Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ und sagen, diesem Kinde gehören die Güter? Ja, ich hätte es können, denn die Frau bei Paris lebte damals auch noch und hätte für mich gezeugt, wenn man den Papieren nicht geglaubt hätte. Katterbach fürchtete mich deshalb; er mußte tun, was ich haben wollte. Ich sehe noch, wie er schäumte und wütete, als er sich so in meine Hände geben sollte; aber ich hatte ihn am Strick. Auch gelobte ich ihm, keinen Gebrauch von seiner Schrift zu machen, es sei denn, er wolle mit späterhin das bestimmte Geld nicht mehr bezahlen. Aber geschworen hab' ich es ihm nicht. Ich wollte nur Sicherheit, daß ich mit dem Knaben nicht zu darben brauchte.«

      Katharina durchschaute nun das ganze Gewebe. Die Alte war schlau genug gewesen, den jetzigen Besitzer der Schemmeyschen Güter ganz in ihre Gewalt zu ziehen; die Bescheinigung, durch die er sich so bloßgestellt hatte, war in die Hände eines Werbeoffiziers gefallen, und als dieser damit auftrat, mußte Katterbach jede Forderung desselben zugestehen, denn hätte jener die Sache anhängig gemacht, so wäre dieser zu einer schweren Rechenschaft gefordert, wie er sich habe in Besitz von Gütern setzen können, deren rechten Eigentümer er am Leben gewußt! Nur zwei Umstände blieben Katharinen rätselhaft: die Fähigkeit des alten Weibes zu einer so schlau verheimlichten Reihe schrecklicher Verbrechen und die unentschuldbare Handlungsweise des falschen Herrn von Schemmey, den sie wohl für im höchsten Grade leichtsinnig, aber nicht für schlecht halten konnte.

      »Jetzt«, fuhr Margret fort, »will ich Euch die Papiere geben; aber schwört mir erst, daß Ihr nicht sagen wollt, wo ich sei, wenn ihr damit hervortretet und man nach mir fragt: ich möchte ruhig hier mein Ende finden, nun ich es vom Gewissen abgewälzt habe. Herr Gerhards soll mir auch die Kommunion bringen. Ihr mögt nun tun, was Ihr wollt; aber laßt mich weiter ungefragt. Schwört mir das!« Sie streckte die Rechte aus, um Katharinens Gelöbnis zu empfangen.

      Diese wich einen Schritt von ihr zurück. »Nein, Margret,« sagte sie, »das kann ich nicht; Euer gerichtliches Zeugnis ist uns nötig, denn Eure Papiere sind fort!«

      »Fort?« rief die Alte erschrocken und sprang auf; »nein,« sagte sie dann ruhig, »die liegen wohlverwahrt in meinem verschlossenen Koffer, und der Schlüssel ist nicht aus meiner Tasche gekommen! Sie zog den Schlüssel hervor. »Da ist er«, sagte sie.

      Margret ging in ihre Schlafkammer. Katharina folgte ihr und stellte sich auf die Schwelle der geöffneten Tür; es war ein kleines Gemach. Der Tür gegenüber stand das Bett; die Gardinen aus rot- und weißgestreiftem Kattun waren zurückgeschlagen und aus den Kissen starrte die Maske mit den Glasaugen, das wunderliche Surrogat für einen Bettgesellen, von dem Katharina schon früher gehört hatte. »Ich mag nicht gern allein sein, wenn es dunkel ist,« sagte Margret mit einem Blick darauf. An der Wand über dem Bette hing ein aus Zinn gegossenes Heiligenbild mit einem kleinen Weihwassergefäß darunter, daneben ein Rosenkranz; ein zerlesenes Gebetbuch lag auf dem Stuhle vor dem Bette und gemalte Heiligenbilder waren mit Stecknadeln an die Gardinen befestigt, auch an den Wänden umher zwischen aufgehängten Kleidungsstücken und Flachsbündeln oder Garnvorräten hingen Bilder aus der Lebensgeschichte der Heiligen, Rosenkränze, Agnus Dei, Skapuliere, geweihte Kerzen und Palmbüschel, mit Papierchen daran, auf denen geschrieben stand, von welchen berühmten Wallfahrtsorten der Christenheit Margret diese Erinnerungszeichen mitgebracht hatte. Katharinen quoll ein Dunst aus der Kammer entgegen, der sie betäubend anwehte, wie die unheimliche und grauenhafte Gedankenatmosphäre der alten Sünderin, die so manche schlaflose Nacht krampfhaft die Beeren dieser Rosenkränze in den Fingern gedrückt haben mochte, wie um den Trost herauszupressen, den sie nicht geben konnten, welche so manches Mal ihre stieren Augen auf diese Wände geheftet haben mochte, wirre Blicke, stumme und unerwiderte Hilferufe der innern Gedankenqual, die jene weichen Kissen des Bettes zu einer Folterbank machte, bei deren Anblick Katharinen grauste.

      Die Alte schloß bedächtig den Koffer auf, der hinter dem Bette in einem Winkel stand. Zuerst zog sie ein braunes Pilgerkleid heraus, welches sie abstäubte, daß die Muscheln, mit denen der Kragen besetzt war, aneinander klapperten, und hing es dann über die Lehne eines Stuhles, Darauf kamen mehrere Kleider ans Tageslicht, die aus feineren Stoffen waren, als Margret sie jetzt trug, von der Zeit ausgebleicht, aber sorgfältig zusammengelegt; eines, das Margret auseinanderschlug, um es am Fenster zu betrachten, schien Katharinen den Schnitt eines Damenkleides nach einer jetzt veralteten Mode zu haben; auch der Schnürleib, der dazu gehört haben mochte, kam hervor; dann einige verknitterte, gelb gewordene Häubchen aus gesticktem Weißzeuge, wie keine Bäuerin sie trug. Mit einem trat Margret wieder an das Fenster und spannte es über ihren Fingern auf; es war mir zu weit, murmelte sie, die Alte hatte einen dicken Kopf; aber sie sah mich gern geputzt. Er sagte auch, eine Haube stehe mir gut; – ja, die Papiere. Sie fuhr fort auszupacken. Allerhand kleine Schmucksachen, ein alter, zerstäubender Blumenstrauß, dann ein kleines Paket kamen zum Vorschein. Margret öffnete das letztere; es lagen zwei Ringe und eine schwarze Haarlocke darin. Alles wurde nacheinander von ihr gemustert, ehe sie es auf einen Stuhl oder Tisch legte. Endlich war sie fast bis auf den Boden des Koffers gekommen; sie warf den Rest heftig durcheinander und rief erschrocken: »Die Papiere sind fort!«

      »Ich sagte es Euch,« versetzte Katharina.

      »So hat Katterbach sie stehlen lassen! Sollte er Lene bestochen haben? Und was wißt Ihr davon?«

      »Man hat sie Euch genommen, Margret; wir wollen sehen, sie wiederzubekommen. Ich hoffe, daß es gelingen wird, wenn Ihr Euer Zeugnis gebt. Haltet Gott vor Augen und denkt, daß es nur eine Art für Euch gibt, von der schweren Schuld, die Ihr auf Euch geladen habt, etwas zu sühnen. Denkt an Euren Tod und an Eure Rechenschaft.«

      Katharina ging. Die Alte eilte ihr nach. »Um Gottes willen, ich habe Euch gebeichtet, Fräulein«, rief sie, »Ihr müßt das Beichtsiegel achten«; sie ergriff Katharinen am Arme.

      »Laßt mich, Mutter Fahrstein; wir wollen beide nur unsre Pflicht achten. Denkt nicht mehr an das Urteil und die Strafe, die man hier für Euch haben kann; Ihr steht einem andern Urteile zu nahe.«

      Katharina ging, ohne daß Margret sie hindern konnte. Als sie ihren Wagen erreicht hatte, befahl sie, zum Schlosse Hohenkraneck hinaufzufahren.

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Als Katharinens Reisewagen etwa die Mitte des Hanges erreicht hatte, über dem Hohenkraneck lag, sah sie eine leichte und schlanke Gestalt den Berg herabschreiten, die nach wenigen Augenblicken ihren mühsam emporklimmenden Pferden zur Seite war und überrascht stehen blieb, um die Equipage anzuschauen. Es war Abend geworden und begann zu dunkeln, aber sie erkannte auf der Stelle Bernhard. Ein rascher Ruf gebot dem Bedienten auf dem Bocke, halten zu lassen; dann sank sie so ergriffen in die Wagenecke zurück, daß sie sich unfähig fühlte, sich zu erheben, um auszusteigen. Bernhard trat an den Wagen; er glaubte ihre Stimme erkannt zu haben; zitternd streckte er die Hand aus, um den Schlag aufzureißen; dann überkam ihn ein Gefühl, als ob er davonlaufen müsse. Es war zu spät; der Bediente öffnete und half der Dame auf ihren Wink aus dem Wagen. Als sie am Boden stand, wankten ihre Knie, daß sie sich an der Schulter des Lakaien aufrechthalten mußte. Aber früh daran gewöhnt, in jeder Situation sich zu beherrschen, faßte sie sich und sagte tonlos: »Fahrt nur hinauf; ich werde nachkommen, wenn ich mit diesem Herrn gesprochen habe; meldet Herrn von Kraneck, daß ich ihn um seine Gastlichkeit für eine Nacht ansprechen müsse, weil ich kein andres Unterkommen wisse.«

      Bis der Wagen wieder in Bewegung gesetzt war und sich aus dem Gehörkreise entfernt hatte, standen beide in stummer Verlegenheit und schauten nach, als ob es nichts Seltsameres für sie in der Welt geben könne, als eine von vier Pferden fortbewegte Reisekalesche; dann flüsterte Bernhard, während sein Atem stockte und mit Mühe ihn die Worte hervorbringen ließ: »Sie sind es, Sie hier?«

      »Und das macht Sie staunen, daß Sie keine Worte finden?«

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