Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ Alte strich sein Kinn. Nun – nennt's, wie Ihr wollt. Er ist einmal des Herrn Bischofs von Kujawien Hauskaplan gewesen und verkehrt noch immer gern an dessen Hof zu Subkau. Wir haben ihn in Verdacht, daß er ihm allerhand zuträgt, was im Schlosse und hier in der Stadt sich ereignet. Es ist ein Glück, daß man auch im Beichtstuhl nicht mehr sagen kann, als man weiß. Seit das Fräulein bei uns ist, umschleicht er unser Haus wie ein Fuchs. Es soll durchaus damit eine ganz besondere Bewandtnis haben, und so zerbricht er sich den Kopf um Dinge, die ihn sowenig angehen als mich. Laßt ihn nicht wissen, Junker, daß Ihr in Prag gewesen seid. Ihr habt da bei Tisch Reden geführt – hm, mir habt Ihr recht aus dem Herzen gesprochen, aber den Römischen –

      Er mußte abbrechen, denn der geistliche Herr räusperte sich schon draußen. Sollte mir leid sein, wenn ich störe, sagte er, beim Eintreten die Gesellschaft musternd. Wollte nur eine kleine Rücksprache halten wegen des Daches der Pfarrkirche, das über dem Chor schadhaft geworden ist. Aber ein andermal, ein andermal, wenn's Euch heute nicht ansteht.

      Er ging aber doch nicht, sondern nahm ein Gläschen süßen Ungarnwein an und mühte sich um eine vertrauliche Unterhaltung. Dabei war's leicht zu durchschauen, daß er besondere Aufmerksamkeit auf den Bruder seines frommen Beichtkindes richtete, wie er Waltrudis mit Vorliebe nannte. Er wußte ihn geschickt darüber auszufragen, von wo er gekommen sei und wer ihn geschickt habe und was er hier für Geschäfte betreibe, und wie überhaupt sein Lebenslauf bisher gewesen wäre, daß Heinz bald um Antworten verlegen wurde, zumal der Ratmann ihm heimlich zublinkte, vorsichtig zu sein. Als der Pfarrherr sich nach einer guten Stunde entfernte, wurde allen wohl zumut.

      Dann wurde, als die Sonne nicht mehr so scharf brannte, ein Spaziergang nach den Stadtgärten beschlossen. Man ging zum Kulmer Tor hinaus, das dem Schloßtor gerade gegenüberlag, links von dem breiten Turm, der dieser Seite der Stadtmauer eine erhöhte Festigkeit gab und auch mit einer Ausfallpforte für Zeiten der Not versehen war. Die anderen Türme hatten nicht dieselbe Höhe und Breite, traten aber doch drohend genug nach dem Graben vor; die kleine Stadt zeigte sich überhaupt auf dieser am meisten gefährdeten Seite von recht kriegerischem Aussehen. Feldwege führten zu den Gärten und Stadtäckern, auf denen fleißig gearbeitet wurde. Auf einer Stelle, wo sich der Boden gegen den Weichselstrom hin ein wenig erhob, standen im Kreise mehrere Eichen, die hier schon vor länger als hundert Jahren von freundlicher Hand gepflanzt sein mußten. Die kleine Gesellschaft lagerte sich dort im Schatten; die Mädchen sangen Lieder, die vom Rhein und Main her zugleich mit den deutschen Einzöglingen ins Land Preußen gekommen und älter sein mochten als die Eichen über ihnen, und die jungen Leute versuchten, sie im Baß zu begleiten. Dann strichen sie quer über Feld bis zum Schwarzwasser und folgten dessen geschwindem Lauf bis zum Brückenturm, kehrten aber erst nach der Stadt zurück, nachdem sie weiter hinaus den Hügel gegenüber dem Schlosse bestiegen hatten, auf dem einmal vor dem großen Brande die alte Stadt Schwetz gelegen hatte, jetzt nur noch vertreten durch eine Marienkirche, einen Gefängnisstock und eine Scheunengasse. Man hatte von hier einen Blick über die nicht hohe Verbindungsmauer zwischen Schloß und Stadt auf das Zeltlager der Söldner, das wohl für eine Weile die Schaulust beschäftigen konnte.

      Hans von der Buche war Waltrudis nicht von der Seite gegangen. Sonst meist still und in sich gekehrt, zeigte er sich jetzt gesprächig und unterhaltend. Er konnte gar nicht müde werden, dem schönen Mädchen in die wundersamen Augen zu schauen, und diese Augen richteten sich gern auf ihn, wenn er sprach. Daß sie ihn mit dem Bruder hatte verwechseln können, schien ihm in ihrer Schätzung einen bleibenden Vorzug zu geben. Heinz, der bald merkte, wo die Glocken hingen, handelte freundschaftlich, ging ab und zu und plauderte mit den beiden Ratstöchtern oder sagte der Neuenburgerin eine Artigkeit oder neckte Lippolt wegen seines Ansatzes zu einem Bäuchlein, das sich in der guten Pflege der Eheliebsten wohl zu behagen scheine. Wenn er dann zur Schwester zurückkehrte, sagte er gleichsam entschuldigend: Wir haben einander länger oder dergleichen, was nicht auf Hans Bezug hatte, und drückte ihr die Hand. Der aber erfuhr in der einen Stunde alles, was sie von ihrem jungen Leben zu sagen wußte, daß sie nach dem frühen Tode der Eltern im Kloster auferzogen sei, daß eine der Schwestern, eine nahe Verwandte der Plauen, eine sehr gelehrte Frau gewesen, und daß sie von ihr nicht nur das Lesen und Schreiben, sondern auch das Ausmalen der großen Anfangsbuchstaben mit bunten Farben und sogar ein wenig Latein gelernt habe. Lange sei sie der Meinung gewesen, daß sie zur Nonne bestimmt worden, aber sie danke es nun doch dem Komtur von Herzen, daß er sie in die Welt hinausgebracht und in seine Nähe genommen habe. Müsse sie einmal ins Kloster zurückkehren, so wisse sie doch nun, was der Verzicht bedeute. Der Junker wollte überhaupt von den Klöstern nicht viel halten und meinte, es sei sündhaft, sich dort lebendig zu begraben, wenn man nicht wirklich der Welt abgestorben sei. Gott wolle verhüten, daß sie sich je nach den stillen Klostermauern sehne.

      Abends kam der Komtur. Waltrudis eilte ihm entgegen, küßte ihm die Hand und dankte ihm für den Bruder, den er ihr geschenkt und mit dem sie sich rasch befreundet habe.

      Er streichelte ihr blondes Haar, faßte Heinz bei der Hand und sagte: Habt einander lieb, ihr beiden – der Himmel hat es so gewollt. Daß ich euch jetzt zusammenführte, hat guten Grund. Niemand weiß, was ihm bevorsteht, aber ein Kriegsmann, der sich zum Kampfe rüstet, soll immer auf die letzte Stunde gefaßt sein. Dir, Heinz, empfehle ich die Schwester zu treuer Sorge, wenn Gott mich abberuft – tritt dann mannhaft an meine Stelle, sei ihr ein Schutz und Schirm in allen Nöten.

      Er gelobte es mit einem heiligen Eide.

      Nun trat Hans von der Buche vor und sprach: Gestattet auch mir, hochehrwürdigster Herr Komtur, daß ich mich in diesen Bund schwöre. Heinz von Waldstein ist mein Freund, und seine Schwester soll seines Freundes Schwester sein. Zu ihrem Dienst stehe ich mit Gut und Blut.

      Da krauste der Komtur die Stirn und maß ihn mit einem stolzen Blick von Kopf zu Füßen. Wer ist's, der uns dieses Gebot macht? fragte er; es ist mir befremdlich von einem, den ich bisher nicht sah.

      Heinz trat sogleich ein und stellte den Reisegenossen vor. Es erklärte sich nun auch, daß er erst heute in der Frühe angelangt war und Waltrudis vorher nicht gesehen hatte. Das schien den Komtur zu beruhigen, aber er antwortete doch auf des Junkers Bitte nicht freundlich, sondern sagte: Freundschaft will erprobt sein. Man begegnet wohl einander im Leben und geht eine Strecke nebeneinander fort und meint, das Band müsse festbleiben in Ewigkeit. Aber der Menschen Sinn ist veränderlich, und was ihnen heute wert dünkt, das Leben daran zu wagen, das werfen sie oft morgen schon zu den leichten Dingen, die der Wind von ihrem Wege weht. Ich traue wenig Worten, auch wenn sie im Augenblick ernst gemeint sind; Taten bewähren den Mann, und den lobe ich am meisten, der nichts verspricht und doch in der Not zur Stelle ist. Deshalb binde ich niemand.

      Hans sah finster zur Erde und biß die Lippe; Heinz aber ergriff seine Hand und rief: Warum sollen wir's nicht auf die Probe ankommen lassen? Guten Willen haben wir gewißlich, und auch uns ist's mehr um Taten als um Worte. Hoffentlich bin ich mir allzeit Manns genug, die Schwester zu vertreten: wenn ich aber des guten Gesellen bedarf, sollst du der erste sein, den ich anrufe.

      Der Komtur tat keinen Einspruch; es schien ihm zu gefallen, daß Heinz so unerschrocken für den Freund das Wort nahm, und sein Gesicht wurde wieder freundlicher. Beide konnten sich's als eine Gunst anrechnen, daß der Komtur, als er sich nach einer halben Stunde verabschiedete, nicht leiden wollte, daß Hans von der Buche in der Stadt Nachtquartier nehme, sondern ihn aufs Schloß einlud. Der Ratmann aber gab seiner Frau einen heimlichen Wink, den sie wohl verstand. Hans durfte nicht ablehnen, so gern er auch bei Lippolt geblieben wäre, von wo er doch bis zu des Ratmanns Hause nur wenige Schritte gehabt hätte. Es verstand sich nun auch von selbst, daß die beiden Junker den Komtur sogleich nach dem Schlosse begleiteten.

      Dort wurde es früh Nacht; bald nach Sonnenuntergang begaben die Ritter sich in das Schlafhaus. Es bestand aus einer Reihe von Kammern, die sämtlich ihren Zugang von einem langen Korridor hatten. In demselben brannte die ganze Nacht hindurch Licht, und alle Türen zu den Schlafzellen blieben offen. Die Ritter begnügten sich mit einem Strohsack und einer wollenen Decke, СКАЧАТЬ