Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ verteidigte sich auch Straßburg gegen seinen Bischof, gegen den Markgrafen Bernhard von Baden und Eberhard den Milden von Württemberg. Schon zwei Jahre nach der Niederlage von Döffingen brachte das kühne Ulm wieder einen Bund schwäbischer Städte zustande. Vollends im Norden hatten die Städte soeben eine solche Stellung erkämpft, daß sie sich an Macht und Ansehen neben Heinrich den Löwen, an Weisheit über ihn stellen konnten.

       Inhaltsverzeichnis

      Je feiner und verwickelter ein Organismus ist, desto mehr ist er Schädigungen ausgesetzt, desto schwieriger ist seine Erhaltung. Die mittelalterliche Verfassung, wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann, mit der Menge ihrer einzelnen Glieder, der vielfachen Abstufung derselben, dem daraus sich ergebenden Reichtum an Beziehungen, denn sie bestand ja eigentlich aus persönlichen Beziehungen, mit der großen, durch Papst und Kaiser vertretenen Idee des Ganzen, dieser zugleich großartig einfache und labyrinthische Bau hatte wie kein anderer den Vorzug alles durchdringender Beseeltheit. Wie aber auch im Leben des einzelnen die Phantasie und Lust am Spiel allmählich vor nüchterner Berechnung des Erfolges und dem Zweckmäßigen zurücktreten muß, so gingen die meisten Länder zu Formen über, die rasches Handeln und gründliches Ausnützen aller Mittel ermöglichten. In Frankreich wurde nach und nach die Vielfalt des Individuellen von einem Mittelpunkte aufgesogen, in England bildete sich eine gegliederte Vertretung des einzelnen innerhalb der Zentralgewalt aus. In Deutschland erhielt sich die Idee des Römischen Reiches, und zwar so, daß die Zentralgewalt, die niemals unmittelbar und unbedingt herrschend gewesen war, nicht wie in den Nachbarländern stärker, sondern schwächer wurde. Wundervoll, als wäre es vernünftig abgewogen, war hier ein Miteinander und Gegeneinander von Kräften entstanden, die keinem ermöglichten, sich ein erdrückendes Übergewicht anzumaßen. Der Gegensatz von Kaiser und Papst, Kaiser und Fürsten, Fürsten und Rittern, Rittern und Städten, Städten und Fürsten hemmte den Machttrieb und ließ ihm doch so viel Spielraum, wie zur Entfaltung produktiven Lebens notwendig ist. Es bestand natürlich bei einem so vielverschlungenen, von entgegengesetzten Kräften durchströmten Gebilde die Gefahr, daß es auseinanderfalle, wenn die Vertretung des Ganzen im Verhältnis zu den Einzelgliedern zu schwach würde, und daß dann gegenüber der entarteten Freiheit die Gewalt einen falschen Reiz gewänne. Im vierzehnten Jahrhundert wurde diese Gefahr bemerkbar. Nicht nur schien der Kampf der Fürsten und Städte, des Adels und der Städte, der Fürsten untereinander das Reich sprengen zu wollen, es bildete sich das Territorialfürstentum, das die Idee des Beamten- und Polizeistaates einführte, und nicht nur von einem einzigen, sondern von mehreren Punkten aus den Reichtum der mittelalterlichen Staatsgestaltung unterdrückte. Sicherlich war das insofern ein Vorteil, als die Menge der Fürsten die Machtentfaltung jedes einzelnen beschränkte und als in dieser Menge doch die mittelalterliche Tendenz zur Vielgestaltigkeit siegte; aber sie trug dazu bei, das, was schöner Reichtum gewesen war, in ein Chaos aufzulösen. Durch keinen höheren Willen mehr geregelt, drohte die Herrlichkeit des Sternenhimmels in wirres Stückwerk auseinanderzufallen. Es wieder zur Ordnung zu erheben, wäre die Aufgabe des Kaisers gewesen, ihn traf der Vorwurf, wenn der Versuch dazu nicht unternommen wurde oder mißlang, und doch rief sein Eingreifen sofort Auflehnung und Mißtrauen auf allen Seiten hervor.

      Nicht ohne wehmütige Betrachtungen kann man das Kinderbild Wenzels in Prag sehen, das morgenfrische Gesicht mit dem neugierig ins Leben schnuppernden Stumpfnäschen. Aus solch einer Knospe kann so viel Verwilderung, Unrat, Unglück erwachen! Es läßt sich denken, daß nicht Bösartiges, sondern etwas Kindliches, Unentwickeltes in seinem Charakter ihm zum Verhängnis wurde. Gegen die Kurfürstenaristokratie, die seines Vaters Grundgesetz als gleichberechtigte Regenten neben den Kaiser gestellt hatte, konnte er nicht aufkommen, sie kanzelten ihn ab und bevormundeten ihn wie einen Schüler, und er hatte wohl genug Selbstgefühl, um sich gegen ihre Überheblichkeit zu empören, aber nicht Überlegenheit genug, um sie abzuwehren. So blieb er denn in Böhmen als ein swyn in seinem Stalle, wie der deutsche Chronist sagte. Es scheint, daß sein Charakter sich mit den Jahren verschlechterte, daß er sich ungezügelten brutalen Aufwallungen überließ; seine Trunksucht wurde einer Vergiftung zugeschrieben, infolge derer er an dauerndem Durst gelitten habe. Die Sage hat sich überhaupt mit Wenzel viel beschäftigt; wie sie die verehrten Kaiser schmückte, so verunholdete sie den verachteten: sie läßt seine erste Frau durch seine Jagdhunde erwürgt werden, läßt ihn selbst Hand anlegen bei der Folterung seiner Feinde, läßt ihn die edelste Krone der Christenheit gegen ein Faß Bacharacher Wein verhandeln. Ausgehend von der Vorstellung des Hochgeborenen als des Schönen und Edlen erzählte man sich, daß der angebliche Königssohn ein untergeschobenes Kind und eigentlich der Sohn eines Schusters sei. War das auch nicht so, denkt man doch daran, wenn man mit Wenzel seinen Halbbruder Siegmund, den Sohn der Elisabeth von Pommern, vergleicht. Es erscheint wie ein Wunder, daß nach dem abseits schmollenden, halb tollen Wenzel, und nachdem auch das ehrliche Streben Ruprechts von der Pfalz vollständig gescheitert war, noch einmal ein Kaiser erschien, der seine Aufgabe im großen Sinne auffaßte und das edelste Zepter der Christenheit noch einmal wie einen Zauberstab gebrauchte. Hebt sich sein gekröntes Bild von der ungläubig gewordenen Zeit auch wunderlich grotesk ab, so überhaucht es der unheilbare Gegensatz zwischen seinen imperatorischen Ansprüchen und den in der Zeit liegenden Möglichkeiten sowie zwischen seinen Ansprüchen und der eigenen Persönlichkeit auch mit tragischem Schmelz. Schon äußerlich war Siegmund so, wie die Deutschen ihren Kaiser zu sehen liebten, blondhaarig, schön von Wuchs und schön von Angesicht, so schön, daß ihn Maler als Vorbild für einen der Heiligen Drei Könige wählten. Ein echter Vertreter des Römischen Reichs Deutscher Nation war er auch darin, daß sich das Blut verschiedener Rassen in ihm mischte, und daß er doch ganz Deutscher war, sich ganz als Deutscher fühlte. Die Heiterkeit seines schönen Gesichts war nicht nur die des Königs, der über seinem Volke wie die Sonne leuchtet, sondern auch die einer in ihrer Fülle glücklichen Natur. Er hat einmal gesagt, ein guter König müsse zugleich gefürchtet und geliebt werden. Vielleicht wurde er mehr geliebt als gefürchtet; aber er konnte auch hart, ja grausam nach den Gewohnheiten der Zeit strafen, wenn es ihm nötig schien, und die eigensüchtigen, widerspenstigen deutschen Fürsten würden sich sicher nicht aus bloßer Liebe gebeugt haben. Er wußte zu herrschen und zu gebieten innerhalb der Grenzen, die damals vorhanden waren, und er gab nach oder zog sich zurück, wenn er sich diesen Grenzen näherte. Was die Menschen anzog und überwand, war die unbefangene Menschlichkeit dieses Hochgestellten. Er glaubte nie, sich etwas zu vergeben, wenn er sich gab, wie er war, und wenn er, wie es wohl geschah, sich allzusehr gehen ließ, den Abstand zwischen dem Kaiser und dem Volk zu wenig wahrte, so hat das doch seinem Ansehen nicht schaden können. Was immer, besonders aber auf dem Throne, selten ist, er hatte Freunde, die er liebte und denen er treu blieb, manchmal mehr, als sie es ihm waren. Einen Unterschied der Geburt machte er nicht, wie es denn auch angenehm auffiel, daß er niemanden mit du, alle mit Ihr anredete; zu seinen Freunden gehörte so gut der Burggraf Friedrich von Nürnberg wie der Florentiner Pippo Spano, sein Feldherr, den die Legende zu einem Kind des Volkes gemacht hat, wie der Bürgersohn aus Eger Kaspar Schlick. Die Freunde machte er mit vollen Händen reich, nie berechnend, ob ihm auch sein Vertrauen vergolten würde.

      Er schenkte nicht, um sich Freunde zu machen, sondern weil Verschwenden seine Natur war; einmal, als ihm eine gewisse Menge Dukaten gebracht wurde, verteilte er sie sofort unter die Anwesenden. Allerdings liebte er festliche Geselligkeit, Pracht und Überfluß und gab achtlos Geld dafür aus, das wichtigeren Zwecken hätte dienen sollen. Seine Unfähigkeit, gut zu wirtschaften, lähmte seine Regierung, der Mangel an Geld, das verhängnisvolle Übel der römischen Könige des 14. und 15. Jahrhunderts, hinderte nicht nur die Ausführung seiner Pläne, sondern brachte ihn auch persönlich in beschämende Lagen. Ganz fehlte ihm die Feldherrngabe, niemals hatte er Glück im Kriege, was ihn nicht hinderte, es immer wieder zu versuchen. Persönlich mutig war er in hohem Grade: als einmal ungarische Barone ihn absetzen wollten und ihn mit dem Schwert bedrohten, sah man ihn nicht erschrecken, und seine Kaltblütigkeit entwaffnete sie. Ebenso unerschrocken benahm er sich bei Gelegenheit eines Brandes und Aufruhrs in Perpignan. Besonders auffallend war seine sprachliche Begabung: er beherrschte außer der deutschen die lateinische, böhmische, ungarische, СКАЧАТЬ