Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe
Автор: Levin Schücking
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075838650
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Ein Flügelmann, Herr Leutnant, sagte der andre, der ebenfalls sein Pistol zog und den Hahn spannte.
Sie stiegen nun ab, und Wendels, der aus Furcht vor ihren Kugeln stehen blieb, obwohl ich erwartet hätte, daß er trotzdem sich durch die Flucht retten würde, wie er früher schon oft getan in ähnlichen Lagen, ließ sich ruhig von ihnen erfassen. Der Leutnant sagte lachend, daß er schon lange davon überzeugt gewesen, wie jener den dringenden Wunsch hege, in ***sche Militärdienste zu treten, daß er jetzt gerade mit seinem Verlangen an die rechte Schmiede gekommen sei und daß sie ihn nur bäten, wenn er Waffen bei sich führe, sie abzugeben, da er eine schöne Muskete nächstens dafür wieder erhalten solle und einen Haufen Handgeld dazu. Sie durchsuchten ihn, erst nahmen sie ihm ein Messer, dann ein Pistol und endlich die Papiere. Der Werber, welcher der Befehlende zu sein schien, durchmusterte sie: ›Alle Wetter, Kerl.‹ rief er aus, ›wem gehört das?‹ Dann blickte er wieder hinein. Auch der andre Soldat sah jetzt neugierig dem ersten über die Schulter. Diesen Augenblick nahm mein Begleiter wahr; er sprang mir nach ins Gebüsch, lachte ganz unbekümmert und lief weiter. Die Werber eilten zu ihren Pferden zurück, sprengten ihm nach, wie Parforcejäger einem gehetzten Tiere, und schossen ihre Pistolen auf ihn ab. Wir befanden uns in einem Tale, in dessen Mitte ein See lag; dahin lief Wendels, und als sie ihm ziemlich dicht auf den Fersen waren, rettete er sich mitten in das Wasser, wo ihn der morastige Grund ringsumher schützte und er sich auch außerhalb des Bereiches ihrer Kugeln befand. Die Werber zogen nun fort und ritten durch das Tal, dem nächsten Dorfe zu; die Papiere nahmen sie mit sich. – Wendels ertrank in dem Wasser,« fuhr Lene, leiser und ruhiger werdend, fort: »da ich nun niemanden mehr auf der Welt hatte, der sich meiner angenommen bei dem wilden Leben, das die Meinen draußen in den Wäldern führen, und ich es bei ihnen nicht aushalten konnte, denn sie sind roh und fürchten kein Gebot, so blieb ich einige Zeit allein in der Gegend und spann oder nähte für die Bauern; dann ging ich hierher, um einen ordentlichen Dienst zu suchen. Ich hoffte eigentlich, Laienschwester in einem Kloster zu werden, aber sie wiesen mich zurück, weil ich eine Scherenschleiferdirne sei.
»Und nun, armes Geschöpf?« sagte Katharina, die mit dem Ausdruck der höchsten Spannung zugehört hatte.
»Nun hörte ich viel von Euch hier reden, wie Ihr so schön wäret und wie Euch alle Herren den Hof machten, besonders aber der junge Herr von Schemmey; und als ich gestern morgen am Brunnen stand, ritt ein Kavalier an mir vorüber, der zu Eurem Fenster hinauf grüßte. Die andern Mägde sagten, das sei der Herr von Schemmey; ich erkannte ihn als den Werber, der die Papiere mit sich fortgenommen hatte.«
Katharina sprang auf und lief heftig im Zimmer auf und ab; sie lachte, sie weinte, sie warf sich wieder in ihren Sessel und preßte beide Hände auf die Stelle, wo fast hörbar ihr Herz schlug. Ueberrascht war auch Lene aufgestanden und blickte verwundert auf ihr Treiben.
»Seid Ihr in Verzweiflung oder freut Euch das?« schrie sie.
»Kannst du beschwören, was du gesagt hast?« fragte Katharina.
»Bei Gott und seinen Heiligen!«
Katharina warf sich auf die Knie und faltete ihre Hände; dann fuhr sie wieder empor, der Sturm ihres Innern ließ ihr keine Ruhe. Sie umarmte Lene, sie küßte sie – »Mädchen. Mädchen, ich will dich in Gold fassen lassen!« Unbeschreiblich aber waren die Uebergänge und das wechselnde Aufeinanderfolgen der verschiedensten Gefühle in Lenes Brust, nun sie inne ward, welch' ganz andern Eindruck ihre Erzählung gemacht hatte, als sie beabsichtigte. Aerger über das Fehlschlagen ihrer Absicht, innere Zerknirschung, der Wunsch, auf der Stelle sterben zu können, war, was zuerst in ihr mächtig wurde. Sie hatte so lange sich in dem tröstenden Gedanken gewiegt, daß das Herz, welches Bernhard von sich gestoßen habe, doch so viel edler, treuer und tiefer sei als das der vornehmen Dame, nach dem er seufze und die ihn über das Spielzeug ihrer Eitelkeit vergesse; und nun verriet Katharina in dem Ausbruch ihrer ungebändigten Freude eine Leidenschaft, vor der die ihrige nichts voraus hatte. Sie hatte sie gehaßt und mußte sich gestehen, daß sie ihr unrecht getan; sie haßte sie desto mehr, aber sie mußte sie lieben, in diesen Ausbrüchen der Liebe für den Gegenstand ihrer eignen Neigung, der zwischen beiden eine Art Schwesterschaft bildete; sie mußte sich vor ihr beugen, als der Göttin, in deren Händen das Glück Bernhards lag. – Sie begann zu weinen und wandte sich zu gehen; als sie das Türschloß nicht zu öffnen verstand, verlangte sie mit der unartigen Ungeduld eines Kindes hinausgelassen zu werden.
»Nein, nein, du bleibst, du mußt für ihn zeugen, kein Schritt aus diesem Hause, bevor ich wieder da bin!« Katharina riß nach diesen Worten heftig an der Klingelschnur. »Nur noch eins,« fuhr sie fort, »wo ist er, sprich, wo? Er ist krank. – o Gott, was fehlt ihm? Ist er in Gefahr, wer pflegt ihn, sprich, um des Himmels willen! Wo ist Margret?«
»Er ist auf dem Schlosse Hohenkraneck bei P***, eine halbe Tagereise weiter; ob er noch krank ist, weiß ich nicht; es sind zwei Monate, seitdem ich aus der Gegend schied; er war außer Gefahr. Seine Mutter ist bei ihm.«
Zwei Domestiken waren eingetreten. Katharina befahl, auf der Stelle Anstalten zu einer Reise zu treffen und während ihrer Abwesenheit Lene in ihren Zimmern zu halten, auch sie mit niemandem verkehren zu lassen. Herr von Driesch bekam die erfreuliche Nachricht, er könne, wenn es ihm beliebe, auf seine Güter abreisen; nach einer Stunde saß Katharina von Plassenstein in ihrem Reisewagen, der mit ihr dem Süden zurollte. Es gibt nichts Mutigeres als ein Weib, das die Leidenschaft führt.
Achtes Kapitel
Katharina war während der ersten Stunden ihrer Reise in einer Aufregung, die sie wenig zu besonnener Ueberlegung ihres Schrittes kommen ließ. Endlich hatte sie wenigstens einen sichern Faden aus dem Gewebe in ihre Hand bekommen, das sie irgendwo geschlungen und verborgen ahnte, ohne bis jetzt die geringste sicher leitende Spur entdecken zu können. Daß Bernhard ein geretteter Erbe der Schemmeys sein könne, hatte ihr eine Art innerer Eingebung gesagt, in derselben Stunde, in der sie das Geschick dieser Familie ihm selbst erzählt hatte. Die alte Margret war plötzlich mit ihm von Bechenburg abgezogen, nachdem Herr von Driesch Verbindungen derselben mit dem jetzigen Besitzer der Schemmeyschen Güter – einem Menschen, der in dem Rufe stand, zu allem fähig zu sein – entdeckt hatte. Dies hatte Katharina durch das Gerücht erfahren; ihre geheimen Nachforschungen, wohin sie sich gewandt habe, waren ohne Erfolg geblieben. Bei diesem Verschwinden Bernhards hatte Katharina zu ihrer Bestürzung wahrgenommen, welche leidenschaftliche Kraft ihre Neigung zu ihm genommen; eine Neigung, die so unglücklich war, daß sie sich schuldig zu sein glaubte, mit aller Macht ihrer Seele dagegen anzukämpfen. Diese Macht war groß genug gewesen, um ein Frauenherz mit dem Gefühle bodenlosen Betrübtseins niederzuhalten, aber nicht es zu besiegen. Sie hatte eine unglückliche Zeit durchlebt; eine Zeit der unglückseligsten Halt- und Ratlosigkeit, wie sie einem Hauptabschnitt der inneren Geschichte so mancher Menschenbrust sein Gepräge gibt. Es ist immer dieselbe Geschichte, welche nichts Ungewöhnliches, aber desto mehr Trauriges hat; sie hatte das Gefühl innerer Berechtigung ihrer Liebe nicht ersticken können; es forderte ungestüm, daß ihm öffentlich und vor aller Welt dies sein Recht geschehe; aber eine Unzahl Verhältnisse trat dem in den Weg, welche, als Katharina sie näher prüfte, nichts für sich hatten als ihre Existenz und ihre Gewalt. Sie fühlte, daß sie ihrem eignen Dasein und der von der Natur tief in ihr СКАЧАТЬ