Immer im Rampenlicht. Bernd R. Hock
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Название: Immer im Rampenlicht

Автор: Bernd R. Hock

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783775175111

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СКАЧАТЬ zugewandt waren. Es gab keine liebevolle Ansprache. Null Empathie. Fast ausschließlich schroffe Kommandos, Ermahnungen und Sanktionen. Wir hatten keine Lobby zwischen den Besuchszeiten. Tränen wurden nicht mit Taschentüchern, sondern mit eiskalten Worten weggewischt: »Hör jetzt auf zu heulen und zu schreien! Mama hört dich nicht.«

      Besonders schlimm war es, wenn die eine ziemlich ruppige Pflegerin das kollektive Abduschen übernahm. Bruchstückhaft erinnere ich mich, wie sie mich an meinem rechten Arm gegen meinen Widerstand nackt durchs Badezimmer schleifte und viel zu heiß abbrauste. Das tat weh und ich schrie wie am Spieß. Über irgendetwas fluchend zog die Ruppige ihr Programm durch, agierte schroff und meist mit Zwang.

      Das Gegenteil war ein junger Mann. Er hatte einen Bart und war wahrscheinlich so etwas wie ein Ergotherapeut. Vielleicht war er aber auch ein Engel. Er befreite mich manchmal aus den Fängen der Lieblosigkeit und dem Machtbereich der Ruppigen und half mir so, mein Heimweh eine Zeit lang zu vergessen. Mit ihm durfte ich in einer Sporthalle auf ein überdimensionales Trampolin steigen, eine riesige Freude für mich! Ich begann zu springen und der bärtige Engel gab am Rand auf mich acht.

      Ich hüpfte und hüpfte. Höher und höher und höher. Ich sprang über zehn Meter hoch. Nein, über zwanzig, fünfzig, ja hundert, nein fünfhundert Meter sprang ich hoch hinaus. Gefühlt. Dabei juchzte ich, wie wenn ich von meinem Vater in die Luft geworfen und wieder aufgefangen wurde. Für Bruchteile von Sekunden verließ ich beim Springen den traurigen Boden der Klinik-Tatsachen und war dem Himmel nah. Dem Himmel und Gott, der dort ja wohnt, wie man mir erzählt hatte.

      Wie nah Gott mir auch in dieser Zeit war, erfuhr ich erst viel später in meinem Leben. Heute jedoch weiß ich: Meine von Jubelschreien begleiteten fröhlichen Trampolinsprünge waren das Hochwerfen und wieder Auffangen durch meinen himmlischen Vater.

      Auch das Malen mit den Füßen machte mir Spaß. Doch dazwischen rastete die Ruppige immer wieder aus und abends, viel zu früh, das Bettgitter ein. Die Nacht gehörte dem Heimweh, den Tränen und der Erschöpfung. Bis zu dem Tag, an dem die Eltern ihre Kinder besuchen durften.

      Natürlich konnte ich die große, quadratische, analoge Uhr im Krankenhausflur noch nicht lesen, doch irgendwie verstand ich, dass der kleine Zeiger waagerecht rechts zu stehen hatte und der große Zeiger senkrecht oben stehen musste, damit die Frau mit der dunklen Hornbrille eine Woche später endlich die Glastür mit dem blauen Metallrahmen und den übergroßen, rechteckigen Holzgriffen öffnete. Auf der anderen Seite dieser Glastür standen zahlreiche Eltern, die ihre Kinder besuchen wollten, ganz vorne mein Papa und meine Mama! Doch zwischen uns dieses beschissene Glas. Im Gegensatz zum Zoo, wo eine solche Scheibe beispielsweise davor schützt, dass der Gorilla ein Kind munter durchs Gehege schleudert, hielt diese Glastür mich davon ab, mich endlich ganz dicht an meine Mama zu kuscheln. Egal wie stark wir Kinder bettelten, wie intensiv ich dieser Frau an ihrem weißen Kittel hing, in dem sie den Türschlüssel verborgen hatte, sie öffnete exakt um 15 Uhr und keine Sekunde früher.

      Circa eine Stunde durften meine Eltern bei mir sein. Warum sie danach wieder gehen mussten, verstand ich selbstverständlich genauso wenig wie eine Woche zuvor. Kurz bevor sie aufbrachen, schenkten sie mir die bereits erwähnten Marzipanschweinchen. Unterbewusst versuchte ich, die Situation zu begreifen: »Ich merke, dass Mama und Papa mich nicht mitnehmen, sondern wieder alleine lassen werden. Ich spüre auch, dass Mama und Papa dies gar nicht wollen. Ich bin traurig, habe Angst und das alles tut sehr weh im Bauch! Mama und Papa helfen mir. Jetzt helfen sie mir gerade mit Marzipan!«

      Somit wurde dieser Moment zur Geburtsstunde einer fundamentalen Festlegung: Gegen tiefe seelische Schmerzen, gegen Trennungsangst, tiefe Traurigkeit und Lieblosigkeit hilft Marzipan. Hilft Zucker!

      Nach drei Wochen sollte ich aus der Klinik entlassen werden und meine Eltern kamen, um mich abzuholen. Auch diesen Moment kann ich noch gut erinnern. Ein Büro mit dunklen Eichenmöbeln, die Sitz- und Rückenflächen der Stühle waren mit gepolstertem dunkelgrünem Leder bezogen, welches an den Kanten mit zahlreichen goldenen abgewetzten Beschlägen am Holz festgenietet war. Meine Eltern und ich saßen vor einem mächtigen Schreibtisch, hinter dem der Herr Professor über meinen Fall dozierte. Ich habe ihn noch genau vor Augen. Er war eigentlich recht nett. Manchmal war ich einfach so mir nichts, dir nichts in sein Büro gelaufen, dann hatte er sich gefreut und sich mir freundlich zugewandt. In dem Gespräch mit meinen Eltern berichtete er von Verbesserungen und Fortschritten, die ich in den letzten Wochen gemacht hätte. Von meiner Angst und meiner Kinderseele, die so abgewetzt war wie seine Stuhlnieten, kein Wort. Am Ende riet der Professor meinen Eltern, meinen Klinikaufenthalt noch um ein paar Wochen zu verlängern, damit ich weitere Fortschritte machen könne.

      Sofort bekam ich wieder Angst! In den vergangenen drei Wochen war mir nicht entgangen, welche Macht der Herr Professor besaß. Was nun? Ich hatte die Marzipanschweinchen doch bereits alle aufgegessen. Musste ich etwa noch weiter in dieser Klinik, getrennt von meinen Eltern, bleiben?

      Stille. Meine Mutter war sehr unsicher. Nach einer kurzen Weile richtete sich mein Vater in seinem Stuhl auf und vollbrachte die erste Heldentat in meinem Leben, für die ich ihn noch heute liebe. Er fragte den Mediziner höflich: »Sind Sie jetzt fertig?«

      Wenn überhaupt, dann hatte der Arzt höchstens mit der Frage, wie lange ich denn noch bleiben solle, gerechnet. Er schaute meinen Vater unsicher an und es war allen im Raum klar, dass die Gesprächsleitung gerade die Schreibtischseite gewechselt hatte. Mein Vater wartete keine weitere Reaktion ab: »Vielen Dank, wir nehmen den Jungen jetzt mit und fahren nach Hause!«

      Circa zwei Stunden später saß ich als der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt auf einem riesigen Schaukelpferd, meinem Willkommensgeschenk, im Schlafzimmer meiner Eltern in Landau. Als Mama und Papa mich an diesem Tag zum zweiten Mal nach meiner Geburt aus einer Klinik nach Hause brachten, war ich für niemanden mehr ein Schock, ganz im Gegenteil! Alle freuten sich, mich wiederzusehen.

      Dass es mein Vater rein aus väterlichem Liebesinstinkt geschafft hat, sich der ärztlichen Autorität zu widersetzen und mich einfach mit nach Hause zu nehmen, kann ich ihm gar nicht hoch genug anrechnen. Seine innere Stärke hat meine Psyche damals vor schwerem Schaden bewahrt. Er hat sich später noch mehrfach erfolgreich für mich eingesetzt und mir dieses Durchsetzungsvermögen vererbt.

      Als ich meine Eltern damals fragte, ob ich wieder einmal von ihnen getrennt in so ein Krankenhaus müsse, versicherten sie mir: »Nein! Jetzt bleibst du immer bei uns!«

      Was soll ich sagen?! Mama und Papa haben Wort gehalten! Danke!

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      ARMER KERL – ICH?

      Ich mag diese überdimensionalen Fahrstühle in Krankenhäusern, in die sogar ein ganzes Bett geschoben werden kann. Auf Knopfdruck setzen sie sich in Bewegung und bringen einen nach oben oder unten. Als Kind war ich unheimlich fasziniert davon, dass diese riesige Maschine sich genau dann in Bewegung setzte, wenn ich mit meinem kleinen Finger den entsprechenden Knopf drückte – eine schöne Metapher für mein Leben. Am liebsten habe ich es, wenn ich nur einen Knopf drücken muss und damit viel in Bewegung setze, mit wenig Aufwand hoch hinaus.

      Einmal standen meine Mutter und ich in einem solchen Fahrstuhl. Ich war sechs, hatte gerade eine Blinddarmoperation überstanden und es ging mir gut, aber ich musste noch im Krankenhaus bleiben. Diesmal war ich nicht allein, meine Mutter schlief bei mir im Zimmer. Plötzlich öffnete sich die Fahrstuhltür und eine sympathisch СКАЧАТЬ