Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe
Автор: Levin Schücking
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075838650
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»Und ich und Philipp sollen das Opfer von euerm saubern Vergleich werden?« rief Josina, einen Schritt zurückfahrend.
»Larifari! Philipp und Opfer! Siehst du oder sieht er aus, als könntet ihr ein Opfer vorstellen? Wenn du mich verstanden hast, so bist du selbst klug genug, dich nicht weiter zu sperren. Betrage dich morgen danach.«
Josina wußte keinen Einwurf zu machen; sie wußte auch eigentlich selber nicht, ob ihr der Vergleich mehr angenehm oder mehr unangenehm sei, und in Ermanglung einer bessern Antwort fing sie an zu weinen.
»Der Fremde gefällt mir auch schon wohl,« schluchzte sie, »aber ich habe doch Philipp einmal mein Wort gegeben.«
»Und ich werde ihm den Laufpaß geben.«
Der Hofrat erhob sich und nahm sein Licht wieder, Josina schluchzte heftiger.
»Hör',« sagte Herr von Katterbach, sich zu ihr umwendend und wie von Mitleiden ergriffen; »wenn du ihn gar nicht magst, nachdem du ihn näher hast kennen gelernt – dann – ich will alles aufbieten – vielleicht find' ich doch Beweise, mit denen wir ihn uns vom Halse schaffen!«
»So,« fuhr Josina auf und stampfte heftig auf den Boden, »daß ich um alle beide komme! Das laß dir nicht einfallen!«
Unterdes ließ sich der fremde Offizier auf seinem Schlafzimmer von seinem Bedienten die knappe Uniform und die Reiterstiefel abziehen; als er die Füße von ihrer schweren Bekleidung befreit fühlte, lief er im Zimmer auf und ab, sprang und hüpfte bald auf dem einen, bald auf dem andern Beine in die Höhe und legte eine ausgelassene Freude an den Tag.
»Peter, das ist einmal scharmant gegangen!« rief er aus, »scharmant! aber ich bin auch im Feuer gewesen. Anfangs ward der alte Löwe so weiß, wie's sein Kazikengesicht in seinem Leben nie gewesen ist, und dann brüllte er vor Wut und Angst; aber ich hielt ihn fest an der Stange, fest wie einen stetigen Klepper. Hast du die Dame vom Hause gesehen?«
»Einmal, so im Vorübergehen!«
»Das ist meine Braut.«
»Braut! Alle Wetter,« schrie Peter, »das ist schon abgemacht? Nun, da hat der Herr Leutnant eine Katze im Sack gekauft. Uebrigens ist es eine schöne Person, die Sie da angeworben haben.«
»Schön und so sanft wie ein Lamm und so kindlich unschuldig wie ein Engel!«
»Herr Leutnant ist schon völlig angeschossen; aber mich soll der Teufel holen, wenn sie nicht Haare auf den Zähnen hat, wie die alte Marketenderlisbeth!«
»Wieso, woher weißt du das, Schlingel?«
»Weil ich sie habe in der Küche die Mägde kujonieren hören, als ob es Hundevieh wäre!«
»Weiter nichts? die mögen's danach gemacht haben!«
»Aber,« fragte Peter schüchtern und neugierig zugleich, »wie ist es denn nur so schnell zugegangen?«
»Höre, Bursch, es ist doch eine unangenehme Sache, jemanden geradeswegs von Haus und Hof zu treiben, auch wenn man in seinem Rechte ist! Ich kann dir sagen, es wurde mir schwül zumute, als ich den armen Teufel sich winden und krümmen sah in seiner Angst. Der Schweiß trat mir auf die Stirne und, als er mit einem annehmbaren Vergleiche herausrückte, griff ich zu, um nur die Szene zu Ende zu bringen. Und nun weißt du, Peter, wenn große Herren einen Vergleich schließen, dann gibt der eine dem andern seine Schwester oder seine Tochter als Unterpfand oder als Handgeld in den Kauf, und so haben wir's auch gemacht! Peterlein, Peterlein,« er stemmte seine Hände ihm auf den Rücken und hüpfte vom Boden auf, »ich bin ein Hoch- und Wohlgeborener Freiherr des heiligen römischen Reichs – juchhe!« Der Hoch- und Wohlgeborene machte einen Satz über Peters Schultern fort, die sich geduldig niederbückten, daß der Zopf dem Burschen an die Stirn flog.
»Peter, ich will dich noch heute zu Amt und Würden bringen; was willst du werden?«
»Stallmeister!«
»Nein, das geht nicht; Pferde werden scheu, wenn sie Esel sehen.«
»Kellermeister!«
»Den Bock zum Gärtner machen! Ich will meinen Wein selber trinken, du Narr! Denke dir etwas andres aus!«
»Jägermeister!«
»Den haben nur die Fürsten; aber Hundejunge, wie stände dir das an? Gelt, Peterlein, das wäre so ein Aemtchen für dich? Ich will dir eine mit Silber beschlagene Karbatsche machen lassen und alle Tage nach Tische sollst du eine Stunde lang damit auf dem Hofe klatschen dürfen. Alle Martini ein neu Wams und wöchentlich nur einmal, Sonnabends morgens präzis um zehn Uhr einige Hiebe; Kerl, das wird ein Leben sein! Nun, pack' dich, ich will schlafen.«
Der lustige Leutnant warf sich ins Bett.
»Peter!« rief er dann den Abgehenden zurück, »bist du bös?«
»Befehlen, Herr Leutnant?« sagte der Beförderte, in steifer Haltung vor das Bett tretend.
»Es war ja Spaß, Pinsel; geh nur, du sollst Stallmeister werden; bist du nun zufrieden? Gute Nacht!«
Drittes Kapitel
Wir führen den Leser in die Residenzstadt M., wo seit einem Monat der Kurfürst seinen glänzenden Hof hielt und die vornehme Gesellschaft des Landes sich um ihn versammelt hatte. Wo er einzog, hob ein bewegtes, lärmendes und fröhliches Leben an; die großen und düsteren Höfe des vom Lande heimkehrenden Adels öffneten ihre eisernen Gittertore für Karossen und Sänften, die dunklen, verschlossenen Gemächer, in denen eine modrige Luft sich eingefangen, schlugen wie nach einem langen Winterschlaf die Augen ihrer Fenster auf und atmeten einmal wieder die Creme aller Wohlgerüche ein, die aus den Riechfläschchen und den seidenen Tüchern emporstiegen oder aus den Sandelholzfächern dufteten; die gestickten Atlasschuhe mit den hohen roten Absätzen trippeln über das neugewichste Parkett, die lange Schleppe von Trapd'or rauscht ihnen nach, und in unerreichbarer Höhe darüber wogen die Locken-, Federn- und Spitzenbaue der kunstreichen Toupets, langsame und feierliche Bewegungen gebietend. Desto behender sind die gepuderten Herren; in der goldgestickten Samtweste, in dem scharlachroten oder veilchenblauen Rocke mit goldenen Knöpfen kommen sie von einer Dame zur anderen, wie auf dem horizontal geschnallten Degen angeritten, und schwenken die Spitzenmanschetten, um mit graziöser Handbewegung den blumichten Redensarten eine Bekräftigung zu geben, worin sie Chlorindens Brillantenprätension von dem Funkeln ihrer Augen überstrahlt erklären und an Chimenens Nacken Perlenschnüre entdecken, die ein unglücklicher Schäfer über ihre Grausamkeit in den Kelch einer Rose geweint hat. Man sollte glauben, dieses zarte Geschlecht habe sich bloß vom Honig des Hymettus genährt; aber nein, wenn wir in die Küche treten, finden wir gewölbte Hallen, weit wie Kirchen, die weißen Köche in Scharen, ganze Schwadronen von Bratenwendern und ein Geschmor und Gezisch und Brodeln, als gälte es ein Lord-Mayor-Mahl zu bestellen; und von allen Dingen, welche die Ueppigkeit ausgesonnen, das Seltsamste ist der Porzellanvorrat, der in diesen Hallen klappert und rasselt, um seine Wanderungen in die oberen Regionen anzutreten. Nicht allein, daß die feinsten Blumenmalereien diese japanischen und chinesischen Erzeugnisse schmücken; nein, jedes Geschirr hat die Form des Tieres oder der Frucht, die es aufzunehmen bestimmt ist, bunt mit den natürlichen Farben bemalt, und die Vorratskammer ist eine ganze Menagerie von allen СКАЧАТЬ