Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Dann wurde Kriegsrat gehalten. Wir müssen's schlau anfangen, sagte der Kapitän Halewat, damit wir sie vor allen Dingen teilen, denn es sind ihrer jedenfalls mehr als wir. Deshalb dürfen wir unsere Mannschaft nicht gleich sehen lassen, sondern müssen den besten Teil hinter den Luken verstecken, bis sie uns ganz sicher zu haben glauben. Ich und acht oder zehn von unsern Leuten ziehen den Ölrock wieder über den Panzer und setzen den Südwester über den Eisenhut. Sie bilden sich dann ein, daß wir uns friedlich ergeben wollen, und springen in Scharen über, sich des Schiffes zu bemächtigen. Dann brechen die übrigen vor, und der Kampf kann beginnen. Werden wir mit diesen fertig, so dürfen uns die andern wenig Sorge machen; sie werden ihre Barse zu retten suchen und sich eiligst auf die Flucht begeben, zumal, wenn mir mit den Feuerstöcken ihnen eins aufbrennen. Hier an Bord nimmt jeder seinen Mann. Und somit Gott befohlen, Kinder! Den Herren mag ich nichts vorschreiben.
Er machte ein Kreuz über Brust und Stirn, warf seine Ölkleidung über, nahm dem Steuermann die Pinne aus der Hand, damit er sich gleichfalls rüsten könne, und hielt das Schiff scharf auf die Helaer Spitze. Er führte es so knapp an derselben vorbei, daß der Kiel einen Augenblick den Sand streifte, und gewann dadurch einen kleinen Vorsprung. Der wackere Mann wollte bis zuletzt seine Pflicht tun, den Räubern zu entkommen. Aber die Hoffnung schwand bald völlig; die feindliche Barse war ein guter Segler. Schon erkannte er auf dem Verdeck derselben die bewaffneten Männer, schon konnte er die Köpfe überzählen – mehr als dreißig. Vorn im Bug standen einige handfeste Leute und hielten lange Enterhaken bereit.
Auf der Holk war's ganz still, als wüßten die Matrosen von keiner Gefahr.
2. DIE VITALIENBRÜDER
Nun brauste das Schiff heran. Auf zwei- oder dreihundert Schritte fiel ein Kanonenschuß, der dem Kauffahrteifahrer Halt gebieten sollte. Die Kugel strich seitwärts vorbei und schlug eine Strecke weiter aufs Wasser auf. Es folgte wenige Minuten darauf ein zweiter Schuß. Diesmal traf die Kugel das Holz neben dem Steuer dicht über dem Wasser. Nun wird's Zeit! rief der Kapitän seinen Leuten zu. Er gab ein Zeichen mit der Pfeife: die großen Segel wurden sofort gerefft und die Flagge – rot mit zwei weißen Kreuzen übereinander – von der Spitze des Fockmastes herabgelassen.
Das Holkschiff, das so dem Winde keinen Widerstand mehr bot, verlangsamte sofort seinen Lauf. Der Führer der Barse hatte wahrscheinlich auf so schnellen Gehorsam nicht gerechnet und schoß links mit vollen Segeln dicht vorüber. Zwar warfen einige seiner Leute ihre Enterhaken über das Schanzkleid, mußten sie aber fahren lassen, um nicht bei der schnellen Vorwärtsbewegung über Bord gerissen zu werden. Einer fiel wirklich ins Wasser und ertrank. Die Haken blieben im Holz stecken und legten sich an die Seitenwand des Schiffes. Nun ließ auch die Barse das Großsegel fallen; zugleich machte sie eine Wendung nach rechts, um den Kauffahrer aufzunehmen, konnte aber vor dem Winde nicht schnell genug ausweichen und mußte, da Kapitän Halewat geschickt die Gelegenheit ausnutzte, einen kräftigen Stoß von dem Vordersteven gegen ihre Flanke erleiden, daß die Rippen krachten. Zugleich fuhr das Bugspriet der Holke durch ihre Wanten und verwickelte sich darin, so daß nun ein Teil der Mannschaft vollauf mit dem eigenen Schiffe zu tun hatte. Indes legte doch die Barse herum, so daß Bug gegen Bug stand und der Übergang keine Schwierigkeiten weiter bot. Es sprangen denn auch sofort mehr als zwanzig von den verwegenen Gesellen, voran der Hauptmann, mit wildem Geschrei über das Schanzkleid oder kletterten am Bugspriet entlang auf das Vorderkastell, schwangen Schwerter und Streitkolben durch die Luft und drangen auf die Matrosen ein, die sich auf einen Wink des Kapitäns zurückzogen und auf dem Steuerdeck sammelten.
Ergebt euch! rief der Anführer, ein Mann von wohl sechs Fuß Höhe mit fuchsrotem Bart. Ihr seht, daß jeder Widerstand vergeblich ist. Ergebt euch, wenn euch das Leben lieb ist!
Darüber ließe sich verhandeln, sagte der Kapitän. Das Leben ist jedem lieb. Wer seid Ihr?
Das kümmert Euch nicht, antwortete der Rotbart, näher tretend. Nach Eurer Flagge gehört das Schiff nach Danzig. Wir liegen in Fehde mit den Danzigern um wichtiger Ursachen, die Euch nichts angehen, und nehmen ihr Gut, wo wir's finden. Sagt also, ob ihr uns gutwillig folgen wollt nach Gotland?
Der Kapitän nickte. Wenn Ihr uns eine Verschreibung an unsere Herren in Danzig zu geben versprecht, daß Ihr uns mit Gewalt gezwungen habt –
Der Hauptmann lachte. Die sollt Ihr haben. Also folgt uns auf unser Schiff, wir besetzen die Holke mit unseren Leuten. Vorwärts!
Indessen war die Räuberbande, lauter stämmige Burschen von verwildertem Aussehen, dem Hauptmann nachgerückt und umstand den Raum vor dem erhöhten Steuerdeck. Auf manchem Gesicht spiegelte sich der Verdruß, daß es zu keinem Kampfe kommen sollte. Keiner von ihnen merkte, daß sich in ihrem Rücken die Luke zum Schiffsraum öffnete und zwei Feuerstöcke die eisernen Läufe herausstreckten. Im nächsten Augenblick blitzte das Pulver auf, krachten die Schüsse und fielen zwei von den Räubern getroffen zu Boden. Die Matrosen, die gefeuert hatten, sprangen aus der Luke, kehrten die Gewehre um und drangen damit auf die Bande ein. Ihre Genossen folgten, die Ritter und Junker brachen aus ihren Verstecken vor, und der Kapitän mit seinen Leuten warf sich von vorn den Räubern entgegen.
Verrat! Verrat! schrie der Hauptmann. Hierher, Brüder! Festgeschlossen! Nieder mit der Brut! Werft sie über Bord ins Wasser! Nicht einer bleibt am Leben!
Es entstand nun ein wildes Handgemenge. Die Schwerter blitzten und klirrten, die Eisenpanzer rasselten, dicht fielen die Hiebe auf die Sturmhüte und Blechhauben. Als die Seeräuber der Ritter ansichtig wurden, stutzten sie, aber der Rückzug war unmöglich, und so mußte auch mit ihnen der Kampf aufgenommen werden. Freilich mit ungleichen Waffen. Denn die langen Schwerter derselben waren vom besten Stahl und ihre Rüstung undurchdringlich. Aber von der Barse her eilte noch ein Dutzend Gesellen zu Hilfe, und so wurde diese Ungunst für sie wieder ausgeglichen. Unter den wuchtigen Streichen der Ritter waren schon einige von den Räubern neben den erschossenen zu Boden gesunken, und ihr Blut färbte die Planken des Overlops, aber noch immer griffen zwei und drei zugleich an. Barthel Groß stand mit dem Rücken gegen den Mast gelehnt und verteidigte sich mehr, als er angriff. Die beiden Junker waren hier und dort, wo einer der Matrosen zu hart bedrängt wurde, und zogen immer neue Feinde auf sich. Die Schiffsknechte, wenig geübt im Waffendienst, suchten die Kämpfenden von hinten zu fassen und zu Boden zu ringen oder aufzuheben und über Bord zu werfen. Dem einen und andern gelang's.
Der Hauptmann, der alle an Länge überragte und bereits den Reffssteuermann und einen Bootsmann niedergestreckt hatte, schien nun einzusehen, daß doch die Hauptgefahr von den Rittern drohe. Er warf sich auf den, der in der vordersten Reihe kämpfte, unterlief sein Schwert, umfaßte mit den Armen seinen Leib und suchte ihn hintenüber zu stürzen. Der Ritter wollte seine Waffe, die ihm doch wenig mehr nützte, nicht fallen lassen und wurde dadurch behindert, den rechten Arm zu gebrauchen. Dennoch hätte er vielleicht Widerstand geleistet, wenn er nicht in eine Blutlache getreten und ausgeglitten wäre. Blitzschnell warf sich der Rotbart auf ihn und stieß ihm den langen Dolch zwischen Halsberge und Plate in die Brust.
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