Langgasse zum Markt erweiterte, gab's gerade einen großen Menschenauflauf. Die Menge drängte sich nach der hohen Treppe hin, auf der die Herren vom Rate standen, sämtlich in Feiertagskleidern, das Schwert an der Seite und mit goldenen Ketten behängt. Den Stufen zunächst stand der Bürgermeister Konrad Letzkau, hoch aufgerichtet in würdiger Haltung, neben ihm sein Kumpan Arnold Hecht, gleichfalls bemüht, die Würde des Amtes äußerlich herauszustellen, aber trotz seiner Körperfülle beweglicher als er. Heinz fragte, was es da gebe. Die Herren haben zu Rat gesessen, hieß es, und lassen sich nun die gefangenen Seeräuber vorführen. Nun reckten sich auch alle Hälse, denn die Trompeter und Pfeifer auf dem Podest des nahen Artushofes stimmten ein kriegerisches Stück an, Stadtknechte in Harnisch und mit langen Piken bahnten eine Gasse, und die Seeräuber, sämtlich in schweren Ketten, folgten paarweise, nur ihr Hauptmann ging mitten im Zuge allein. Die Bürgerwache gab ihnen das Geleit. Als der Zug unter der Rathaustreppe hielt, ertönte ein tausendstimmiges Hurra der schaulustigen Menge.

      Heinz hatte sich mit seinen breiten kräftigen Schultern einen Weg bis nahe an die Treppe gebahnt, wo er Hans von der Buche stehen sah, dem wahrscheinlich sein Gastfreund gleich anfangs einen guten Platz verschafft hatte. Der Junker winkte ihm, und so ließ man ihn bis zu ihm durch. Er konnte von hier aus deutlich jede Person erkennen und auch hören, was gesprochen wurde. Er glaubte zu bemerken, daß Letzkau zusammenzuckte, als er des Hauptmanns der Bande ansichtig wurde, der mit einem frechen Blick zu ihm aufschaute. Auch wurde er bleich im Gesicht und führte die Finger der rechten Hand nach der Stirn, als hätte er über etwas nachzusinnen. Er faßte sich aber gleich wieder, trat zwei Stufen hinab und sagte mit lauter Stimme: Ihr seid Marquard Stenebreeker, ich kenne Euch!

      Der Name schien einen ganz eigenen Klang zu haben, denn sowohl unter den Magistratspersonen auf der Treppe als unter den Zuschauern entstand eine lebhafte Bewegung, und auf allen Gesichtern war freudige Überraschung zu lesen. Ich hoffe, Ihr habt mich noch nicht vergessen, Herr Konrad Letzkau, antwortete der Rotbart mit grinsendem Lachen. Es ist noch nicht so gar lange her, seit Ihr mir an der Turmpforte des Schlosses Warberg die Hand drücktet und einen Dienst versprachet. Es könnte leicht die Zeit gekommen sein, das Pfand zu lösen.

      Der Bürgermeister blickte zur Erde und antwortete nicht darauf. Arnold Hecht nahm aber für ihn das Wort. Das ist ein Fang, ihr Herren, wandte er sich an die hinter ihm Stehenden, dessen wir nicht vermutet waren. Marquard Stenebreeker, der gefürchtete Hauptmann der Vitalienbrüder, ist in unserer Hand. Nun werden wir wohl Ruhe haben zur See für lange Zeit.

      Wieder erscholl ein Jubelruf, der kein Ende nehmen wollte.

      Letzkau gebot mit der Hand Schweigen. Er wandte sich an einen der Ratsherren, dessen langer weißer Bart bis fast zum goldgestickten Gürtel hinabhing. Herr Johann von Xanten, redete er ihn an, Schulze dieser Rechtstadt Danzig, ich übergebe Euch und Euren Genossen von der Schöppenbank diese Missetäter. Sitzt über sie zu Gericht und verfügt, was Rechtens ist. – Dann schritt er durch die Reihen der Magistratspersonen und entzog sich unter der Tür des Rathauses den Blicken der Menge. Der Richter aber trat vor und befahl den Bütteln, die Gefangenen in gerichtlichen Gewahrsam zu bringen. Auf einen Wink Hechts stießen die Bläser wieder in ihre Trompeten, und der Zug setzte sich nach dem Langen Tor in Bewegung, über dem sich die Gefängnisse befanden. Xanten besprach in der Halle mit den anwesenden Schöppen, wann sie das Beiding über die Seeräuber hegen wollten, und gab dem Gerichtsboten Auftrag, die Abwesenden auf Montag in die Gerichtslaube zu verbotten.

      Die Menge verlief sich nun. Herr Barthel Groß, den sein Amt nicht weiter band, begrüßte Heinz von Waldstein und lud ihn zum Mittagessen in seines Schwiegervaters Haus ein, wo zu Ehren des wackeren Kapitäns Halewat und seiner tapferen Schiffsgäste die Tafel gedeckt sei. Vorher aber, fügte er hinzu, sprecht bei mir an, daß ich Euch meiner lieben Hausfrau zuführe. Ich hoffe, Herr Hans von der Buche wird ihr das Zeugnis geben, daß sie ihre Pflicht kennt.

      Der Junker bestätigte mit reichlichen Lobspenden, daß er in seinem väterlichen Hause nicht sorglicher hätte aufgenommen werden können. Die drei Männer hatten nur wenige Schritte über den Markt zu gehen. In dem weiten, mit Steinfliesen ausgelegten Hausflur, in dem Ballen und Kisten lagerten, fing der Schreiber den Kaufmann ab und bat ihn, auf einige Schreiben sein Siegel zu drücken, die mit den Waren zu Kahn in einer Stunde nach Thorn abgehen müßten. Groß öffnete eine Tasche in seinem breiten Gürtel, holte einen Siegelring vor, in den seine Hausmarke, zwei ineinandergreifende Dreiecke, eingraviert war und drückte sie in das Papier unter der Schrift. Dasselbe Zeichen war auf einige der Warenballen und Kisten mit schwarzer Farbe aufgemalt.

      Das Geschäft hielt sie nur kurze Zeit auf. Eine Treppe hoch in der großen Stube mit schwerer Balkendecke und getäfeltem Fußboden empfing sie Frau Anna Groß mit ihren beiden Töchterchen. Sie hatte sich schon geputzt, da sie auch zur Tafel geladen war, und sah recht schön und vornehm aus in ihrem langen stahlgrauen Kleide mit breiter Goldborte auf der linken Seite herunter und mit der hohen, einem spitzen Fürstenhut ähnlichen Haube von rotem Samt und Goldstoff auf dem braunen Haar. Sie begrüßte Heinz, indem sie ihm die Hand reichte, und sagte zu den kleinen Mädchen, die sich scheu hinter sie zurückzogen: Sehet nur, das ist der Junker Heinz, der den Hauptmann der Seeräuber niedergeworfen hat. Ist's denn wahr, daß es der Marquard Stenebreeker ist? wandte sie sich an ihren Mann und setzte auf seine bejahende Antwort ein kräftiges »Gottlob!«

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