Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ auch der Staat nach beiden. Für die Staatsmänner war die Kirche, die sich so viele Blößen gab, nicht die Führerin der Seelen zu Gott, sondern eine Art Gegenstaat, ein Block, der ihre Bestrebungen, alle Kräfte des ihnen unterstellten Gebietes in einem Mittelpunkt zu sammeln, hemmte. War ja doch die Kirche ein Staat und zwar ein ungemein verfeinerter, mit einem Beamtenapparat und einer Finanzverwaltung, wie die weltlichen Staaten sie noch nicht besaßen, aber inständig anstrebten.

      Die Verstaatlichung wie die Verweltlichung überhaupt empfing Nahrung von der Antike. Keine Weltanschauung vermag weder ihren eigenen Gehalt vollkommen auszuprägen, noch den unendlichen Gehalt der Geisteswelt vollkommen zu umfassen, deshalb ist einer jeden der Trieb zur Wandlung eingeschlossen. Für das Abendland ist eine von der christlichen verschiedene von Bedeutung: die der Antike. Sie kennt nicht die Spannung zwischen Gott und Mensch, zwischen Gottesreich und Welt, zwischen Gut und Böse, kennt den Gott nicht, der zum Menschen spricht: Du sollst heilig sein, denn ich bin heilig! Was es hier an Forderungen gab, war die Entfaltung des Natürlichen in schöner Harmonie. Nicht das Sittliche, aus dem Keim der Liebe erwachsend, war der Maßstab bei der Erziehung des Menschen, sondern die Tüchtigkeit, das Schöne und Maßvolle. Da nicht das Jenseits, sondern die Erde als Heimat des Menschen betrachtet wurde, wandte sich der strebende Geist ganz ihr zu, und da man an die unbegrenzte Kraft und die Zuständigkeit der menschlichen Vernunft glaubte, überließ man sich der Durchforschung des Universums und dem Aufbau einer vernunftgemäßen Gedankenwelt. Das freie und stolze Sichhingeben an die Vernunft und die Sinne hatte eine Kultur von hoher Vollendung geschaffen, die in Italien unter christlichen Idealen und Formen verborgen weitergelebt hatte und immer mächtiger, wenn auch nicht unverändert, hervorzubrechen begann. Niemals war die antike Bildung in Italien ganz verlorengegangen; sie hatte sich in den Schulen, in der Kirche und auch in einer für die Italiener charakteristischen klaren, auf das Wesentliche und Praktische gerichteten Denkweise erhalten. Nachdem die germanische Flut, die Italien überschwemmt hatte, aufgesogen war und aus verschiedenen Bestandteilen ein italienisches Volk, ein unerhört begabtes, sich gebildet hatte, besann dies Volk sich auf seine ruhmvolle Vergangenheit, und zwar mit um so leidenschaftlicherer Hingebung, als seine politische Zerrissenheit und Machtlosigkeit in der Gegenwart es nicht befriedigte. Aus diesem politisch ohnmächtigen Volk gingen im 14. und 15. Jahrhundert so viel herrliche, vorbildliche Schöpfungen auf dem Gebiet der Kunst, Musik, Dichtung und Wissenschaft hervor, wie sie kaum jemals außer Griechenland ein verhältnismäßig so kleiner Bezirk in so kurzer Zeit hervorgebracht hat. Das zum großen Teil von Fremden teils beherrschte, teils verwüstete Land beherrschte und speiste geistig mit dem leuchtenden Gehalt seiner Kultur das Abendland. Italienische Denker und Künstler lenkten den Blick der abendländischen Menschen von dem jenseitigen Himmel ab, zu dem die kirchliche Erziehung ihn hingewendet hatte, so daß es war, als sehe er nach langem Schlaf und Traum zum erstenmal die Erde im Morgenglanz. Der Zauber der Schönheit überströmte das Tal der Tränen. Die Herrlichkeit göttlicher Marmorleiber, die mit den heidnischen Tempeln versunken waren und nun ausgegraben wurden, führte einen Menschen vor Augen, dessen Urbild einst, so meinte man, auf diesem Boden gewandelt hatte, dem ähnlich zu werden die heutigen Bewohner dieses Bodens berufen waren. Wie vielseitig und harmonisch erschien der antike Mensch, verglichen mit dem einseitig der himmlischen Verklärung entgegengezüchteten gotischen! Dieser erschien als ein unnatürlich verrenktes Gewächs gegenüber dem, der sich frei nach dem Maß seiner angeborenen Wachstumskraft entfalten konnte. Ausbildung aller Keime, die die Natur zur Gestaltung eines vollkommenen Menschentums dem Menschen verliehen hat, erkannte man als Aufgabe und nannte diese Richtung Humanismus. Nicht daß man den Menschen seinen natürlichen Trieben überlassen wollte; nur sollte nicht mehr Gut und Böse, Heilig und Weltlich die Norm seines Werdens sein, sondern man glaubte ihn den Mächten der Schönheit, der Weisheit, Freiheit, Tüchtigkeit anvertrauen zu dürfen. Es war etwas Gewaltiges, daß neben der christlichen Kultur, die bisher die einzige gewesen war, eine neue erstand, die sich durch die Fülle wertvoller Erscheinungen überzeugend beglaubigte, daß Menschen wie aus einer heidnischen Taufe auftauchten, die stolz auf sich selbst gestellt, nicht nach der Palme des Überwinders, sondern nach dem Lorbeer des Siegers strebten. Die antike Weltanschauung wurde in Italien und auch in Deutschland, wohin von dieser Bewegung zuerst nur ein verwehter Duft wie aus fernen Gärten drang, nicht als Gegensatz, vielmehr als Ergänzung des Christentums aufgefaßt. Waren doch mit dem auf dem Boden der Antike erwachsenen Kirchenglauben zugleich edle Trümmer antiker Kultur in die von der Kirche beherrschten Länder eingedrungen, die man verehrend übernahm und weiterbildete. Überall kam die Christenheit den Einflüssen der Renaissance vertrauensvoll entgegen, überzeugt, sie könne sich ihre Schätze aneignen, ohne ihr eigenes Wesen aufzugeben. In Deutschland war das um so mehr der Fall, als eine aus dem Norden des Reiches kommende Lebensrichtung die Empfänglichkeit für die fremden Anregungen vorbereitet hatte. Die Reformideen der Brüder vom gemeinsamen Leben, die im 14. Jahrhundert in den Niederlanden wirkten, hatten sich allmählich, von geistvollen jungen Männern getragen, über ganz Deutschland, namentlich über das westliche, ausgebreitet. Sie bezweckten eine veredelte Erziehung der Jugend in der Weise, daß nicht mehr Formeln und leerer Gedächtniskram die Schulen beherrschten, sondern zur Ausbildung des ganzen Menschen der Grund gelegt werde. Es ist nicht mit Bestimmtheit nachzuweisen, woher der Name Humanismus kommt; wahrscheinlich geht er auf Cicero und dessen Übersetzung des griechischen Wortes παιδεια zurück. Die Humanisten widersetzten sich den Scholastikern, die im Laufe des letzten Jahrhunderts mit ihrer Begriffsspaltung und Begriffsakrobatik die Erde ganz verlassen und von den Gedanken alles lebendige Fleisch abgeschabt hatten. Da das Latein die Sprache der Studierenden war, begann man damit, sie aus guten lateinischen Schriftstellern zu lehren und den Schüler auch den Inhalt der betreffenden Bücher sich aneignen zu lassen. So wurde man in Deutschland allmählich von ähnlichen Problemen erfaßt, wie sie die gebildete Welt Italiens bewegten. Gemessen an der vielseitigen, Überschwengliches verheißenden neuen Bildung erschien die Tüftelei der Scholastik sowie die seelenlose Frömmelei der Kirche unerträglich abgestanden, verwest. Aber nicht nur gegen die Kirche, der jedermann etwas vorzuwerfen hatte, gegen die Religion überhaupt stumpfte sie ab; in der Helligkeit, die die neuen Anschauungen über das Bewußtsein verbreiteten, gingen die jenseitigen Sterne unter.

      Es gab aber in Deutschland einen unmittelbar gefährlicheren Feind der Kirche als die Verweltlichung, die sie von innen, und den Staat, der sie von außen bedrohte, das waren die gläubigen Christen. Einst wären vielleicht manche von ihnen Heilige geworden oder hätten Orden gegründet, jetzt lebten sie, Mystiker oder ›Brüder vom gemeinsamen Leben‹ oder Ketzer oder Einsame im Schoße der Kirche oder außerhalb der Kirche, jedenfalls fern von ihr und sie nicht beachtend. Der unterirdische Strom der Sehnsucht nach dem Göttlichen konnte anschwellen und ihre Fundamente erschüttern, wenn unter ihrer Kuppel kein Raum für seine Hochflut war.

      Jahrhunderte während vollzog sich die Auflösung und Umschmelzung des tragenden Weltgerüstes in schmerzlichem Untergang und verhängnisvollen, großartigen Befreiungen. Irdisches und Himmlisches, jenseitige und diesseitige Zwecke waren dabei so ineinander verschlungen, daß keins ohne das andere erstrebt und angegriffen werden, keins unbeschattet siegen konnte. Die Erhabenheit der Ziele, um die gerungen wurde, der Ernst und die Opferfreudigkeit, mit der viele von den Kämpfern ihr Leben einsetzten, das Schicksalhafte der Wendung und die Zwiespältigkeit aller Beteiligten, von denen keiner seine Idee rein vertrat, machen das 15., 16. und 17. Jahrhundert unvergleichlich groß und bedeutungsvoll und unheilbar tragisch.

       Inhaltsverzeichnis

      König Nobel beruft einen Reichstag, zu dem sich seine Vasallen, große und kleine, geistliche und weltliche, gehorsam einfinden. Da ist Braun der Bär, treuherzig brummend, obwohl er sich als der wahre König fühlt, Isegrim der Wolf, der unersättliche, Bellin der Schafbock, der des Königs Kanzlei, das Urkunden- und Schriftenwesen unter sich hat, Lampe der Hase, Hinze der Kater, Henning der Hahn und viele andere, und alle scharen sich in Ergebenheit um Nobel, der pompös auf dem Throne sitzt und eine von den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Fürsorge aufgeblähte Ansprache hält. Nicht erschienen ist Reineke Fuchs, weil er, vieler Missetaten und СКАЧАТЬ