Leonard Bernstein. Michael Horowitz
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Название: Leonard Bernstein

Автор: Michael Horowitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783903083752

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СКАЧАТЬ Bernstein aus Dankbarkeit viele Jahre nach dem Studium in Harvard immer wieder in seinen Konzerten auf.

      1937, während des vorletzten Jahres an der Universität, lernte Leonard den Hohepriester der Musik, den Dirigenten Dimitri Mitropoulos, kennen, einen Musiker, der außergewöhnlich wichtig für Leonard Bernsteins Karriere werden sollte. Fast ein Vierteljahrhundert lang sollten die beiden befreundet sein. Als Gastdirigent des Symphonieorchesters kam Dimitri Mitropoulos nach Boston, bei einem Nachmittagsempfang der Harvard Helicon Society, der Griechisch-Studenten, wurde ihm der hochbegabte Student Bernstein vorgestellt. Am Abend davor hatte Leonard ein Konzert des berühmten griechischen Dirigenten gehört und »vor Begeisterung fast den Verstand verloren«.

      Er möge ihm doch etwas vorspielen, meinte der Maestro beim Five o’Clock Tea. Ein Nocturne von Chopin beeindruckte ihn so sehr, dass er Lenny am nächsten Tag zu einer Orchesterprobe und danach zum Lunch in das Café Amalfi einlud. Mit einer aufreizenden Geste spießte Mitropoulos eine Auster auf seine Gabel und schob sie Lenny in den Mund. Während des offenen, warmherzig geführten Gespräches ermunterte Mitropoulos den genius boy, Dirigent zu werden. Dimitri Mitropoulos, eine imposante Figur mit stechend blauen Augen und einer Glatze, ein charismatischer Mensch, der fünf Sprachen beherrschte, beeindruckte Bernstein tief. Als junger Mann hatte er am Berg Athos Mönch werden wollen, war aber, nachdem man ihm in seiner Klause ein Instrument verweigert hatte, geflüchtet. Seine Religion wurde bald die Musik. Als leidenschaftlicher Orchesterleiter wollte er sein Publikum nie nur mit wohltuenden Klängen verwöhnen, sondern es aufrütteln und unter Strom setzen. Er war einer der höchstbezahlten Dirigenten der Welt, der immer wieder Konzertgagen jungen Musikern spendete, damit sie sich Instrumente leisten konnten.

      Während der 1920er-Jahre war Dimitri Mitropoulos fünf Jahre lang in Berlin Assistent von Erich Kleiber an der Staatsoper Unter den Linden gewesen, 1930 erregte er bei einem Konzert mit den Berliner Philharmonikern Aufsehen: Er spielte den Solopart des Dritten Klavierkonzerts von Sergei Prokofjew und leitete dabei das Orchester vom Flügel aus – der erste moderne Musiker, der diese Doppelfunktion einnahm. Eine Kunst, die Leonard Bernstein später immer wieder praktizierte – besonders gerne bei Beethovens C-Dur-Klavierkonzert und der Rhapsody in Blue.

      1946 wurde Dimitri Mitropoulos amerikanischer Staatsbürger. Bis 1949 war er Chefdirigent des Minneapolis Symphony Orchestra, zwei Jahre später wurde er als Nachfolger von Bruno Walter alleiniger Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker. 1956 gab es für das Orchester und ihren Musikdirektor immer wieder negative Kritiken, von der Herald Tribune bis zur New York Times. Ende April holte deren Musikkritiker Howard Taubman zu einem Rundumschlag aus: Er kritisierte »stetigen Verlust an Spielkultur und Präzision, der Klang sei oft rau und hart, die Balance gerate immer wieder aus den Fugen.« Zu verantworten habe dies der Chef des Orchesters, dem die Hingabe für Werke von Mozart, Beethoven und Brahms fehle. Durch Taubmans Angriff wurde Dimitri Mitropoulos zum Feindbild, zur persona non grata der eingeschworenen New Yorker Klassikgemeinde. Wochenlang veröffentlichte die New York Times zynische, negative Leserbriefe. 1957 löste man Dimitri Mitropoulos in einer homophoben Kampagne als Chefdirigent ab. Die tonangebenden tough guys des Orchesters waren von diesem »Softie« befreit. Leonard Bernstein, den Mitropoulos zwanzig Jahre zuvor als genius boy bezeichnet hatte, wurde sein Nachfolger. Schon damals, während der ersten Begegnung, war der Neunzehnjährige fasziniert und bezeichnete später die Beziehung der beiden als die »denkwürdigste und verworrenste Zeit meines Lebens«. Er war geprägt von einer »tiefen und furchtbaren Zuneigung zu diesem Mann«, den er Eros Mavro nannte.

      Dimitri Mitropoulos starb im Alter von 64 Jahren an einem Herzinfarkt. An der Mailänder Scala probierte er Gustav Mahlers Dritte Symphonie. Vor Takt 80, dem großen Einsatz der Posaunen, erstarrte der Maestro plötzlich, sein Körper neigte sich nach vorn – und wie eine Statue, die vom Podest fällt, stürzte er in den Orchestergraben. Ein leidenschaftliches Leben, bestimmt von exzessivem Rauchen und permanenter Überarbeitung, fand ein pathetisches Ende.

      KAPITEL 8

       Rachmaninow für Rehe

      Ein großer Lehrer ist einer, der aus seinen Schülern Funken herausschlagen kann, Funken, an denen ihr Enthusiasmus für Musik, oder was immer sie studieren, schließlich Feuer fängt.

      Der vielseitig aktive Harvard-Student Leonard Bernstein wurde Mitarbeiter des bereits 1866 gegründeten Kunst- und Literaturmagazins der Universität, für das auch Louis Begley, T. S. Eliot und Norman Mailer Texte geliefert haben. Lenny schrieb für The Harvard Advocate Musikkritiken. Sein erster veröffentlichter Beitrag war die Rezension eines Konzerts des Boston Symphony Orchestra unter der Leitung von Serge Koussevitzky, jenem Dirigenten, der für Bernstein ein wichtiger Förderer werden sollte – und eine Art Ersatzvater.

      Der aus armen Verhältnissen stammende Russe Serge Alexandrowitsch Koussevitzky studierte in Moskau Musik. Durch die Heirat mit Natalia, der Tochter eines reichen Teehändlers, konnte er seinen Traum vom Dirigieren verwirklichen. 1908 gab er in Berlin sein Debüt als Dirigent. Zwei Jahre später mietete Koussevitzky einen alten Dampfer und gab mit einem von ihm zusammengestellten und finanzierten Orchester an 19 Orten entlang der Wolga Konzerte. Zu Beginn der 1920er-Jahre flüchtete Koussevitzky vor den Bolschewiken. Als Meilenstein der Musikgeschichte gilt seine Pariser Uraufführung der orchestrierten Fassung von Mussorgskis Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung, die Maurice Ravel im Auftrag Koussevitzkys geschaffen hatte. Bis 1949 leitete Serge Koussevitzky 25 Jahre lang das Boston Symphony Orchestra. Er entwickelte sich immer mehr zu einem schillernden Paradiesvogel des traditionsgebundenen amerikanischen Musiklebens. Ein exzentrischer Mensch und Musiker, der im Stil eines Grandseigneurs lebte.

      Bereits 1937 gründete der fantasievolle Künstler Koussevitzky das Tanglewood Music Festival, das sich bald als größtes musikalisches Sommervergnügen Amerikas etablierte. Er erkannte den Wunsch, der Künstler und Publikum einte, während der heißen Sommermonate die schwülen Metropolen zu verlassen und auf dem Land zu musizieren. Tanglewood, von Boston und New York nur jeweils rund 250 Kilometer entfernt, schien ihm der ideale Platz zu sein. Auf einem parkähnlichen Gelände, das zwei alten Schwestern gehörte, die auf dem Höhepunkt der Großen Depression ihren großen Grund loswerden wollten. Als sich kein Käufer fand, schenkten sie die Liegenschaft dem Boston Symphony Orchestra – jetzt konnte dessen Musikdirektor Serge Koussevitzky die Idee des Sommerfestivals reifen lassen. Am Fuße der sanften Berkshire-Hügel ließ er zuerst ein Zelt aufstellen, bald folgte eine 5200 Plätze fassende – rund um das Orchester fächerartig angeordnete – Festspielhalle, die der finnische Architekt Eliel Saarinen 1938 erbaute. Das Orchester und ein Teil des Publikums hatten im shed, einem Verschlag, ein Dach über dem Kopf. Man saß auf lehmgestampftem Boden auf einfachen Holzstühlen. Das eigentliche Auditorium lag jedoch im Freien: Die Natur triumphierte über Parkett, Prunk und Plüsch.

      Das Freiluftspektakel von Tanglewood entwickelte sich zum Wallfahrtsort amerikanischer Musikpilger. Die ungezwungene Atmosphäre lockte immer mehr Jazz- und Klassikfans in die Natur. Es galt in Boston und New York als chic, bei der künstlerischen Landpartie dabei zu sein. Vor dem Amphitheater klappte man mitgebrachte Sessel auseinander, Decken wurden ausgebreitet und Picknickkörbe geplündert: Als Ouvertüre gab es Sandwiches. Sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, begann das Natur-Musikerlebnis. Auch im angrenzenden Wald konnte man noch mithören. Rachmaninow für Rehe.

      Der deutsche Pianist Justus Frantz hat sich Jahre später wie viele andere junge europäische Musiker auch von Tanglewood inspirieren lassen – für sein Schleswig-Holstein Musik Festival, das er 1986 gründen sollte. Eine ganze Region in Schleswig-Holstein wurde plötzlich Festivalgelände: Herrenhäuser und Schlösser, Kirchen und Reitställe öffneten für Frantz, seine internationalen Stars und talentierten jungen Musiker aus aller Welt ihre Tore. Bereits im Frühjahr 1972, während eines Urlaubs auf den Kanarischen Inseln, den ihm sein Manager Harry Kraut dringend empfohlen hatte, СКАЧАТЬ