Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Plauen reichte ihm die Hand und verabschiedete ihn dann mit solchen Worten, daß der Junker daraus entnehmen mußte, er rechnete nicht darauf, ihm nochmals zu begegnen. Heinz erfuhr nur, wovon im allgemeinen die Rede gewesen sei, und machte sich darüber wenig Sorge. Er zeigte sich gern bereit, den Freund nach der Stadt zu begleiten. Nun wissen wir doch, meinte er unterwegs, weshalb mein Oheim gestern so zurückhaltend war, als er deinen Namen erfahren hatte. Nun, es liegt ja in deiner Hand, ihn dir geneigt zu machen.
Hans aber war sehr nachdenklich geworden; es beschwerte ihn, daß der Komtur seinen Vater im Verdacht der Untreue hatte, und daß er ihn vor einer Genossenschaft warnte, zu der er durch so enge Bande der Verwandtschaft gewiesen war. Wie leicht konnte er da mit seinem Herzen in Streit kommen.
Das vermochte er auch nicht ganz zu vergessen, als er in das Haus am Markt eintrat und Waltrudis wiedersah. Sie kam ihm freundlich entgegen; er aber wagte jetzt kaum zu ihr aufzublicken und senkte sofort wieder die Augen, als blende ihn die Sonne. Heinz führte die Unterhaltung; er selbst war still und wortkarg, so daß Frau Clocz ihn besorgt fragte, ob er sich unwohl fühle. Laßt ihn nur, sagte Heinz lachend, er hat's heut allzusehr innerlich und kann so bald nicht wieder aus sich heraus.
Zur Vesper hatte sich's Lippolt ausgebeten, die Gäste zu bewirten. Die Neuenburgerin trug allerhand feines Backwerk auf, das sie selbst bereitet hatte, und erntete dafür viel Lob. Die Stunden vergingen rasch, und der Becher wurde oft mit frischem Met gefüllt. Als die Männer lustiger wurden, wollten die Frauen sich zurückziehen. Hans aber mahnte nun auch den Freund zum Aufbruch. Es muß doch einmal geschieden sein, sagte er schwermütig. Lippolt wollte wissen, wann er nach Graudenz zurückzukehren gedenke, damit er den Wagen bereithalten könne. Er erhielt darauf eine ausweichende Antwort.
Die Junker geleiteten darauf den Ratmann und dessen Familie nach dem Markthause zurück und sagten ihnen dort Lebewohl. Hans war neben Waltrudis gegangen, hatte aber kein Wort gesprochen. Nun bückte er sich schnell, als sie ihm die Hand reichte, und hauchte einen Kuß darauf. Dann eilte er fort, so daß Heinz Mühe hatte, ihm zu folgen.
Vor dem Schloßtor bog er links und ging auf das Brückentor zu, entlang der Straße an der Mauer. Wohin? rief Heinz ihm nach. Nun blieb er stehen und erwartete ihn. Ich kann jetzt nicht mit dir, sagte er, in unserer Schlafzelle würde ich nicht atmen können vor Beklommenheit. Gestern sah ich beim Vorübergehen ein kleines Fischerboot im Schilf nicht weit vom Brückenturm: die Ruder lagen dabei. Ich will auf den Strom hinaus – dort wird mir freier zumute werden.
So begleite ich dich, antwortete Heinz, seinen Arm ergreifend, der Abend wird wunderschön, und eine Wasserfahrt ist ein prächtiger Vorschlag. Hoffentlich läßt man uns auch noch ein paar Stunden später ins Schloß ein, und wenn nicht – pah! Die Luft ist schon warm genug, daß wir eine Nacht unter freiem Himmel nicht scheuen dürfen.
Wie du willst, sagte Hans darauf nach kurzem Besinnen.
Sie fanden das kleine Boot, das nur für zwei Männer Raum hatte und wahrscheinlich zum Übersetzen diente. Heinz ergriff die beiden Ruder und nötigte den Freund auf den hinteren Sitz. Mit einem kräftigen Stoß trieb er das Fahrzeug in die Strömung des Schwarzwassers hinein. Nach wenigen Minuten hatten sie das Schloß hinter sich und strebten der Mitte des Weichselflusses zu.
Dort zog Heinz die Ruder ein und stützte den Kopf in die Hände. Ganz ohne sein Bemühen wurde das Boot rasch stromaufwärts fortgezogen. Erst da, wo kurz vor Sartowitz das Bett sich erweitert, um eine große Zahl von Rohr- und Weidenkampen aufzunehmen, mußte er von Zeit zu Zeit mit dem Ruder nachhelfen, ein Auflaufen zu hindern. Schwärme von wilden Enten erhoben sich aus ihren dichten Verstecken. Hier lohnt im Herbst die Jagd, meinte Heinz. Er hielt das Boot in der Nähe des linken Ufers, wo der Strom am stärksten war. Lege einen Augenblick dort an, bat Hans, indem er nach einem Sandhaken wies, es wird Zeit, an die Rückkehr zu denken, und stromauf ist's für dich beschwerlicher.
Warum anlegen?
Ich will dich nicht lange aufhalten.
Aber was hast du im Sinn? Er gab dem Boot eine rasche Wendung auf den Haken hin, so daß es dessen Spitze streifte.
Hans sprang hinaus. Und nun lebe wohl! sagte er. Ich setze meinen Weg zu Fuß weiter fort.
Heinz stand auf und stützte sich aufs Ruder. So war's gemeint? Das nenne ich einen listigen Anschlag!
Der Freund bot ihm die Hand. Glaube mir, es ist am besten so. Meines Bleibens war dort nicht länger. Ich mochte nicht feierlichen Abschied nehmen; aber grüße mir Waltrudis und sage ihr – nein, sage ihr nichts. Ich hoffe, sie wiederzusehen, und dann wird sich's erklären. Dich erwarte ich in Buchwalde.
Er nickte ihm freundlich zu, wandte sich rasch und ging dem Weichseldamme zu. Heinz stand noch eine Weile, auf das Ruder gestützt, und schaute ihm nach, bis er hinter den Uferweiden verschwand. Man entflieht doch seinem Herzen nicht, murmelte er vor sich hin. Dann stieß er das Boot ab und trieb es mit kräftigen Ruderschlägen gegen den Strom.
10. IM WALDHAUSE
Eine Woche später begegnen wir gegen Abend dem Junker Heinz von Waldstein zu Pferde auf der Landstraße zwischen Graudenz und Engelsburg. Er trug hohe Reitstiefel, die bis über das Knie reichten, und lange Radsporen daran, die in den Weichen des jungen Tieres schon kenntliche Spuren hinterlassen hatten. Am Sattelknopf hing auf der einen Seite ein leichter Brustharnisch, auf der anderen der dazugehörige Eisenhut und eine Armbrust. Hinten war der Mantel aufgeschnallt.
Der Komtur hatte ihn zur Kriegsreise ausgerüstet, soweit dies in Schwetz möglich gewesen war. Den Gaul kaufte er für ihn aus der Stuterei des Herrn Both zu Ilenburg, der ein begüterter Landesritter seines Gebietes war, und zahlte dafür dreißig Mark, eine beträchtliche Summe. Die Plate gehörte ihm eigentümlich, und er gab sie ihm zum Geschenk. Die Armbrust hatte Heinz dem Junker Lorenz von Lankendorf abgewonnen, da der mit ihr bei einem Besuch auf dessen Gut einen Schuß getan, auf den jener gewettet hatte. Was zur Rüstung noch fehlte, sollte in der Stadt Marienburg ergänzt werden, wo tüchtige Waffenschmiede arbeiteten. Einen Brief an den Hochmeister hatte er zu seiner Empfehlung mitbekommen und in der Gürteltasche sorgsam neben seinem Gelde aufbewahrt.
Nach des Komturs Meinung sollte er auf dem linken Weichselufer über Neuenburg und Mewe reisen; er hatte sich aber schon mit der Graudenzer Fähre übersetzen lassen. Nur seine Schwester hatte beim Abschied erfahren, daß er den Umweg über Buchwalde zu nehmen gedenke, und durch ihr Erröten bewiesen, daß sie wohl merke, weshalb er dies mitteile. Sie hatte ihm erlaubt, den Freund zu grüßen, auch auf seine Bitte eine kleine Locke von ihrem goldigen Haar abgeschnitten, ohne zu fragen, für wen sie bestimmt sei. Bruder und Schwester waren sehr vertraut miteinander geworden; sie wußte auch, was der kleine Ring mit dem blauen Vergißmeinnicht bedeutete.
Es war ein schwüler Tag gewesen, und noch jetzt, da die Sonne schon tief stand und rund um den Horizont Wolken aufgezogen, fühlten Mann und Pferd die drückende Hitze. Ein Gewitter mußte im Anzuge sein.
Er hoffte, vor Nacht Buchwalde erreichen zu können, auch wenn er den Gaul im Schritt gehen ließ, durfte dann aber keinen Aufenthalt haben. Deshalb kehrte er in der hoch auf dem Berge gelegenen Engelsburg bei deren Komtur Burghard von Wobecke nicht ein, sondern ließ sich nur vor dem Kruge eine Kanne Bier aufs Pferd reichen und ritt sogleich weiter nach dem großen Dorfe Okonin, dessen Kirchturm bald sichtbar wurde. Von hier führte die breite Landstraße halb rechts nach der Burg und Stadt Rheden, nur eine Meile entfernt. Da aber Buchwalde nördlich von diesem Orte liegen und СКАЧАТЬ