Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ Kapitel Die Erzählung des alten Barons

       Neunzehntes Kapitel Das Gericht

       Zwanzigstes Kapitel Die Marketenderin und ihr Korps

       Einundzwanzigstes Kapitel Beilagen und Dokumente

      Erstes Kapitel

       Ein Professor und ein Student der Universität Köln

       Inhaltsverzeichnis

      In einer der schmalen und düstern, aber dazumal nicht wie heute von Leben und Bewegung erfüllten, sondern sehr stillen, grasbewachsenen und schmutzigen Straßen der alten freien Reichsstadt, der heiligen dreigekrönten Colonia – an einer Ecke, welche durch eine noch viel schmälere, hier einmündende Gasse gebildet wurde, lag am Ende des 18. Jahrhunderts eins jener schönen malerischen alten Häuser, die heute das Entzücken eines kulturhistorisch gebildeten Menschen von künstlerischem Geschmack und die Verzweiflung dessen bilden, der verurteilt ist, in solch einem engen, schiefwinkeligen, dunkeln, zugigen, ungemütlichen Kasten zu wohnen. Wir verschweigen die Nummer des Hauses, lassen dem Leser die Wahl zwischen Hochstraße, Minoriten-, Buden- oder Rechtschulstraße und deuten als weitere Kennzeichen nur an, daß besagtes Haus, wie zu praktischem Gebrauche eingerichtete Häuser pflegen, unten eine Tür hatte und daneben zwei Fenster. Dasjenige, welches der Tür zunächst lag, zeigte hinter Scheiben von bescheidener Größe eine Ausstellung von sinnig geordneten Produkten ferner Länder und Völkerschaften, als da sind: einige Glasschalen voll grünlich-grauer Früchte des berühmten arabischen Kaffeestrauches; gelbe Kistchen, worauf für jedermann, der nur einigermaßen in der chinesischen Sprache und Schriftkunde bewandert war, mit großen Buchstaben deutlich zu lesen stand, daß darin der allerechteste Kaisertee enthalten; daneben Körbe mit jenen für jugendliche Phantasien gefährlichen getrockneten Früchten, die unter dem Namen Korinthen, Rosinen von Malaga und Feigen von Smyrna in den Handel kommen, und ferner eine kleine Pyramide der goldensten Äpfel von Siena. Neben diesen lachenden Produkten des Pflanzenreichs ferner Zonen zeigten sich die weit weniger idealen Gestaltungen, womit das Tierreich in solch einem Laden vertreten zu sein pflegt, so namentlich der unpoetische Hering, der häßliche Laberdan und der holländische Käse. Auch erblickte man symmetrisch in den Ecken aufgestellte Bündel jener dünnen irdenen Pfeifen, aus welchen der sanfte und vorsichtige Mynheer zu rauchen, ohne sie zu zerbrechen, das Geheimnis besitzt, und dazu Tabakpakete mit dem berühmten dreifach bekreuzten Wappen der Stadt Amsterdam; welche drei Kreuze ohne Zweifel von irgendeinem deutschen Kaiser oder Potentaten, der sich zu irgendeiner Zeit in irgendeinen Handel mit Holländern einließ, schließlich hinter ihnen her gemacht worden und alsdann zum ewigen Andenken in das Wappen der Hauptstadt gesetzt sind.

      Alle diese Gegenstände deuten hinreichend an, daß sich in unserm Hause ein Spezereigeschäft befand, und das Geklingel der Tür, welches sich oft genug, besonders im Laufe der Vormittagsstunden, darin hören ließ, bekundete, daß der Laden ein ziemlich besuchter war – wie das denn auch nicht wohl anders sein konnte bei der guten Lage zwischen Gassen und Gäßchen inmitten der Stadt, und obendrein ganz zu ebener Erde, durchaus gleich mit dem Straßenpflaster und ohne jede Treppe – ein wesentlicher Vorteil, lieber Leser, bei allen Spezereigeschäften, Bierstuben und ähnlichen Läden, wie du vielleicht, wenn du nicht selbst in etwas »machst«, noch nicht gewußt hast ... ein vielgeplagtes Küchenmädchen, das den Tag über genug in und außer dem Hause umherzurennen hat, liebt es nicht, ausgetretene glatte Treppenstufen zu erklimmen, um des Herings habhaft zu werden, nach welchem die Gebieterin spät nach der Abendsuppe noch ein Gelüsten bekommt, und noch weniger liebt es der intelligente nach einem Lot Kaffee ausgesandte Knabe, der bereits durch derartige minder wichtige Missionen in der Haushaltung nützlich gemacht wird.

      Es war um diejenige Zeit des Jahres, wann die Tage nach der Versicherung des Kalendermanns kürzer zu werden beginnen als die Nächte, an einem feuchten, nebelerfüllten Abende, als ein hoch und kräftig gebauter junger Mann, in einen Mantel gehüllt, mit sehr elastischem Schritt und doch lässig und langsam durch die Gasse daherging, zu deren namhaftesten Sehenswürdigkeiten unser eben beschriebenes Ausstellungsfenster gehörte. Der junge Mann kümmerte sich dabei wenig darum, an welchen Stellen seine Klappenstiefeln den festen Grund berührten; die Pegelhöhe des schlammigen, schwarzen Sumpfes, der infolge vorhergegangener Regentage die Straße füllte, war überall dieselbe.

      Er blickte nicht einmal auf seinen Weg, sondern trug das Haupt sorglos erhoben; vielleicht erfreute sich sein lebhaftes und fröhliches blaues Auge an dem phantastischen Bilde, welches die Straßenperspektive vor ihm darbot, an diesen merkwürdigen alten Häusern zu beiden Seiten, die mit ihren vorspringenden oberen Stockwerken und ihren Erkern aus dem Nebel, der alle Umrisse vergrößerte, höchst wunderbarlich und märchenhaft hervorschauten; während die an den Fronten angebrachten Figuren und Köpfe, vor allem die kuriosen Wahrzeichen von Köln, die alten Gesichter über den Torbogen und Eintrittstüren, dem Dahinwandelnden ganz eigentümliche Fratzen zu machen schienen, deren mimische Bedeutung bei der Dämmerung jedoch schwer zu enträtseln war.

      Als der junge Mann vor dem Hause mit dem Spezereiladen angekommen war, schlug er den Mantel auseinander, trat einigemal stark mit den Stiefeln auf die Schwelle, um sie des klebengebliebenen Schmutzes zu entledigen, und trat ein.

      Der Ladenraum bot nicht überflüssig viel Platz dar für eine kräftig ausgebildete Männergestalt, die, ihren Mantel auf die Schultern zurückgeworfen, von dem dreieckigen kleidsamen Hütchen durch einen kecken Schwung die Feuchtigkeit, welche sich darauf gesammelt hatte, abschütteln und dann mit einem Tuche das starke schwarze lockige Haar von den Tropfen befreien wollte, womit der Nebel es leicht überpudert hatte. Die Ellenbogen des jungen Mannes kamen dabei rechts in Berührung mit allerlei Matten, Bürsten, Kuhketten, Stuhlrohr, Stricken und dergleichen malerischen Draperien eines Ladenraumes; auf der andern Seite stießen sie an die aus dunklem Eichenholz geschreinerte Theke, über der eine Art von Triumphbogen sich erhob, gebildet von zwei kühn geschweiften und in der Mitte sich umschlingenden Schlangen und belastet mit glänzenden Wagschalen und dicken Packen grauer Tüten.

      Umschlossen von diesem sinnig erfundenen Rahmen stand hinter der Theke eine sanfte Männergestalt mit grauem Haar und einem mehr freundlichen und belebten als sorgfältig rasierten Gesicht, das, an den Schläfen stark eingedrückt, eine sehr gewölbte, hohe, kahle, höchst gelehrt aussehende Stirn zeigte; ein Gesicht, das viel mehr das eines gutmütigen spekulativen Weltweisen war als das eines Mannes, der geboren, sich mit dem Abwägen von Pfeffer, Kandis und Waschbläue zu beschäftigen.

      Es schien in der Tat, daß auch der eintretende junge Mann diese Bemerkung machte, denn nachdem er dem Manne hinter der Theke eine nicht unzeremoniöse Verbeugung gemacht hatte, sagte er mit einiger Überraschung im Tone:

      »Ei der Tausend, mein Herr Professor, ist dero Gelahrtheit wieder einmal zwischen die Öl- und Heringsfässer gebannt, so daß ein lernbegieriger Jünger, der kommt, zu den Füßen seines Lehrers zu sitzen, Gefahr läuft, dabei in den Tran zu geraten?«

      »Was soll man machen, Herr Bender, was soll man machen! Die werte Eheliebste liegt an einer kleinen febris intermittens rheumatischen Charakters danieder, die Magd ist mit den Angelegenheiten der hilfebedürftigen Jugend in der Kinderstube beschäftigt, und so muß denn der Hausvater wohl vom Kothurn der Wissenschaft auf den Soccus des Spezereigeschäfts herabsteigen. Treten Sie näher, Herr Bender, ich will nur noch einige Lot gemahlenen Kaffees in die respektiven Tüten verpacken, um diesen vorzugsweise beliebten Artikel bei vorkommender Nachfrage sofort fertig und ohne Zeitverlust verabreichen zu können. Wir wollen alsdann unverweilt unsere Vorlesung beginnen. Wir waren СКАЧАТЬ