Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 28

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ zumute; das Uebersetzen wollte nicht recht flecken, Schlaf hatte er auch keinen; nun war auch noch die Brille verloren.

      »Ei, wo ist sie denn?« sagte er; »ich muß den Plafond schärfer ansehen, daß ich die dummen Gedanken aus dem Kopf bekomme. Die Lichter brennen auch so dunkel; den Henker taugt das Zeug!«

      Er legte den Kopf zurück und schaute wieder zum Plafond empor, der schwarz getäfelt mit seinen Stricken über dem Saal hing.

      »Es kommt mir genau vor wie eine ungeheure Spinne, die ihre langen Beine niederhängen läßt,« flüsterte der Gutsherr.

      »Vikar, meine Brille, Er hat mir meine Brille genommen!«

      Der Geistliche sah auf: »Ew. Gnaden haben sie auf dem Kopfe.«

      »Ah ja, sela! Herr Vikar, sei Er so gut, eben die Kerzen da unten im Saal zu putzen.«

      Der Vikar stand auf und nahm die Lichtschere.

      »Nein, laß Er's nur; bleib Er hier, bei mir.«

      Noch eine Viertelstunde und Herr von Diersch fuhr auf: »Der Henker hole das langweilige Aufbleiben! Komm Er, Vikar, wir wollen leise fortgehen und uns zu Bett legen. Wir haben ja doch lange genug aufgepaßt, ob was kommen wollte. Die Lichter lassen wir brennen, den Wein können wir durchs Fenster gießen und morgen vor Tagesanbruch gehen wir wieder hierher, daß niemand etwas merkt.«

      Der geistliche Herr hatte sich so eifrig an seine Lektionen gehalten, daß darüber keine Gespensterfurcht in ihm hatte auftauchen können; zudem war er etwas gereizt gegen den Gutsherrn, der ihn eine Memme gescholten, und ließ jetzt nicht die Gelegenheit vorübergehen, sich dafür eine kleine Rache zu verschaffen.

      »Nein, Ew. Gnaden,« sagte er, »das geht durchaus nicht an; man könnte uns hören und jedenfalls würden wir uns morgen früh verschlafen. Das wäre eine schöne Geschichte, wenn es hieße, Ew. Gnaden hätten nicht Mut gehabt; man würde erzählen, wir hätten die greulichsten Erscheinungen gehabt, die uns verjagt hätten; Bechenburg käme vollends in Verruf. Ew. Gnaden haben's angefangen, nun heißt's: durchgesetzt!«

      »Die greulichsten Erscheinungen? Herr Vikar, glaubt Er wohl, daß es greuliche Erscheinungen gibt?«

      »In der Bibel werden sie nicht geleugnet.«

      »Aber die Alten wußten doch nichts davon.«

      »Die Alten waren Heiden. Und sie hatten doch auch ihre merkwürdigen Geschichten von Ahnungen und Erscheinungen. Brutus zum Beispiel bei Philippi.«

      »Aber hier in Bechenburg? Sollte es hier im Saale wohl wirklich nicht richtig sein?«

      »Ew. Gnaden wissen, was Anton sagt; ganz richtig ist es nicht, aber ich will nichts andres behaupten als was ich selber gesehen habe, und das ist nicht hier gewesen.«

      »Wo war es denn?«

      Der Vikar stopfte seine Pfeife, zündete sie an, hob langsam sein Glas an die Lippen und räusperte sich. In Herrn von Diersch befehdeten sich unterdes zwei feindliche Gefühle, die Neugier nach des Vikars Geschichte und die Furcht vor dem erhöhten Grausen, das sie ihm verursachen würde.

      Der Vikar hob an: »Ich war als Student einmal auf der Reise nach Marienfeld, wo ich einen Onkel unter den Konventualen hatte; es war ziemlich spät geworden, aber ich hatte mir vorgenommen, weiterzugehen, um noch den Abend anzukommen; ein Student, wissen Ew. Gnaden, ist durch seine Mutterpfennige bald –«

      »Horch, was war das?« fuhr Herr von Driesch auf, »dort in dem andern Kamin!«

      »O, der Wind wird's sein, der Kalk oder etwas dergleichen losbröckelt. – Also ich wanderte so durch den Abend weiter; nun waren die Wege sehr schlecht und es wurde immer dunkler um mich.«

      »Herr Jesus, steh' uns bei!« schrie der Gutsherr auf, »es ist da, es ist da!«

      »Still!« sagte der Vikar aufspringend und Herrn von Driesch fest am Arm ergreifend: »Still!«

      Hinter dem verschlossenen Kamine am untern Ende des Saals hörte man deutlich und unverkennbar jemanden husten. Herr von Driesch wollte die Flucht ergreifen, aber der Vikar hielt ihn fest.

      »Nichts da, Ew. Gnaden,« sagte er leise; »wir wollen die Sache untersuchen. Wir wollen wissen, was es ist; ist's ein Spuk, dann in Gottes Namen; ich habe einen Exorzismus bei mir. Vielleicht können wir einer armen Seele und diesem Haus zugleich Ruhe schaffen. Wir stehen in Gottes Hand.«

      Ueber den Geistlichen war ein Heroismus gekommen, der aus seiner gläubigen Religiosität entsprang; er glaubte, es sei seine Pflicht, hier standzuhalten und das Gefühl, daß man im Begriffe steht, eine schwere Pflicht zu erfüllen, gibt Mut. Herr von Driesch dachte ganz anders; er wußte, was es heißt, nächtliche Abenteuer bestehen; aber der Vikar hielt ihn eisenfest am Arm.

      »Sie stehen mir bei, Ew. Gnaden,« sagte er entschieden. »Ganz still! Gehen wir und öffnen den Kamin!«

      »0 laß Er, laß Er mich los; Er hat gut reden, Er ist geistlich, Ihm wird's nichts anhaben!«

      »Ich will mich vor den Kamin stellen und den Exorzismus lesen; wenn's Zeit ist, ruf ich ›los!‹ und Sie ziehen dann die beiden Flügel voneinander, daß ich dem Spuk ins Angesicht meine Sprüche und Beschwörung mache.«

      »Ich? um Gottes willen, wo denkt Er hin?!«

      »Da steht ein Nußhaken in der Ecke,« sagte der Vikar; »nehmen Sie den und ziehen damit die Klappen voneinander.«

      Der Geistliche ging und holte die lange Stange aus dem Winkel hervor, an deren oberem Ende eine kleine Sichel befestigt war; dann faßte er den Gutsherrn wieder am Arme und halb gezwungen mußte dieser ihm bis in die Nähe des untern Kamins folgen. An den hölzernen Klappen, welche die Feuerstätte schlossen wie eine kleine Flügeltür, befand sich an jeder ein Ring, mit dem man sie aufziehen konnte; in einen derselben häkelte nun der Vikar die gekrümmte Spitze der Stange und gab deren andres Ende dem zitternden Driesch in die Hand: »So, nun geben Sie acht!«

      »Aber wo soll ich nun bleiben?« sagte Herr von Driesch; »wenn ich die Klappe ziehe, fährt es auf mich zu und –«

      »Stellen Ew. Gnaden sich hinter mich.«

      Herr von Driesch hatte es schon getan.

      »Schöne Sicherheit,« sagte er, »ich muß mich ja zur Seite beugen, um die Stange zu halten. Warte Er, Vikar; so, trete Er mit dem linken Fuß über die Stange.«

      Der Gutsherr kniete nieder und hielt die Stange zwischen den Beinen des Vikars durch.

      »Ich fange an,« flüsterte dieser und zog den Zettel mit dem Exorzismus aus der Tasche.

      »Wart', stell' Er die Beine näher zusammen, näher, näher!«

      Der Geistliche tat es und begann die lateinischen Beschwörungsformeln abzulesen, die er in beiden erhobenen Händen hielt; – dann rief er mit gefaßter Stimme: »Los!«

      Herr von Driesch zuckte, und die eine der beiden Klappen flog auf. Der Vikar stand fest wie ein mutiger Streiter; Herr von Driesch hatte sich zurückgeworfen und lag, die Arme hinter sich auf den Boden stemmend, das Haar gesträubt und die Augen vorquellend, regungslos da.

      In dem Kamin СКАЧАТЬ