Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Heinz erlaubte sich keine Entgegnung darauf, so sehr ihm auch gerade das trotzige Wesen der Ratsherren gefallen hatte; er merkte wohl, daß der Komtur in diesen Dingen seine Ansicht fest begründet hätte und auf seine grüne Weisheit wenig geben würde. Rasch lenkte er also davon wieder ab und sprach von dem lustigen Pfingstfest und von des Königs Artus Tafelrunde, bei der Johann von Schönfels das Szepter getragen. Auch dazu schüttelte der Komtur bedenklich den Kopf. Die Elbinger und Danziger haben sich den König Artus von Lübeck mit nach Preußen gebracht, sagte er, und man mag's ihnen wohl gönnen, daß sie sich beim Spiel seiner erinnern als eines ritterlichen Herrn; wer aber ernstlich Ritterschaft in sich trägt, der sollte sich nicht brauchen lassen zum Scherz, denn das bringt falsche Ehre, und wem ich gedient habe beim Spiel, dem muß ich hinterher auch ein gefälliger Herr sein, wenn ich nach dem Recht strafen sollte.
Auch darauf verhielt der Junker sich still. Er hatte es so nicht empfunden und es eher für etwas recht Vornehmes gehalten, daß der Danziger Komtur den kürzlich geschlichteten Streit vergaß und herablassend sich beim Spiel beteiligte.
Da nun durch sein Schweigen das Gespräch ins Stocken geriet, ging der Komtur ein paarmal in dem engen Gemach auf und ab, nahm wieder die Briefe auf, blickte hinein und legte sie auf den Tisch zurück. Heinz nahm an, daß er allein sein wolle, und entfernte sich nach der Tür. Nun winkte ihm jener aber, noch zu bleiben.
Man wird dir gesagt haben, begann er von neuem, daß du eine Schwester hast.
So ist es, hoher Herr.
Und daß du sie hier finden sollst.
Das hat man mir versprochen.
Plauen nickte. Du sollst Waltrudis sehen, sobald sie vorbereitet ist – nicht hier im Schlosse, das sie nie betrat, sondern in der Stadt, wo ein Freund sie in sein Haus aufgenommen hat. Sie ist fast drei Jahre jünger als du und deiner Mutter Ebenbild. Sie starb, bald nachdem sie diesem Kinde das Leben gegeben hatte.
Die letzten Worte sprach er leise und mit dumpfem Ton; die Augen trübten sich, und der Mund zuckte schmerzlich. Morgen, sagte er, morgen vielleicht schon. Geh jetzt – ich werde dir eine Kammer anweisen. Vor Abend spreche ich dich noch.
Heinz dankte im voraus für alle seine Güte und verließ das Zimmer. Der Schreiber, der so lange draußen in der oberen Halle gewartet hatte, ging hinein, sich zu erkundigen, ob die Arbeit fortgesetzt werden solle, kam aber gleich wieder zurück und meldete, daß er den Komtur an seinem Betpult kniend gefunden habe. Heinz schloß sich ihm an und ließ sich im Schlosse herumführen. Es geht hier wie im Kloster zu, zischelte der Schreiber, seit Herr Heinrich von Plauen vor drei Jahren eingezogen ist. Ich schrieb damals das Übergabeprotokoll und merkte gleich aus dem, wie er seine Fragen stellte und nichts in Vorratshaus und Rüstkammer übernahm, was er nicht selbst gesehen und geprüft hatte, daß die leichten Tage vorüber sein würden. Man muß es wohl sagen, daß alles in bester Ordnung hier ist und im Gebiete der Komturei. Jeder Ritter- und Schulzendienst ist ins Buch eingetragen, und darüber, was jedermann dem Hause zu leisten und zu zahlen hat, kann kein Zweifel aufkommen. Es ist auch gute Zucht und Frömmigkeit unter den Brüdern, aber man fürchtet den Herrn Komtur mehr, als man ihn liebt, und würde ein milderes Regiment nicht beklagen. Früher ging's hier lustiger zu, und auf den anderen Schlössern, hat man mir gesagt, nimmt man's mit den Statuten nicht so genau.
Das hatte mindestens für das Danziger Schloß seine Richtigkeit.
Gegen Abend schritt der Komtur, in seinen Mantel gehüllt, durch die Zeltgasse dem Städtchen zu. Die Söldner zogen sich zurück, wo sie ihn kommen sahen, um ihm nicht Rede stehen zu müssen. Es war immer, als ob er nur die Augen aufmachen dürfe, um irgend etwas Pflichtwidriges zu bemerken. Der Komtur geht wieder um, sagte einer von den Knechten leise; was er nur so oft noch spät am Abend in der Stadt treiben mag? Sein Geselle lachte. Was wird's sein? Man erzählt sich, er habe dort ein schönes Schätzchen – das wird er besuchen. Der andere schlug ihm mit dem Handschuh auf den Mund. Du, hüte dich, mahnte er ängstlich ausspähend, der hat seine Ohren, und in dem großen Schloßturm soll ganz unten ein finsteres Kellerloch sein, in dem man die Leute aufbewahrt, die zu laut sprechen.
9. BRUDER UND SCHWESTER
Hans von der Buche war der Verabredung gemäß in Graudenz abgestiegen; der Weichselkahn hatte dort keinen Aufenthalt. Da er sich nun aber nach dem Knecht mit den Pferden umsah, ergab es sich, daß sie noch nicht eingetroffen waren. Bei dem kräftigen Nordwest, der fast unausgesetzt die Segel zu brauchen erlaubte, war die Reise allerdings überraschend schnell vonstatten gegangen; man hatte ihn in Buchwalde so früh nicht erwartet, oder es war irgendwie eine Verzögerung eingetreten.
Er nahm zur Nacht Herberge, meinte aber am nächsten Morgen, seine freie Zeit besser nützen zu können als mit dem Ablauern der Pferde. Die beiden Freunde hatten's so besprochen, daß Hans, nachdem er im Elternhause die Seinen begrüßt, nach Schwetz zum Besuch kommen, Heinz ihn dann aber zurückbegleiten und einige Tage in Buchwalde verweilen solle. Nun dachte sich's Hans recht lustig aus, von diesem Plane abzugehen und Heinz ganz unvermutet zu überfallen. Man könne ja dann noch immer ausführen, was man sich vorgenommen habe, meinte er.
So ließ er sich denn mit der Fähre über den Strom setzen und ging auf der Krone des Weichseldammes entlang, der nur wenige Meilen entfernten Stadt Schwetz zu. Er hätte ebensogut zu Fuß nach seiner Heimat wandern können, bis zu der er's nicht viel weiter gehabt haben würde, aber das fiel ihm nicht ein. Bei Sartowitz, wo die eigentümlich geformten Uferberge bis dicht an den Fluß traten, stieg er zur Kapelle hinauf und erfreute sich an der prächtigen Aussicht über den breiten Strom und seine Niederung hin. Es war noch früh und die Ferne in Nebel gehüllt; um so schärfer hoben sich die näher gelegenen Orte, die bewaldeten Höhen und die Weidenkampen im Fluß unter der Beleuchtung der Morgensonne heraus. Von da hatte er nur noch eine kleine Stunde bis zum Brückenturm am Schwarzwasser. Gegenüber lag das Städtchen, im Viereck von Mauern mit erhöhten und vorspringenden Türmen umgeben. Genau in der Mitte überragte sie das Rathaus mit seinem hohen Spitzdach und rechts in der Ecke die Pfarrkirche. Das Brückentor in der Mauer links war offen, denn die Bürger hatten auf ihren Äckern zu tun und mußten viel aus und ein. Junker Hans kam also unbefragt in die Stadt und brauchte dort keinen Wegweiser nach dem Markt, da er nicht zum erstenmal dort war. Die kleinen, schmalen Häuschen von Holz oder Fachwerk kamen ihm jetzt freilich recht ärmlich vor, da er so viele stattliche Städte inzwischen gesehen und erst kürzlich von Danzig Abschied genommen.
Mit dem ältesten Sohne des Ratmannes Johannes Clocz, namens Lippolt, war er in der Kulmer Schule zusammen gewesen. Der Vater war ein wohlhabender Kaufmann und besaß das große Haus am Markt mit den Speichern nach dem Mauergang zu. Man nannte es das große Haus, weil es zwei Baustellen einnahm und ein oberes Geschoß hatte, während sich die Nachbarn mit einem Stock und dem hohen Dach darüber begnügten. So war denn auch das Holzwerk über Tür und Fenstern zierlich ausgeschnitzt und ein niedriger Podest mit Geländer und Sitzbänken auf die Straße vorgebaut. Zu beiden Seiten standen zwei alte Linden, denen aber СКАЧАТЬ