Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Sternberg stützte wieder nachdenklich das Kinn in die Hand, während er neben dem Freunde den Parchan entlang ging. Es kann zweierlei geschehen, begann er nach einer längeren Pause, und auf beides muß man sich gefaßt machen. Eine große Schlacht steht bevor, und wir können siegreich sein oder sie verlieren. Hört mich ruhig an, fuhr er fort, da Plauen den Kopf rasch gegen ihn wandte. Beides ist in seinen Folgen fast gleich bedenklich. Wir können siegreich sein, und dann werden wir nach neuen Siegen lüstern werden, die doch dem Orden keinen dauernden Gewinn bringen können, aber des Landes Mark aufzehren. Wir können die Schlacht verlieren, und dann steht unsere ganze Herrschaft auf dem Spiele. Denn der König wird nach einem Siege nicht anders Frieden machen, als wenn wir uns ihm unterwerfen, und es gibt unter den Gutsherren und Bürgern deren genug, die nicht so ungern –
Nicht weiter! unterbrach der Komtur. Ihr sprecht von Dingen, die man nicht für möglich halten soll. Unsere Untertanen werden nicht vergessen, welchen Dank sie dem Orden schuldig sind, und Verräter will ich sie nicht schelten lassen, ehe sie's verdienen. Wenn aber Unzufriedenheit im Lande umgeht, woher kommt das? Schließen wir nicht die Augen gegen das nächste. Im Orden selbst herrscht nicht mehr die alte ritterliche Zucht. Die strengen Artikel, wie sie uns als unverbrüchliches Gesetz gegeben sind, werden lästig. Man deutet, man umgeht sie, wie man kann, und die Gebieter gehen mit üblem Beispiel voran. Weil der Orden als Körperschaft Herr ist über dieses Land, so meint nun jedes Glied seinen Teil der Herrschaft für sich haben zu können und in Freuden leben zu dürfen. Viele Hunderte kleine Herren aber erträgt das Land unwillig. Darum müssen wir zurück zur alten Einfachheit und Strenge, zurück zu Armut, Keuschheit und Gehorsam, damit wir stark bleiben als ein Ganzes, ob wir gleich viele sind, und allezeit gerüstet bleiben zum Kampf um Gottes willen!
Sternberg lächelte. Jedes Jahr hat seine Saat und seine Ernte, entgegnete er, und wir zwingen die Welt nicht zum Stillstand. Als der Orden hier einzog, galt's, das Heidentum auszurotten in diesem Lande, und als er nach langen Kämpfen gesiegt hatte, seinen Besitz zu sichern gegen die Heiden ringsum. Seine Aufgabe ist erfüllt, seit die Litauer die Taufe angenommen haben; seine alte Vollmacht, die er aus dem Morgenlande mitbrachte, erlosch. Die neue Zeit fordert ein neues Gesetz, und die es ihr weigern, verstehen sie nicht. Wir haben ein Land, und es will regiert sein: wir sind die Herren und wollen herrschen. Da wir aber viele sind, so fragt sich's, wie wir's am besten ordnen, daß jeder nach seiner Bedeutung teilhabe an der Herrschaft und mitsorge zu ihrer Erhaltung. Der Hochmeister ist ein Landesfürst geworden. Sollen wir arme Ritterbrüder bleiben? Ein ehrgeiziger Mann kann leicht vergessen, daß er nur von seinesgleichen gewählt ist, und die Brüder verkürzen, ohne das Statut greiflich zu verletzen. Ist er ein Kriegsheld und lacht ihm das Glück, so wächst die Gefahr. Darum müssen wir wachen, daß des Ordens Haupt nur mit unsern Gedanken denkt und mit unsern Händen schafft. Die Ehre wollen wir ihm wohl gönnen, aber die Macht muß bei uns sein. So meinen's alle, die ich im geheimen darüber gesprochen habe, und ich hoffe auch Eurer Zustimmung sicher zu sein, Bruder Plauen.
Der Komtur schüttelte den mächtigen Kopf. Ihr irrt, rief er, zählt mich nicht zu Euren Gleichgesinnten! Wenn ich zur Meisterwahl ins Kapitel trete, wen wähle ich dann? Den besten, stärksten, tüchtigsten, den fürstlichsten von allen. Denn ich verspreche ihm zu dienen, und ich kann mit treuem Herzen keinem dienen, dem ich nicht Hochachtung zolle und volles Vertrauen schenke. Wer aber an die Spitze gestellt ist, der soll sich auch verantwortlich wissen für all sein mannhaftes Tun, und nicht bei seinen Untergebenen anzufragen verpflichtet sein, was seiner Würde ziemt und was ihm die Ehre gebietet zu tun oder zu lassen. Ein Mann soll er sein, nicht ein Kind am Gängelbande. Einen Fürsten will ich auf dem Hochmeisterstuhl, nicht eine Puppe in seinen Gewändern. Und so will ich ihm gehorsamen, wie ich Gehorsam fordern würde, wenn mich die Ehre des hohen Amtes träfe. Welche Tat kann man denn von dem erwarten, dem die Hände gebunden sind? Selbst muß er sein, und frei bewähre er sich!
Der Vogt schlug die Augen nieder vor seinen leuchtenden Blicken und zog den Hausrock dichter über der Brust zusammen, als wär's rätlich, sich in seinem Innersten zu verschließen. Ihr seid noch immer der alte Eisenkopf, sagte er, sich zu einem scherzenden Ton zwingend, und meint der Welt ihren Lauf vorschreiben zu können. Kommt's einmal wieder zur Meisterwahl – hoffentlich in langen Jahren nicht –, nun, so wißt Ihr, daß Ihr auf meine Stimme nicht zu rechnen habt. Gute Freunde werden wir gleichwohl bleiben können.
Er hielt ihm die Hand hin, aber Plauen schien es nicht zu bemerken. Gott verhüte, antwortete er ernst, daß der Brüder Gedanken sich einmal zu solchem Zweck auf mich richten. Meister Ulrich ist zum Glück jünger als ich und wird mich nach aller Voraussicht lange überleben. Ich geize nicht nach der Ehre, eine so schwere Last auf mich zu nehmen, und weiß wohl, daß ich nicht danach geartet bin, ein Herr zu sein, wie er Euch gefallen könnte. Ich tue meinen Dienst – heute als Komtur, morgen, wenn es der Meister so bestimmt, als einfacher Ritter hier oder dort und dem Geringsten gehorsam, über den ich jetzt gebiete. Nichts will ich, als ein starkes Glied in der Kette sein, die sich den Deutschen Orden nennt. Ihr sagt, er habe seine Aufgabe erfüllt. Nicht so, Sternberg! Der Heidenschaft hat er dieses Land abgewonnen, und mit seinem Blute hat er es gedüngt, mit dem edelsten deutschen Blute. Nicht leer hat er die Kampfstätte gelassen; aus allen Gauen des Heimatlandes hat er die kräftigsten Arbeiter hierher zusammenberufen und jedem seine Scholle angewiesen. Hier ist Sachsen und Franken, Bayern und Schwaben! Rundum aber bedrohen Polen und Massowier, Litauer und Szamaiten die Grenzen dieser deutschen Nordwacht und möchten das Licht auslöschen, das hier angezündet ist und ihnen die blöden Augen blendet. Deutsche Lehre, deutsche Sitte, deutsches Recht sind ihnen ein Greuel. Wir aber stehen mit dem Schwert in der Hand, daß der Bürger hinter uns in friedlicher Arbeit sie hege und pflege und verbreite zu unseres Herrn Christi Freude. Das ist unser Beruf!
Während er so mit feurigem Eifer sprach, hatte er die Kappe abgezogen und stand nun barhaupt da, dem Winde die hohe Stirn bietend, der vom Flusse her über die Mauer strich und das aufstehende krause Haar wellte. Nun erst zeigte sich die ganze Mächtigkeit dieser Stirn, und jeder Muskel des Gesichts schien von einer eisernen Sehne gestrafft. Sternberg wagte keine weitere Entgegnung, sondern legte nur die Hand auf seine Schulter und sagte: So verstehe ich's auch – unsere Wege sind nur verschieden. Hätte der Orden viele, wie Ihr seid! Dann wandte er sich ab und lehnte sich über die Brüstung der Mauer. Ein großes Holzfloß wurde eben von Dsimken mit langen Stangen mühsam weitergeschoben und von der Sandbank mitten im Fluß abgehalten. Das schien ihn zu beschäftigen.
Nun läutete vom Burghofe her eine helle Glocke zum Mittagessen. Der Komtur bat seinen Gast, ihm zu folgen; es war ihm lieb, daß das Gespräch sich nicht fortsetzen konnte. Gab es ihm doch schon genug zu denken. In den Hallen auf dem Hofe war für die Dienerschaft des Vogts und für die Knechte des Hauses gedeckt; auch ein Teil der Söldner wurde hier und in der großen Küche unter dem Kapitelsaal gespeist. Die beiden Männer schritten dem Flügel zu, in dem das Refektorium lag. Für Euch ist ein Platz an der Firmarietafel bereit, sagte Plauen, ehe sie eintraten; Ihr werdet an bessere Kost gewöhnt sein, als sie auf unseren Konventstisch aufgetragen zu werden pflegt. Nehmet vorlieb bei unseren Kranken. Befehlet Ihr, so leiste ich Euch da Gesellschaft, ob ich mich sonst schon ungern von den Brüdern ausschließe. Einem so werten Gast zuliebe wird einmal eine Ausnahme von der Regel gestattet sein.
Michael Küchmeister würde vermutlich gern dieses Anerbieten angenommen haben, das sich in jedem anderen Hause eigentlich von selbst verstanden hätte. Nun wollte er aber seinem strengen Wirt nicht weichlich erscheinen und lehnte deshalb die Vergünstigungen höflich ab. Erlaubt, antwortete er, daß ich mit Euren Rittern das Mahl teile, und laßt es bei der Tafel hergehen wie alle Tage. Soll ich Euch wirklich СКАЧАТЬ