Immer im Rampenlicht. Bernd R. Hock
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Название: Immer im Rampenlicht

Автор: Bernd R. Hock

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783775175111

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СКАЧАТЬ das deine komplette Verkleidung oder ziehst du dich noch um?«, fragt sie weiter und mustert mich dabei von oben bis unten. Verunsichert betrachte ich mich im Spiegel. Ich trage das, was ich immer trage, weil es bequem und trotz meiner Körperbehinderung – meinen kurzen Armen, krummen Händen und den wenigen kleinen, deformierten Fingern – selbstständig für mich handelbar ist: Schuhe, Socken, eine dunkelblaue Jogginghose und ein rotes Sweatshirt. Ganz wichtig: ein Sweatshirt ohne Bündchen am unteren Ende. Bündchen sind etwas ganz Schreckliches für Menschen mit kurzen Armen! Sie verhindern nämlich, dass das Kleidungsstück von alleine, also nur von der Erdanziehungskraft geleitet, am Körper hinuntergleitet. Pullover mit Bündchen müssen heruntergezogen werden. Dazu braucht man eigene lange Arme oder freundliche Helfer. Mit meinem roten bündchen-freien Sweatshirt kann ich beides entbehren. Das ist Freiheit!

      Corinna zieht ihre Latex-Maske über den Kopf. Ihre Stimme klingt nun gedämpft: »Mit so einer Maske auf dem Kopf bist du ganz weit vorne, musst aber auch echt Profi sein. Du musst ganz konzentriert atmen, sonst kippst du aus den Latschen, weil dir die Luft ausgeht!«

      Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich habe Corinna vor circa einer Stunde kennengelernt. Wir teilen uns eine Garderobe im Backstage-Bereich, denn wir haben beide heute Abend im Rahmen einer großen Faschingsveranstaltung einen Auftritt.

      »Jetzt sieht sie saudämlich aus in diesem Hühnchen-Kostüm«, denke ich. Auch die Hühnerkopf-Latexmaske reißt es nicht raus. Wie »Bibo« aus der Sesamstraße in billig! Ich finde es gar nicht witzig, sondern einfach nur peinlich.

      »Na? Wie findest du mich in dem Kostüm!«, fragt sie, tänzelt mit riesigen Hühnerfüßen aus Gummi um mich herum und wackelt mit ihrem auffälligen Kunstfeder-Hintern.

      »Richtig gut! Total lustig! Das wird bestimmt der Brüller, wenn du gleich auf die Bühne gehst!«, lüge ich.

      »Als verrücktes Huhn trete ich schon seit fünf Jahren auf. Hier in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz bin ich allerdings zum ersten Mal. Das ist die beliebteste Faschingsveranstaltung in der ganzen Gegend. Wenn du hier auftrittst, wird über dich geredet. Richtig fette Promo. Die nehme ich natürlich gerne mit.«

      Tausendfünfhundert Menschen! Wo ist das nächste Tier-Kostüm?! Ich will hinein, um mich darin zu verstecken.

      Die Garderobentür wird geöffnet und Bettina, die zierliche, selbstbewusst wirkende Regieassistentin, steckt ihren Wuschelkopf herein: »Corinna! Du bist gleich dran. Bist du so weit?«

      Corinna präsentiert sich mit einer Bewegung wie ein »Nummern-Girl« aus dem Varieté, entlockt Bettina allerdings überhaupt keine Regung. Stattdessen wendet sie sich an mich: »Bernd, nach Corinnas Hühnchen-Darbietung wird das Motto-Lied mit dem Publikum gesungen und danach bist du dran! Du kannst dich also auch gleich auf den Weg zur Bühne machen.«

      Corinna hat sich schon an uns vorbeigeschoben und ist weg. Bevor auch Bettina wieder verschwindet, schaut sie mich etwas gedankenversunken an. Wie oft in solchen Augenblicken glaube ich, ihre Gedanken lesen zu können: »Ob das richtig war, den zu engagieren? Der hat keine Bühnenerfahrung, ist offensichtlich behindert – und dann hier in so einer bedeutenden Sitzung. Das geht nicht gut.«

      Doch Bettina verschwindet ohne ein weiteres Wort. Ich schaue mich noch einmal im Spiegel an: platte Frisur, viel zu große Brille und viel zu großer Bauch. Mit einem Achselzucken und einem leichten Kopfschütteln verlasse ich meine Garderobe und gehe durch einen schmalen Flur. Je näher ich der Bühne komme, desto lauter wird die Musik – und ein lautes Gackern vom Band. »Okay, Corinna zieht gnadenlos durch!«, schießt es mir durch den Kopf.

      Ich gelange an den Bühnenrand, von wo aus ich im Schutz des Seitenvorhangs das Geschehen genau verfolgen kann. Die Halle ist ausverkauft. Über 1 500 Menschen in Feierlaune warten, nein, nicht speziell auf mich, aber anscheinend mehr auf gute Satire als auf flache Gags.

      Ich treffe erneut auf die Regieassistentin, die mir letzte Anweisungen gibt: »So, Bernd, nach dem Lied werden wir deinen Tisch in die Mitte der Bühne tragen und du wirst angesagt. Dann gehst du bitte direkt auf deine Position und lieferst den Beitrag ab!«

      Mein Lampenfieber schießt in schwindelerregende Höhen. Ich bin der einzige Neuling in der Szene an diesem Abend und werde nächsten Monat gerade mal zwanzig Jahre alt. Okay, ich parodiere hobbymäßig Promis aus Politik, Sport und Showbusiness, für meine Begriffe aber mehr schlecht als recht. Alles bisher nur für den Hausgebrauch. Auf Geburtstagsfeiern – »Mensch, Bernd, mach doch mal den Helmut Kohl!« –, auf Schul- oder Studentenfesten und immer vor Publikum, welches mich kennt und mir wohlgesonnen ist. Niemals vor Fremden und niemals vor so einer großen Masse. Warum habe ich mich nur in dieses Engagement hineinquatschen lassen?

      Corinna ist gerade dabei, sich unter verhaltenem Applaus zu verbeugen. Für meine Begriffe ist sie immer noch nicht unterhaltsam in ihrem Kostüm, nur peinlich. Jetzt verlässt sie die Bühne und kommt direkt auf mich zu: »Ein Scheiß-Publikum! Kein bisschen locker. Voll bescheuert! Bin froh, dass ich es hinter mir habe. Zieh einfach professionell durch. Hörst du? Abhaken. Toi, toi, toi!«

      Ich hoffe spontan auf Feueralarm oder Stromausfall oder etwas anderes, das den sofortigen Veranstaltungsabbruch nach sich ziehen würde. Noch befinde ich mich im Schutz des Seitenvorhangs.

      Der letzte Refrain des geselligen Stimmungsliedes reißt mich aus meinen Gedanken. Ich beobachte, wie zwei Bühnenarbeiter für meine Darbietung einen Tisch in die Mitte der Bühne tragen, einen Stuhl dahinterstellen, ein Mikrofon aufbauen und mein Skript bereitlegen.

      Im Saal wird das Licht wieder dunkler, auf der Bühne auch. Tisch und Stuhl werden mit einem Spot ausgeleuchtet.

      Irgendwie kriege ich jetzt Bock! Ganz plötzlich. Ich kann es nicht erklären, aber von der einen auf die andere Sekunde sinkt mein Lampenfieber, als hätte man mir riesige, eiskalte Wadenwickel gemacht. Ich bin bereit. Ich habe Lust. Ich will raus!

      Nun sagt mich doch endlich an!

      Endlich höre ich meine Stichworte: »Begrüßen Sie jetzt mit einem donnernden Applaus …«, der Sitzungspräsident muss noch einmal auf seinen Notizzettel schauen, ich laufe schon los. »… Bernd Hock!«

      Ich gehe direkt zu meinem Tisch. Nicht schüchtern, nein, ich schreite festen Schrittes. Ich gehe nicht wie ein Anfänger in Trainingshose, ich trete auf!

      Der Begrüßungsapplaus ist ganz und gar nicht donnernd. Kein Vorschuss, einfach Geklatsche halt. Wahrscheinlich hat das Publikum nicht mit einem »Behinderten« gerechnet.

      Als ich am Tisch sitze, schaue ich ins Publikum, obwohl ich es aufgrund des Scheinwerfers gar nicht richtig sehen kann. Ich mache nichts, schaue nur. Mit mir zusammen haben an diesem Samstag, den 13. Februar 1988, 14 prominente Personen aus den Bereichen Politik, Sport, Show-Business, Kirche und Journalismus Platz genommen, die ich nun gleich in Mimik, Gestik und vor allem in ihrer Stimmlage parodieren und in meiner Satire agieren lassen werde, unter ihnen Ronald Reagan, Willy Brandt, Boris Becker und der Papst.

      Die Aufregung, die ich jetzt spüre, ist gut, sie macht mich high. Gleichzeitig habe ich aber auch noch etwas Angst vor einem Texthänger oder davor, dass mir eine Parodie nicht so gut gelingen wird.

      Ich beginne mit meiner Parodie der Journalisten-Legende aus dem WDR, Ernst-Dieter Lueg, und stelle alle Promis am Tisch einmal kurz vor. Die Stars parodiere ich jeweils, kurz nachdem Lueg sie vorgestellt hat, lediglich pantomimisch. Das kommt schon recht gut an und ich freue mich, dass das Publikum reagiert.

      Als Ernst-Dieter Lueg stelle ich nun Helmut Kohl eine Frage. Für СКАЧАТЬ