Immer im Rampenlicht. Bernd R. Hock
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Название: Immer im Rampenlicht

Автор: Bernd R. Hock

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783775175111

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СКАЧАТЬ zum Bild: »Also in aller Enchiedenheit, Herr Lueg …« Ich werde direkt von Applaus unterbrochen und das Orchester spielt drei Tuschs! Ich empfinde ein Glücksgefühl, welches ich in meinem späteren Leben immer nur auf der Bühne oder beim Sex empfunden habe.

      »Ich krieg sie!«, denke ich. Ich bin dort, wo ich mich wohlfühle: im Mittelpunkt des Geschehens. Ich genieße die volle Konzentration des Publikums. Dass man diese Gabe professionell »Bühnenpräsenz« oder etwas deftiger ausgedrückt das »Rampensau-Gen« nennt, wusste ich damals noch nicht.

      Jetzt komme ich in den sogenannten Flow, den jeder Künstler kennt. Ich koste die von mir deutlich überzeichneten Charakteristika der Promis bis ins Letzte aus, lasse mir Zeit und genieße es, dass meine Pointen und Wortspiele zünden.

      Die Promis streiten miteinander und meine Überzeichnungen sorgen immer wieder für spontanen Zwischenapplaus und Tuschs. Mein Publikum geht total ab, ich fliege durch meine Nummer. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung und Freude im Saal, dass ich es kaum fassen kann.

      Ich bin ein Star! Bitte hol mich niemals jemand hier raus! Kein Defizit steht im Mittelpunkt. Man nimmt mich so wahr, wie ich gerne bin. Ich genieße es, dass ich angeguckt und beobachtet werde, weil so viel Positives rüberkommt. Ich fühle mich angenommen!

      Das Schaumbad der Bewunderung ist eingelassen und ich tauche ganz tief ein und genieße. Nicht still, das bin ich nicht. Ich genieße laut. Ich gebe alles, verausgabe mich total. Schwitze wie ein Schwein und presse die verschiedenen Stimmen am Kehlkopfdeckel vorbei, bis ich im Verlauf der Nummer etwas heiser werde.

      Das ist perfekt für meine abschließenden Parodien von Willy Brandt und Ronald Reagan, dem vierzigsten Präsidenten der USA. Danach mache ich den Sack zu und wünsche allen als Ernst-Dieter Lueg »eine gute Nacht!«.

      Ich stehe auf und verbeuge mich. Setze mich wieder hin, denn ich muss mehrere Zugaben geben. Eine habe ich vorbereitet, dann folgen noch weitere vier, alle spontan. Als ich wieder aufstehe, um mich endgültig zu verabschieden, bleibt mein bündchen-freies rotes Sweatshirt nicht in der Position hängen, in die es durch meine gedrungene Sitzhaltung geschoben wurde, sondern fällt nach unten und verdeckt meinen untersten Rettungsring aus Fett. Perfekt! Ich trete ganz nach vorne an den Bühnenrand, die »Sau« tritt an die Rampe. Heraus aus dem grellen Licht des Scheinwerfers, der mir den Schweiß literweise aus den Poren treibt. Ich will dieses großartige Publikum sehen, mich bedanken bei den Menschen, die mich angenommen haben. Will mich suhlen im warmen Matsch der schnellen Anerkennung.

      Ich kann es kaum fassen. Alle stehen auf! Standing Ovations! Die Menge jubelt mir zu. Publikum und Festkomitee feiern mich in einer Art und Weise, wie ich mir dies nicht hätte träumen lassen. Eine Applaus-Rakete nach der anderen wird gezündet.

      Ich könnte weinen vor Glück. Vielleicht tue ich es auch ein wenig. Wie ein Staubsauger, an dessen Saugschlauch man bei vollem Betrieb das Rohr entfernt und der dann wild durch den Raum fliegt, versuche ich, den ganzen Zuspruch einzusaugen.

      Nachdem ich mindestens eine Viertelstunde überzogen habe, gehe ich ab und trete zurück in den Schutz des Seitenvorhangs, der nun für mich kein Schutz mehr sein muss. Jeder darf mich sehen! Jeder!

      Am Bühnenrand empfängt mich Corinna. Anscheinend hat sie meinen gesamten Auftritt von dort verfolgt, denn sie hat immer noch ihr Hühnchen-Kostüm an und hält die Latexmaske in der Hand. »Die sind bei dir ja richtig abgegangen!«, meint sie anerkennend, aber auch mit einer Portion Neid in der Stimme.

      Von links kommt Bettina, die Regieassistentin, auf mich zu, umarmt mich und küsst mich. Ja, sie küsst mich! »Alter, das war ganz großes Kino! Richtig klasse! Du warst grandios! So war das Publikum noch nie dabei! – Machen wir nachher noch was zusammen?«

      Ich spüre, wie Glückshormone tonnenweise in mir ausgeschüttet werden, und bin überzeugt, dass die Menge an Serotonin mich ab jetzt bestimmt jahrelang durch den Alltag tragen wird. Dass solche durch Beifall freigesetzten Hochgefühle nur eine Halbwertszeit bis zum nächsten Frühstück haben, werde ich erst am nächsten Morgen erfahren.

      »Wie war ich?«, schießt es wie automatisiert aus mir heraus und ich registriere überhaupt nicht, welch selten dämliche Frage ich da gerade gestellt habe. Bettina wirkt für einen kurzen Augenblick völlig entgeistert. Kurz, sehr kurz friert ihr Gesicht ein, aber rasch entspannt sich ihre Mimik wieder und sie sagt, wohl in der festen Überzeugung, dass ich sie gerade hochgenommen habe: »Du bist echt ne coole Sau! Also nicht abhauen, hörst du. Ich will nachher noch mit dir feiern.«

      Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, wie ein Bühnenarbeiter auf Hühnchen-Corinna zugeht. »Corinna! Du warst wieder sensationell!«, sagt er. Die beiden umarmen sich und beginnen zu tuscheln. Der Arbeiter blickt in meine Richtung und guckt unfreundlich. Er tuschelt weiter und ich habe das Gefühl, dass er sich abfällig über mich äußert. Während ich die beiden mit meinem Blick fixiere, laufen immer wieder Menschen an mir vorbei, die mich anlächeln, mir auf die Schulter klopfen oder mir mit wenigen Worten ihre Anerkennung ausdrücken. Ich bedanke mich beiläufig, meine komplette Aufmerksamkeit richtet sich jedoch auf den Dialog zwischen Corinna und ihrem Fan. Zu gerne würde ich mitkriegen, was die beiden jetzt über mich reden.

      Plötzlich zerdrückt die eiskalte dunkle Hand der Angst meinen Magen und mein Herz kurzzeitig zu Brei. Ich meine, das Wort Behinderten-Bonus gehört zu haben. Ich will mich auf die beiden zubewegen, doch da wird der Bühnenarbeiter von hinten gerufen und Corinna marschiert Richtung Garderobe.

      Hilfe suchend schaue ich mich um. Eine Dame mit Fotoapparat kommt auf mich zu, stellt sich als Redakteurin der hiesigen Lokalzeitung vor und meint: »Sie waren wundervoll! Hätten Sie gleich noch etwas Zeit für ein paar Fragen und ein Foto?«

      »Natürlich!«, antworte ich und merke, wie ich wieder festen Boden in Form von Bühnen-Brettern unter die Füße bekomme. Bretter, die nur die Welt bedeuten! Aber in genau dieser Welt muss ich ein ganzes Leben lang zurechtkommen! Alleine!

      Ich ahne nicht, dass Gott persönlich mich ziemlich genau drei Jahre später im Herzen ansprechen und beginnen wird, im »Rampen-Saustall meiner Gefühlsabhängigkeiten« aufzuräumen. Noch viel weniger ahne ich, dass dieses Aufräumen ziemlich lange dauern wird.

      Gut gelaunt sehe ich noch einmal hoch zum Bühnenscheinwerfer, der gerade eine Gruppe junger Musiker anstrahlt. Ich schaue in dieses Scheinwerferlicht, in dessen Kegel ich mich getraut habe. Dick, mit kurzen Armen, in Trainingshose und mit Sweatshirt ohne Bündchen.

      Der Spot bewegt sich, verfolgt das Bühnengeschehen. Ich blicke ihm versonnen nach. Das hat zwanzig Jahre früher schon einmal viel bewirkt, in einem Kreißsaal in Landau in der Pfalz.

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      MEIN ERSTER BLICK INS LICHT

      Es gibt Geburtstage, an die kann man sich ein Leben lang erinnern. Der Fünfzigste zum Beispiel, der groß gefeiert wurde. Oder der Achtzehnte. Endlich volljährig! Oder meinetwegen auch der Dreiundvierzigste, weil man etwas ganz Unpassendes geschenkt bekommen hat, Tante Rosi sich ein Glas Rotwein über ihr nagelneues Satinkleid gekippt hat oder Onkel Harald und Onkel Franz sich am späten Abend ziemlich betrunken fürchterlich über Politik gestritten haben.

      Wie ist es mit dem echten Geburts-Tag? Die persönliche Stunde null! Der Tag, an СКАЧАТЬ