Gesammelte Werke. Ernst Wichert
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Ernst Wichert страница 30

Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

isbn:

СКАЧАТЬ

      Wie es Euch gefällt, ist mir's genehm, sagte der Komtur und ließ ihn durch die schmale Tür in den hochgewölbten Remter ein.

      Die Ritter standen schon hinter ihren Stühlen von einfachem Holz und warteten auf das Zeichen, sich setzen zu dürfen. Einer der Priesterbrüder sprach ein Gebet. Dann nahm der Komtur neben seinem Gast oben an der Tafel Platz; zwischen ihnen und den Zunächstsitzenden blieb ein Raum frei. Mehrere dampfende Schüsseln mit einer Gemüsesuppe und Lammfleisch wurden aufgetragen; dazu schnitt sich jeder ein Stück von dem schwarzen Brot ab, das von Hand zu Hand ging. Auf dem Tische standen Kannen voll leichten Bieres, je eine mit zugeteiltem Maß für jeden Tischgenossen. Man trank aus kleinen Schankbechern von Glas. Der Gast erhielt Wein in einem silbernen Becher, Kop genannt, aus des Komturs Tresor, und einen Nachtisch von Butter und englischem Käse. Während des Essens herrschte streng nach der Ordensregel tiefstes Schweigen: nur las der Priesterbruder, an dem heute die Reihe war, von Zeit zu Zeit aus einem Buche vor.

      Nach aufgehobener Tafel räumten die Diener die Schüsseln und Kannen fort, der Tisch selbst blieb stehen. Nun begann eine lebhaftere Unterhaltung, indem die Ritter zu zweien oder dreien in die tiefen Fensternischen traten oder auch miteinander die Langseite des Saales auf und ab gingen. Zwei von ihnen vergnügten sich auch mit dem Schachzabel, zu dem ein kleiner Tisch hergerichtet war. Der Vogt trat heran und bewunderte gebührend die künstlichen Figuren, die ein Ordensbruder mit geschickter Hand selbst aus Birnbaumholz geschnitzt und mit allerhand Farben bemalt hatte. Auch bei den anderen Gruppen verkehrte er rundum und mischte sich freundlich in das Gespräch.

      Nach einer Stunde ging jeder an sein zugewiesenes Geschäft oder zu Waffenübungen auf den Parchan oder in die Kapelle zum vorgeschriebenen Gottesdienst in den Gezeiten. Sternberg verabschiedete sich von seinem Wirt. Man muß es Euch nachrühmen, sagte er, Ihr haltet gute Ordnung; vor hundert Jahren kann es in einem Ordenshause nicht anders zugegangen sein.

      Ich will das als ein Lob nehmen, antwortete Plauen, ob Ihr es schon mit einem Lächeln begleitet. Ich hoffe, meine Ritter werden, so geschult, in jeder Not ihre Schuldigkeit tun. Er trug dem Kellermeister auf, dem edlen Gast und seinem Gefolge reichliche Wegkost mitzugeben, und verließ den Vogt nicht eher, bis dieser aufs Pferd gestiegen und über die Brücke geritten war. –

      An demselben Tage zur Vesperzeit langte noch ein anderer Gast an: Junker Heinz von Waldstein. Er war mit dem Weichselkahn gekommen, der beim Städtchen Schwetz Rast machte, um Waren für dortige Krämer abzuladen und frisches Fleisch zur Kost für die Schiffsleute an Bord zu nehmen. Da er Briefe an den Komtur vorzeigen konnte, hatte man ihn ungehindert durch die Mauerpforte nach der Zeltgasse ausgelassen. Im Schlosse wurde er sogleich durch einen der Halbbrüder gemeldet.

      Der Komtur saß in seinem kleinen Gemach, das in seiner Schmucklosigkeit einer Mönchszelle glich, auf einem ungepolsterten, steiflehnigen Stuhl neben seinem Schreiber und revidierte das Zinsbuch. Mancherlei Rückstände der Zinspflichtigen waren dort eingetragen, auch Darlehne notiert, die einigen von den eingesessenen Gutsherren oder Schulzen zum Aufbau von Gebäuden nach erfolgtem Brandschaden oder zu anderen wirtschaftlichen Zwecken aus der Ordenskasse bewilligt waren. Nun schien es Zeit, diese Außenstände einzuziehen, ehe der Krieg die Rückzahlung erschwerte, und deshalb sollten Einmahnungen an die Schuldner ergehen.

      Als dem Komtur angezeigt wurde, daß der Junker von Waldstein vor der Tür auf Einlaß warte, erheiterte sich sein Gesicht. Er stand rasch auf, klappte den Folianten zu und trat ans Fenster, dem Schreiber den Rücken zukehrend. Der hatte aber wohl bemerkt, daß ihm das Blut in die Stirn geschossen war, wie wenn ihn sonst der Zorn anwandelte, und hielt sich ganz ruhig auf seinem Platz, weitere Befehle abzuwarten. Plauen stand eine Weile und schaute auf den Strom hinaus über die schmale Landspitze hinweg, an der sich das Schwarzwasser mit ihm vereinte. Die rechte Hand hatte er unter das Wams gesteckt und hielt sie dort auf der Brust. Vielleicht schlug sein Herz stärker als gewöhnlich, vielleicht hatte er sich mit schweren Gedanken abzufinden, die ihn plötzlich bestürmten?

      Dann wandte er sich zurück und hieß in ruhigem Tone den Schreiber gehen. Der Gast sollte eintreten. Er setzte sich wieder auf den Stuhl und stützte den Kopf in die Hand.

      Heinz blieb an der Tür stehen und verbeugte sich tief. Er wartete auf eine Anrede. Da sie nicht erfolgte, begann er selbst: Hochwürdigster Herr Komtur, ich hoffe, Euch durch Euren Bruder, den Kaiserlichen und Reichshofrichter Herrn Heinrich von Plauen, und durch Euren Vetter, den edlen Heinrich Reußen, im voraus gut empfohlen zu sein. Sie haben mich zu Euch nach Preußen geschickt mit diesen Briefen, die sicher alle nähere Auskunft geben, damit ich mich Euch von Angesicht vorstelle und erfahre, ob Ihr mich in Eurem Dienste brauchen oder dem Herrn Hochmeister empfehlen wollt. Man hat mir gesagt, daß ich zu Eurem Hause gehöre.

      Der Komtur musterte ihn, während er die Briefe überreichte, mit seinen grauen, ernsten Augen so eindringlich, daß er ein wenig verschüchtert den Blick senkte. Es war ihm, als müsse dieses erste Begegnen darüber entscheiden, wie er für alle Zeit dem würdigen Manne genehm oder unlieb erscheinen solle, und blitzschnell durchzuckte ihn der Gedanke, keine Nacht in dem finstern Schlosse bleiben zu dürfen, wenn er die Probe nicht bestehe. Darüber konnte ihn nun freilich ein mit freundlicher Betonung gesprochenes: Du bist willkommen, Heinrich, beruhigen. Das vertrauliche Du sagte ihm, daß er sich wirklich zum Hause gehörig betrachten dürfe.

      Plauen las die Briefe oder überflog wenigstens ihren Inhalt. Dabei schweiften seine Blicke fortwährend über das Papier zu dem bescheiden Wartenden hinüber und schienen an dem stattlichen jungen Manne mehr und mehr Wohlgefallen zu finden. Zuletzt öffnete er auch den Brief des Danziger Komturs. Was darin stand, schien ihn lebhaft zu fesseln: er las offenbar Zeile für Zeile, und manchmal blitzten die Augen freundlich oder nickte zustimmend der Kopf. Als er fertig war, legte er das Schreiben neben sich auf den Tisch, stützte die Hand darauf und erhob sich vom Stuhl. Bruder Johann von Schönfels schreibt mir, daß du dich brav gehalten hast im Kampfe mit den Seeräubern, sagte er, und zu Pfingsten beim Stechspiel der Danziger. Das freut mich zu hören. Sei mir nun doppelt willkommen. Ich hoffe, du wirst unserem Orden gute Dienste leisten, wo man sie auch fordert, und dir zu eigenen Gunsten des Herrn Hochmeisters Dank verdienen.

      Mit diesen Worten schritt er auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. Wie er ihm dann aber ganz nahe kam und die von der Freude über dieses Lob glänzenden Augen ihn hell anblitzten, wurde er anderen Sinnes. Er legte ihm beide Hände auf die Schultern, zog ihn an sich und küßte ihn auf Stirn und Mund. Heinz wurde ganz eigen zumut bei dieser Liebkosung, die ihm ganz unerwartet kam und so wenig zu der strengen Haltung des Ordensgebietigers paßte. Er bückte sich, Plauens Hand zu küssen, die nun die seinige erfaßt hatte und kräftig drückte. Der Komtur ließ es geschehen.

      Wundere dich nicht, sagte er dann, daß ich dich wie einen lieben Verwandten begrüße. Du bist es mir durch deine leider so früh verstorbene Mutter, eine treffliche Frau, die ich warm verehrte und deren Andenken sich mir durch dich erneuert. Ich finde in deinem Gesicht manchen Zug wieder, der ihr angehörte. Oh, wie vieles wäre heut anders, wenn Gott ihr länger das Leben gelassen hätte!

      Die Augen wurden ihm feucht, während er so sprach und den Jüngling liebevoll betrachtete. Aber rasch faßte er sich wieder und ward seiner Rührung Herr. Du erinnerst dich meiner schwerlich, fuhr er mit festerer Stimme fort, aber ich habe den Knaben in dem einsamen Waldhause oft besucht, wo er seine ersten Lebensjahre verbrachte, und wir waren damals gar gute Freunde. Dann geschah es auf meine Verwendung, daß du von meinen Verwandten aufgenommen wurdest, da ich selbst als Bruder des Deutschen Ordens deine Erziehung nicht leiten konnte. Hatte ich dich aber viele Jahre aus den Augen verloren, so doch nicht aus dem Gedächtnis. Oft hat man mir zu meiner Freude Löbliches von dir berichtet, denn lieb war mir's zu hören, daß du zum geistlichen Stande nicht Neigung hattest und ein wackerer Kriegsmann werden wolltest. Dazu ist nun hier in Preußen reichlich Gelegenheit, und deshalb rief ich dich zu mir. Zeige dich auch ferner meines Vertrauens würdig, und es soll dir an meiner Fürsprache nicht mangeln.

      Er СКАЧАТЬ