Leonard Bernstein. Michael Horowitz
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Название: Leonard Bernstein

Автор: Michael Horowitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783903083752

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СКАЧАТЬ um das Geld für die Überfahrt nach Amerika zu bekommen – und wie man sich über Wasser hielt, wenn man schließlich angekommen war.

      Schmuels Familie erfuhr von den Fluchtplänen. Man weigerte sich entschieden, ihn ziehen zu lassen. Als ältester Sohn hatte er zu Hause zu bleiben und für die Familie den Lebensunterhalt zu sichern. Und irgendwann würde er ja sowieso Rabbi werden. »Was konnte Amerika ihm bieten? Nichts außer primitiven Menschen und wilden Tieren. Er würde kaum bis Danzig kommen. Und selbst dann würde ihn der Ozean verschlingen …«, berichtet Burton Bernstein, der jüngere Bruder Leonards, achtzig Jahre später im Buch Family Matters über die Bedenken der Verwandten. Was hätte die Familie damals im Stetl am Ende der Welt bloß gesagt, wenn sie geahnt hätten, dass Burton, Autor des Magazins New Yorker, einer der Kandidaten für eine (abgesagte) Journalistenreise in den Weltraum war.

      1908 traf aus Connecticut ein Brief des Onkels Herschel Malamud – der seinen Namen längst amerikanischen Verhältnissen angepasst und auf Harry Levy geändert hatte – an den sechzehnjährigen Schmuel ein. Im Kuvert befand sich auch etwas Geld. Genug, um bis Danzig und vielleicht auch auf ein Schiff zu gelangen. Schmuel war für das Abenteuer seines Lebens bereit: In eine zusammengerollte Decke packte er ein paar Kleidungsstücke. Er verabschiedete sich von seinem Bruder und seinen Schwestern und musste schwören, aus Amerika bald Geld zu schicken, damit sie ihm nachkommen konnten. Der drei Jahre alte Bruder Schlomoh weinte bitterlich. Er wollte unbedingt mitkommen. Voller Angst und Schuldgefühl wagte Schmuel nicht, sich von seinen Eltern zu verabschieden, und schlich sich nachts aus dem kleinen Haus in Beresdiw.

      Zu Fuß ging es unter Umgehung sämtlicher Grenzposten quer durch Polen in westliche Richtung – mit Brot und Erdäpfeln von Verwandten als Proviant. Richtung Danzig. Die große Hafenmetropole an der Ostsee, damals die Hauptstadt von Westpreußen, war schon immer Dreh- und Angelpunkt für die großen Auswanderungswellen osteuropäischer Juden gewesen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kannten sie nur ein Ziel: Amerika! Später auch Kanada und Palästina. Zwischen 1919 und 1925 emigrierten mehr als 60 000 Juden über den Danziger Hafen. Arbeiter, Handwerker und ziehende Händler, die zuvor im Armenhaus der Monarchie mit Socken und Schuhbändern, Knöpfen und Leinenballen hausiert hatten.

      In der großen, beeindruckenden Stadt Danzig kaufte sich Schmuel ein Ticket für das Zwischendeck eines Transatlantikdampfers, dessen Endstation Liverpool sein sollte. Dort hoffte er, von einer jüdischen Hilfsorganisation Geld für die Überfahrt nach New York zu bekommen. Geprägt von Angst und Zweifel begann die zwei Wochen dauernde Schiffsreise in die Zukunft des sechzehnjährigen Schmuel Bernstein, der von Anfang an auf der Fahrt durch die raue Ost- und Nordsee seekrank war. Bis zum Schluss blieb es ungewiss, ob das Schiff jemals sein Ziel erreichen würde.

      Schließlich legte der überfüllte, von Wanzen befallene Dampfer in Liverpool an. Man bot den erschöpften Emigranten nach Wochen mit verdorbenem Essen Gemüsesuppe an. In einer Lagerhalle am Hafen durften sie übernachten. Die hygienischen Missstände und das Ungeziefer im Bauch des Schiffs blieben Papa Bernstein ein Leben lang in Erinnerung: Regelmäßig musste seine Frau noch Jahrzehnte nach dem Zwischendeckaufenthalt im Jahre 1908 penible Reinlichkeitsfeldzüge durchführen. Sobald er verschüttetes Essen im Kühlschrank oder eine einzelne Ameise entdeckte, erschütterte ein Zornanfall das Haus.

      Am nächsten Morgen bestieg Schmuel den Auswanderungsdampfer mit dem heiß ersehnten Ziel Amerika. Nach wilden Wochen auf der Fahrt über den Atlantik erreichte das Schiff die überfüllte, chaotische Einwanderungsstelle Ellis Island. Irgendwie fand Onkel Harry Levy den erschöpften, aber überglücklichen Schmuel. 25 Dollar als Bürgschaft für den neuen Amerikaner hatte er zuvor schon hinterlegt. Bald bekam auch Schmuel einen passenden Namen: Sam. Wie sein Onkel Jahre zuvor begann er im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ganz unten auf der Karriereleiter: Er nahm auf dem Fulton Street Market gegenüber von Manhattan Barsche und Dorsche, Heringe und Makrelen aus. Hier war die erste Anlaufstelle vieler Einwanderer: Es wurde nicht lange gefragt, man bekam ein scharfes Messer und einen Fischschupper in die Hand gedrückt. Gruppen von zehn Männern standen um die Metalltische. Alle paar Minuten dröhnte ein donnerndes Geräusch durch die Halle: Die nächste Lawine von Fischen schoss sintflutartig von oben auf den Tisch. Mit durchtränkten Schuhen in glitschiger Brühe watend, auf Haut, Haaren und Arbeitskleidung Fischblut und -eingeweide: Der Aufstieg für den schmächtigen Sechzehnjährigen auf der amerikanischen Erfolgsleiter konnte beginnen.

      Er arbeitete von sechs Uhr früh bis sechs Uhr abends an sechs von sieben Tagen inklusive des Samstags, des jüdischen Sabbats, für einen Wochenlohn von fünf Dollar. Zu Mittag gab es eine Portion Salzheringe. Nicht nur in der kurzen Mittagspause träumte Sam von einer Karriere als Briefträger. Doch beim Bewerbungsgespräch versagte er. Später bezeichnete Sam Bernstein den Fulton Fischmarkt immer wieder als »meine Universität«. Beim Ausnehmen und Schuppen der Fische lernte Sam Bernstein, wie man von fünf Dollar pro Woche leben konnte, und seine ersten Brocken Englisch, hörte hitzige Argumente für die Demokraten und lernte auch, wie man Freunde gewinnen und Menschen beeinflussen konnte. Er entdeckte immer mehr, dass in Amerika alles möglich war.

      KAPITEL 3

       Jüdisches Penicillin

      Ich glaube, ich hätte ein ganz annehmbarer Rabbiner werden können. Doch davon konnte keine Rede sein, denn Musik war das Einzige, was mich erfüllte.

      Im Frühjahr 1912 erhielt Sam in seiner winzigen Unterkunft an der New Yorker unteren Eastside Post von Onkel Harry, der ihn nach Hartford in Connecticut einlud. Gemeinsam wolle man Pessach, das jüdische Osterfest, feiern. Und Harry deutete in dem Brief auch an, dass Sam vielleicht in Hartford bleiben könne, um in seinem Friseurgeschäft zu arbeiten. Der Laden liefe gut, inzwischen verkaufe man auch Zöpfe und Damenperücken. Der vom Schmutz und Gestank am Fulton Street Market frustrierte Sam fuhr bereits am nächsten Tag mit dem Zug nach Hartford. Bald begann er im Frisiersalon des Onkels als Lehrling zu arbeiten. Er befreite den Boden von Haaren, säuberte Kämme und Scheren und wusch Arbeitsmäntel – auch nicht gerade der Traumjob für Sam im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, aber noch immer besser, als zwölf Stunden pro Tag Fische auszunehmen.

      Eines Tages bemerkte der Vertreter der New Yorker Firma Frankel & Smith – Lieferanten von Friseur- und Kosmetikartikeln – den Lehrbuben in Onkel Harrys Geschäft und engagierte ihn für die neue Filiale in Boston als Lagerarbeiter. Eine baldige Beförderung hinge nur vom Fleiß des jungen Mannes ab. Haarteile boomten, das Geschäft blühte auch in Boston. Sam sortierte Bündel von Menschenhaar, das aus Asien importiert wurde. Nach der chemischen Reinigung wurde das Haar für modebewusste Amerikanerinnen in Perücken geflochten. Sams Aufstieg begann. Bald war er einer der erfolgreichsten Mitarbeiter bei Frankel & Smith. Und bald gründete er eine eigene Firma – die Samuel Bernstein Hair Company.

      1916, er war nun 24 Jahre alt, amerikanischer Staatsbürger und hatte einiges zusammengespart, konnte er langsam an die Gründung einer Familie denken. Der steife weiße Kragen sowie seine dunklen dreiteiligen Anzüge und der geglättete schwarze Lockenschopf ließen ihn wie einen jungen Mann auf dem Weg nach oben aussehen. Sam Bernstein hatte es geschafft. Im Frühjahr 1917 trat Amerika in den Krieg ein, Sam wurde in die Armee eingezogen. Doch wegen seiner Kurzsichtigkeit wurde er ehrenhaft entlassen. Ein paar Monate später, an einem Sonntag im Herbst, heiratet Sam Bernstein die neunzehnjährige Jennie Resnick. Auf ebenso abenteuerliche Weise wie er war Jennie bereits im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern aus einem Stetl ganz in der Nähe der Heimatstadt Sams nach Amerika gekommen. Früh hatte Jennie in einer Fabrik zu arbeiten begonnen und sie besuchte mehrmals pro Woche eine Abendschule, um Englisch zu lernen. Die Resnicks lebten in Lawrence, vierzig Kilometer nördlich von Boston. Jahre nach der Trauung behauptete Jennie, ihre Mutter hätte eine Verlobungsfeier organisiert und den Tag der Hochzeit fixiert, ohne der Tochter irgendetwas zu sagen. Einer bescheidenen Feier in der Synagoge folgte jedenfalls ein aufwendiges Fest im Hause Resnick. Tagelang bereitete die Familie unter den strengen Anweisungen СКАЧАТЬ