Immer im Rampenlicht. Bernd R. Hock
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Название: Immer im Rampenlicht

Автор: Bernd R. Hock

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783775175111

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СКАЧАТЬ Schnauze auf den Tisch legen konnte, ohne sich zu strecken. Er gehörte dem Besitzer der Tankstelle, bei der ich einen Nebenjob hatte.

      Ich liebte Axel! Und Axel liebte mich! In meiner Freizeit zeigte ich ihm die große, weite Welt. Ich holte ihn ab und fuhr mit ihm in die Natur. Erst durch mich lernte er Wald und Wiesen kennen. Der Geruch nach Tannengrün, Hasen und anderem Getier machte ihn sichtbar glücklich, kannte er doch sonst nur den Gestank von Benzin, Gummi und Frostschutzmittel.

      Axel machte aber auch mich glücklich. Machte meine Arme in Situationen, in denen ich sonst viel unsicherer war, ein Stückchen länger. Gaffte jemand gar zu lange oder sprach mich komisch von der Seite an, dann knurrte Axel auch mal. Das half immer! Außerdem hatte der Mischling eine solch eindrucksvolle Figur, dass mich die Passanten nicht wie gewohnt wegen meiner Arme, sondern wegen des schönen Hundes ansprachen.

      Mit einem Hund an meiner Seite war ich immer ein wenig mutiger als sonst, vielleicht habe ich mich deshalb gerade jetzt an diese beiden Vierbeiner erinnert. Doch so richtig feige war ich eigentlich nie. Kneifen gehört nicht zu meinem Verhaltensrepertoire und so gehe ich nun innerlich weiter auf die Tür im Keller meines Unterbewusstseins zu. Schritt für Schritt werde ich ein Stück entschlossener, ähnlich wie in Koblenz, in der Rhein-Mosel-Halle, als ich mich entschlossenen Schrittes aus der Deckung des Seitenvorhanges heraus auf die Bühne, mitten ins Rampenlicht, gewagt habe. Nur mit dem Unterschied, dass ich jetzt auf dem Weg hinter die Kulissen bin. Ich will einen Bereich betreten, von dem ich nicht genau weiß, ob es mir wirklich guttun wird, wenn ich mich dort genauer umsehe. Dieses unbekannte Terrain ist mir nicht geheuer, auch wenn ich sonst gerne immer wieder Neues erkunde und schon so viele Schritte in die Freiheit gewagt habe.

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      7

      DER WEG IN DIE FREIHEIT

      Ich fühlte mich richtig gut, während ich den riesigen Opel Rekord über die deutschen Autobahnen steuerte. Automatikgetriebe, elektrische Fensterheber und eine flexible Lenkhilfe am Lenkrad – so war es mir von Amts wegen her erlaubt, den Führerschein zu machen und Auto zu fahren. Jetzt lenkte ich die goldbraune gebrauchte Limousine, die schon 130 000 Kilometer auf dem Tacho hatte, gerade an Alzey vorbei auf der A61 Richtung Landau. Hinten saß Martin, rechts neben mir auf dem Beifahrersitz Martina. Wir drei Oberschüler vom Landauer Max-Slevogt-Gymnasium fuhren von einem Informationstag der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität zurück in die Heimat.

      Ich war äußerst beschwingt, hatte ich doch die ganz große Freiheit in den letzten Stunden verbindlich für mich eingetütet und sogar vertraglich vereinbart. Einen Studienplatz der Diplom-Pädagogik hatte ich mir für das kommende Wintersemester gesichert und meine Begegnung mit dem Leiter des Studentenwerks Mainz war so positiv gewesen, dass dieser mir am Ende des Gesprächs sogar ein Einzelapartment im Studentenwohnheim »Inter II« auf dem Campusgelände zugesichert hatte. Behinderte wurden hier bei der Vergabe bevorzugt. Warum nicht auch mal einen Vorteil abgreifen?

      »Behinderte«, jawohl, so wurden Menschen wie ich damals noch genannt, und dies war überhaupt kein Problem für mich. Mein erster amtlicher Ausweis war ein »Schwerbeschädigtenausweis« und so wurde unsereins auch genannt: »schwerbeschädigt«. Nicht schön! Eine solche Beschreibung provozierte mich. Ich erinnere noch genau eine Situation, als ich an der Kasse eines Museums stand, die etwas ältere Kassiererin mich ansah und meinte: »Aha! Einmal schwerbeschädigt!« Darauf entgegnete ich wie aus der Pistole geschossen: »Nein, nur ein Materialfehler, aber machen Sie sich keine Sorgen, alles voll funktionstüchtig.«

      Mit der Bezeichnung »Behinderter« kann ich dagegen gut umgehen. Es muss nicht der »Mensch mit Behinderung« oder »Inklusions-Hintergrund« sein.

      Doch zurück auf die A61. Ich freute mich also unheimlich darüber, bald im Studentenwohnheim zu leben. Achtzehn Quadratmeter, eine eigene Toilette, eine eigene Dusche und eine Kochnische mit zwei Herdplatten, einer Spüle und einem Kühlschrank würde ich mein Eigen nennen!

      Mit circa einhundert Stundenkilometern fuhr mein Schlachtschiff bei leichtem Nieselregen dahin und in Gedanken richtete ich mir nicht nur mein neues Apartment, sondern meine ganze neue Welt, meine neue Freiheit ein, die ab Herbst beginnen würde.

      Ein paar hundert Meter vor uns Warnblinker. Ich nahm meinen Fuß vom Gas und ließ den Opel rollen. Die orangenen Lichter kamen näher. Martin, der eingenickt war, wurde wach, sah die Blinklichter vor uns, erschrak und schrie: »Pass auf, Bernd, das ist ein Stau!«

      Nun erschrak auch ich. Unüberlegt und hastig stieg ich in die Eisen und trat das Bremspedal voll durch. Draußen war es deutlich kälter geworden und der feine Nieselregen auf dem Asphalt war zu einer gefährlichen Eisfläche gefroren. Mein Opel war nicht mehr zu halten und rutschte sofort quer über die Fahrbahn in Richtung Mittelleitplanke. Martina schlug sich die Hände vors Gesicht und Martin auf der Rückbank verstummte. Ich würde jetzt gerne davon berichten, wie ich sicher und souverän mein Fahrzeug bändigte, zurück in die Spur lenkte und langsam zum Stehen brachte. Das Gegenteil war der Fall. Ich hatte viel zu wenig Fahrpraxis für eine solche Situation. Ich fühlte mich komplett überfordert und sah uns schon alle gegen die Mittelleitplanke knallen.

      Planlos riss ich das Lenkrad herum und mit ihm den ganzen Wagen, jetzt wieder über die Fahrbahn nach rechts. Ein Aufprall wurde somit zwar verhindert, doch nun drehten wir uns um die eigene Achse. Eine Bilderfolge aus Büschen, Katzenaugen, Regentropfen und Lichtfetzen zog rasend schnell an mir vorbei, und als sich der Wagen zum zweiten Mal um sich selbst drehte, sah ich einen großen LKW quer auf uns zurutschen. Mein Auto drehte sich weiter und jetzt gab es in beide Richtungen nur noch einen sehr begrenzten Zwischenraum. Nach vorne die stehenden Fahrzeuge und hinter uns der außer Kontrolle geratene LKW. Ich drehte weiterhin am Rad. Nervlich sowieso und eben auch buchstäblich am Lenkrad. Plötzlich schepperte, knallte und kratzte es. Rauch stieg aus der Motorhaube auf. Zum Orientieren blieb keine Zeit, schon gab es den nächsten heftigen Knall, lauter als das ganze Rumsen vorher. Der Lastwagen war krachend auf die stehenden Fahrzeuge aufgeprallt. »Moment mal, und wir?!« Nun erst realisierte ich, dass wir mit meinem Auto rechts neben der Fahrbahn in den Seitengraben gerollt und zum Stehen gekommen waren. Wir drei konnten ohne Mühe und unverletzt aus dem Fahrzeug aussteigen und mussten nur auf Hilfe warten.

      Immer wieder krachte es. In diesem Stau knallten sehr viele Autos ineinander. Irgendwann kam die Polizei, nahm unsere Personalien auf und viel, viel später kam der Abschleppdienst. Vollkommen durchgefroren stiegen wir zu dem Fahrer ins Führerhaus, hinter uns auf der Ladefläche mein Opel Rekord und ein grüner, zusammengedrückter Blechhaufen. »Des war vor drei Stunde noch en VW Golf gewese!«, klärte uns der Mann vom Abschleppdienst auf und fügte hinzu: »Die Fahrerin hot net so viel Glick gehat wie ihr. Die is tot.« Wir waren entsetzt und dankbar zugleich. Dankbar dafür, dass wir lebten.

      Ich wusste damals immer noch nicht viel von Gott, von seinem Schutz, von Bewahrung. Sonst hätte ich die Schutzengel um uns und das Auto herum vielleicht wahrgenommen. Die Situation war äußerst gefährlich gewesen, aber wir waren sanft in den Straßengraben gerollt. Wieder wollte Gott, dass ich lebe.

      Der Schaden an meinem Opel belief sich auf 180 Deutsche Mark, das sogenannte Luftleitblech musste erneuert werden. Sonst nichts. Martina, Martin und ich, wir waren alle drei vollkommen unverletzt. Also, ich war immer noch behindert, aber keiner von uns war schwerbeschädigt.

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