Leonard Bernstein. Michael Horowitz
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Название: Leonard Bernstein

Автор: Michael Horowitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783903083752

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СКАЧАТЬ beeindruckenden Abend, den er als Vierzehnjähriger erlebte: »Das Programm war sehr anspruchsvoll mit einer schwer verständlichen späten Beethoven-Sonate. Mein Vater konnte mit dieser Musik überhaupt nichts anfangen, aber hielt bis zum Ende durch. Ich platzte fast vor Begeisterung.«

      Bald brachte Lenny – sehr zur Freude des Vaters – das Geld für die Klavierstunden selbst auf. Zeitungen austragen wollte er nicht, so nutzte er das geliebte Piano als Einnahmequelle. Für einen Dollar pro Stunde gab der Klavierschüler selbst Unterricht: Kindern von Freunden und Nachbarn, sieben, acht Jahre alt. An den Wochenenden verdiente der Teenager wesentlich mehr. Mit zwei Freunden, einem Schlagzeuger und einem Saxophonisten, bildete er ein Jazz-Trio. Man spielte auf Hochzeiten und Geburtstagsfeiern. »Ich kam immer mit zwei Dollar nach Hause – zwei Dollar und wunden Fingern … das Klavier musste die fehlenden Klarinetten, Trompeten und Posaunen ersetzen … manchmal spielte ich auf Klavieren – das kann man sich gar nicht vorstellen – ohne Elfenbein auf den Tasten; da blieben die Finger einfach hängen und bluteten und taten wahnsinnig weh … mit Tremolos imitierte ich Streicher … durch die Band lernte ich auf einmal populäre und schwarze Musik kennen, wie ich sie im Radio noch nie gehört hatte … und das wurde zu einem Teil meines musikalischen Lebensstroms. Genauso wie Chopin und Tschaikowsky. Es war sehr anstrengend, aber gleichzeitig wunderschön, denn es machte mich unabhängig von meinem Vater.«

      Mama Jennie, die als Kind den herumziehenden Klesmer-Musikern bis weit an die Stadtgrenze von Schepetowka nachgelaufen war, empfand für die Musikalität ihres Sohnes dankbare Gefühle, Erinnerungen an die alte Heimat tauchten auf. Die Mutter war immer auf seiner Seite, auch wenn es um Musik ging. Unweigerliche Streitereien mit ihrem Mann endeten immer wieder in ernsthaften Ehekrisen. Die ständigen Streitereien der Eltern am Frühstückstisch inspirierten Leonard später zu der Eröffnungsszene von Trouble in Tahiti, ein nur rund vierzig Minuten dauerndes Musikstück, in dem sich ein Ehepaar durch geistige Leere anödet und sich permanent beschimpft. Mama Jennie kompensierte ihre enttäuschte Liebe durch starke Gefühle für ihren Erstgeborenen. »Meine Mutter und mein Vater passten einfach nicht zusammen; jeder für sich war ein interessanter und netter Mensch, aber sie hätten einander niemals heiraten sollen … sie haben sich leider nie geliebt. Und mein Vater war ein zutiefst melancholischer Mensch, der sehr viel Liebe suchte und sie in seiner Ehe nicht fand. Wenn er sich ungeliebt fühlte, wurde er sehr böse – zu meiner Mutter, nicht zu den Kindern«, erinnerte sich Lennys Schwester Shirley später an Auseinandersetzungen in der vergifteten häuslichen Atmosphäre. »Er war ein manisch-depressiver Typ. Wenn er mit seinen Rabbinern gemeinsam den Sabbat feierte, tanzte und sang, war er ein ekstatischer Chasside. Aber er konnte auch ohne klaren Grund furchtbar schwermütig im Zimmer auf- und abgehen. Und das sprang auf Lennys Wesen über …«

      Allmählich war sogar Sam Bernstein stolz auf seinen Sohn. Gemeinsam unternahmen sie eine Schiffsreise. Es gefiel Sam, dass sein Sohn auf der Karibik-Kreuzfahrt auf dem Flügel des Luxusdampfers im Ballsaal die Passagiere begeisterte: mit Schlagermelodien und musikalischen Rätseln. Die Zuhörer mussten erraten, ob ein Schlager von Bach oder Beethoven geschrieben worden war. Sams Freude darüber, einen solch begabten und unterhaltsamen Sohn zu haben, wuchs immer mehr. In den 1930er-Jahren gelang es dem cleveren Unternehmer sogar, die Musikalität Lennys mit seinem Geschäft zu kombinieren: Als Sponsor finanzierte er bei einem Bostoner Sender ein wöchentliches Radioprogramm: Avol präsentiert … Sam Bernstein war am – kurzlebigen – Erfolg der Avol-Laboratorien beteiligt. Der junge Mann, der die Werbesendung für Friseurprodukte Woche für Woche mit leichter Klassik am Klavier begleitete, war das spätere, weltweit gefeierte Musikgenie Leonard Bernstein.

      KAPITEL 6

       Verwirklichung des Amerikanischen Traums

      Entweder irgendein Aussteigen aus der Gesellschaft oder ein irrer Wettlauf um den Nadelstreif mitsamt dem Zwang zum täglichen Kampf um den Erfolg in einer höchst zynisch materialistischen Weise.

      Seine frühe Kindheit verbrachte Lenny in größter Armut. Doch bereits zu Beginn der 1930er-Jahre während der großen Wirtschaftskrise ging es Sam Bernstein und seiner Familie finanziell hervorragend. Elegante Mahagonibetten und wuchtige Sofas, Wandteppiche und ein echter Perser wurden als Zeichen des Erfolgs angeschafft. Und als wichtigstes Wohlstandssymbol kaufte Papa Sam das erste Auto: Einen Ford T, auch Tin Lizzie, also Blechliesel, genannt, der bis 1972 das meistverkaufte Automobil der Welt war. Zum Glück waren Sam Aktien immer suspekt gewesen, er war einer der wenigen Geschäftsleute, die nicht unter dem Börsenkrach von 1929 litten: Am Schwarzen Freitag, dem 25. Oktober, platzte eine gewaltige Spekulationsblase – und damit der Traum von Wohlstand und Reichtum für alle. Der Glaube an endlos steigende Aktienkurse war zerstört, der ökonomische Rauschzustand über Nacht vorbei, genauso wie die »Illusion vom finanziellen Fortschritt in heroischen Schritten« (Magazin Forbes). General-Motors-Direktor J. J. Raskob hatte zuvor noch behauptet: »Da sich das Einkommen tatsächlich an der Börse vermehren lässt, glaube ich fest, dass nicht nur jeder reich werden kann – sondern dass jeder dazu verpflichtet ist.« Kurz danach folgte das jähe Ende einer Illusion: Aktien als Altpapier. Aktionäre in Lumpen. Politiker in Panik. Die Weltwirtschaft stürzte ab, riss Millionen Menschen in den Bankrott und trieb Anleger in den Selbstmord. 1932 war ein Viertel aller US-Amerikaner, also rund 15 Millionen Menschen, arbeitslos. Mitte der 1920er-Jahre hatte der Dow-Jones-Aktienindex zum ersten Mal die Marke von 110 Punkten durchbrochen, die zuvor als unüberwindbar gegolten hatte. An der Wall Street gab es kein Halten mehr: Die Aktienkurse stiegen bis zum Oktober 1929 um 300 Prozent. Bis zum Schwarzen Freitag.

      Doch Sam Bernstein hatte nie an die Wunder, die man an der Wall Street vollmundig versprach, geglaubt. Und glücklicherweise wollten die amerikanischen Frauen auch während der Great Depression, der schweren Wirtschaftskrise, nicht auf Dauerwellen verzichten, auf die sich Sams Hair Company, die inzwischen fünfzig Angestellte beschäftigte, neben Toupets längst spezialisiert hatte. Überall waren Sams Vertreter unterwegs, um die neue Fredericks-Dauerwellen-Apparatur – ein elektrisch betriebenes Heimgerät für Frauen, die sich keinen Friseurbesuch leisten konnten – zu verkaufen. Zuvor hatte Sam Bernstein seine Konkurrenten überboten und die Vertriebsrechte für ganz Neuengland exklusiv erhalten. Auch der Erfinder der Dauerwelle, der Deutsche Karl Nessler, ging nach dem Börsencrash des Jahres 1929 bankrott. Davor hatte der Friseur aus dem Schwarzwald allein in New York drei Dauerwellensalons betrieben, Filialen gab es in ganz Amerika: in Chicago und Detroit, Philadelphia und Palm Springs. Die ersten Wellen-Versuche wurden an Nesslers Frau Katharina durchgeführt, und zwar mittels einer Hitzezange an metallenen Wicklern, die er strahlenförmig in ihr Haar geflochten hatte. Immer wieder musste die Entwicklung der revolutionären Erfindung im Dienste der Schönheit abrupt abgebrochen werden, weil Nesslers Frau wegen der Hitze und Brandblasen am ganzen Kopf vor Schmerzen schrie. Doch irgendwann war die Dauerwelle geboren – dank ihr wurden Millionen von Frauen schön und glücklich. 1928, am Höhepunkt seines Erfolges, verkaufte Nessler sein Haarimperium und sein Wellenpatent für mehr als 1,5 Millionen Dollar, um sich zum weiteren Haarstudium in sein Labor zurückzuziehen. Den gesamten Betrag legte er in Kupferaktien an. Ein verhängnisvoller Fehler. Am Schwarzen Freitag des Jahres 1929 verlor er alles, über Nacht waren Nesslers Aktien wertlos geworden. Kurz darauf folgte der nächste Schlag: Ende 1929 brannten sein Haus und sein Labor komplett ab. Nessler konnte sein Leben nur mehr im Pyjama aus dem Haus laufend retten.

      Hingegen florierte Sams Hair Company zu Beginn der 1930er-Jahre, die Verwirklichung des amerikanischen Traums, der Aufstieg des ostjüdischen Einwanderers aus kleinsten Verhältnissen, war fast filmreif: Die Familie Bernstein besaß zwei Häuser, zwei Autos und beschäftigte eine Riege von Dienstmädchen, eine Zeit lang sogar einen indischen Butler, Zeno, der gleichzeitig als Chauffeur unterwegs war – in einem Plymouth-Cabriolet (mit einem Notsitz für Mrs. Bernstein) und einer Packard-Limousine. Und für Lenny ließ der erfolgreiche Businessman Bernstein im Salon zwischen wertvollem Mobiliar einen Chickering & Sons-Flügel aufstellen.

      Bereits 1927, als Lenny neun war und seine Schwester Shirley vier, СКАЧАТЬ